zum Hauptinhalt

Reise: Mehr Platz für jeden

Hapag-Lloyd hat mit der „Columbus 2“ eine der lukrativsten Schiffsbauvarianten übernommen.

Bing! Nach dem Signal öffnet sich auf Deck 8 lautlos die Tür des Fahrstuhls. Zwei wichtige Menschen sind auf dem Weg nach oben: Kapitän Jörn Gottschalk und Honesto – einer von zahlreichen philippinischen Servicekräften–, der emsig den Messinghandlauf in der Liftkabine poliert. Der Kapitän staunt und brummt wohlwollend: „Meine Güte, der putzt sich ja ’nen Wolf!“ Kein Wunder, an Bord der „Columbus 2“ laufen die Vorbereitungen für die ersten zahlenden Gäste auf Hochtouren. Das Schiff ist von Hapag- Lloyd-Kreuzfahrten erst vor wenigen Tagen übernommen worden. Und kurz vor der Taufe in Palma de Mallorca sind Heerscharen von Reisebürovertretern an Bord, die schauen möchten, ob sie ihren Kunden den jüngsten Spross der Hamburger Reederei getrost empfehlen können.

Die „Columbus 2“ ist kein neues Schiff und kann ihr amerikanisches Erbe nicht verleugnen. Und das ist auch gut so. Denn der Kreuzfahrtgast aus Übersee liebt ein eher unaufgeregt-gemütliches Ambiente. Dabei ist die bisher von Oceania Cruises unter dem Namen „Insignia“ eingesetzte Schönheit eigentlich eine waschechte Französin, ist also eine Dame mit bewegter Vergangenheit. Sie gehört mit Baujahr 1998 zwar zu den schon etwas älteren Semestern auf dem vom Jugendwahn befallenen Kreuzfahrtmarkt – ist jedoch technisch sowie konzeptionell ein hoch moderner Typ. Und deshalb von vielen Reedereien heiß begehrt, wie auch die anderen Schiffe der „R-Klasse“.

Denn die acht aus der Konkursmasse der 2001 verblichenen französischen Reederei Renaissance Cruises stammenden „Musikdampfer“ für knapp 700 Passagiere haben mehrere gewichtige Vorteile: nur wenige Innen- und eine außergewöhnlich hohe Anzahl von Außenkabinen mit Balkon oder Terrasse. „Das ergibt eine interessante Preisstruktur“, sagt Sebastian Ahrens, Sprecher der Geschäftsführung von Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten. Will sagen: relativ günstige „Einsteigerpreise“ für das Schiff bei gleichzeitigem Angebot hochwertiger Kabinen, für die ein entsprechender Preis erzielt werden kann.

Im Vergleich zu den Giganten, die heute als Neubauten die Werften verlassen, sieht die „Columbus 2“ noch aus wie ein richtiges Schiff. Gewiss, auch 698 Passagiere wollen untergebracht sein, deshalb ragt es auch elf Stockwerke hoch. Dafür gibt’s jedoch überdurchschnittlich viel Platz pro Passagier. Wer sich an Bord befindet, bemerkt das schnell. Selbst bei maximaler Kabinenbelegung entsteht nicht das Gefühl der Sardinenbüchse. Entspannung ist angesagt. Dazu trägt auch das Ambiente bei. „Country Club casual“ nennen die Amerikaner das Interieur, das an den Stil vornehmer britisch-amerikanischer Clubhäuser erinnert – gewisse charmante Geschmacksverirrungen beim Dekor inklusive. Hapag-Lloyd hat nur wenige Umbauten vorgenommen, das Schiff an entscheidenden Stellen jedoch „eingedeutscht“: Das für den US-Markt unabdingbar notwendige Casino wurde samt Kartentischen und „einarmigen Banditen“ eingemottet. Stattdessen empfängt jetzt der „Martinis Club“ die Nachtschwärmer an Bord, mit Tanzfläche inklusive Discjockey-Station. Zudem wurden neue Spielräume für kleine und größere Kinder konzipiert, schließlich sind Familien durchaus an Bord erwünscht.

Die Änderungen, die die Hamburger vorgenommen haben, halten sich auch deshalb in Grenzen, weil man „Stimmiges nicht ersetzen muss, das Schiff technisch in hervorragendem Zustand ist und wir es außerdem nur auf Zeit gechartert haben, es also demnächst in dem Zustand wieder zurückgeben müssen, in dem wir es übernommen haben“, sagt Ahrens. Ausgetauscht wurde im Wesentlichen nur, was den Namenszug Oceania trug, dazu zählen vor allem große Teile des Geschirrs sowie Handtücher. Die Gestaltung der Kabinen ist kaum verändert: Die Farben Dunkelblau, Goldgelb und Weinrot mit viel Holz herrschen vor.

Zwei Jahre läuft der Vertrag mit Oceania. Bereits im kommenden Herbst muss in Hamburg darüber entschieden werden, ob die mögliche Option auf weitere 24 Monate gezogen wird. Der Geschäftsführer hält das für wahrscheinlich, weil die Buchungen für die „Columbus 2“ bereits viel besser als erwartet sind. Außerdem wäre dann ausreichend Zeit und Gelegenheit, sich über einen Neubau Gedanken zu machen. „Darüber werden wir wahrscheinlich Mitte 2013 eine Entscheidung fällen“, verrät Ahrens, die Werft-Konditionen seien derzeit ja günstig. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihm der Gedanke an ein „echtes“ Hapag-Schiff dieser Art durchaus sympathisch ist...

Eher locker geht’s auf der „Columbus 2“ zu. Kein Krawattenzwang, kein Käpt'ns Dinner, für das sich der Gast aufbrezeln muss. Zu den Mahlzeiten hingegen ist allerdings auch keinesfalls Schlabberlook erwünscht – sportlich-leger bis sportlich- elegant heißt die Kleiderordnung in Restaurants und bei Veranstaltungen. Zu den Mahlzeiten gibt es keine feste Sitzordnung. Dafür, dass alle Gäste gleichzeitig Platz beim Essen finden, stehen sechs Restaurants bereit, wobei das gediegene „Albert Ballin“ – benannt nach dem Gründer von Hapag – für 323 Gäste das größte ist. Unter der Regie von Küchenchef Tobias Schreiber wird überwiegend „internationale Küche“, in zwei Spezialitätenrestaurants hingegen das Besondere geboten: Im „Polo Grill“ gibt’s bei Clubambiente überwiegend Fisch und Fleisch, im „Toscana“ herrscht italienisch-mediterrane Küche vor, bei hellen Möbeln und heiteren Farben. Gemäß der Philosophie des Hauses gilt: alles ohne Zuzahlung.

Über Kritik an Qualität von Küche und Keller ist Hapag-Lloyd traditionsgemäß erhaben, und auch an den aufgerufenen Preisen für Getränke wird sich niemand reiben wollen, halten sie doch durchaus dem Vergleich mit weit weniger ambitionierten Etablissements an Land stand. So wird für eine kleine Flasche Beck’s 1,80 Euro verlangt, der Cappuccino findet sich mit 1,50 Euro auf der Rechnung wieder und Cocktailtrinker werden sich bei 4,80 Euro nicht übervorteilt fühlen. Außerdem gibt es sogenannte Komplettpakete, die unliebsamen Überraschungen am Abreisetag vorbeugen helfen.

Kapitän Jörn Gottschalk hat sich auf der Brücke schon eingefuchst. Während einer Fahrt von Brasilien nach Barcelona konnte er den Kollegen der „Insignia“ bereits über die Schulter schauen. „Im Prinzip ist es beim Wechsel von einem Schiff auf ein anderes so wie beim Umstieg von einem Mercedes auf einen BMW – mancher Schalter sitzt halt an ungewohnter Stelle, das Handling ist etwas unterschiedlich –, doch das bekommt man schnell spitz.“ Der 44-Jährige – geboren, aufgewachsen und noch immer wohnhaft in Wuppertal – hat mit der „Columbus 2“ sein zweites Schiff als Kapitän übernommen. Vorher kommandierte er die „Columbus“. Doch die ist nach 15 Jahren unter der Flagge von Hapag-Lloyd bald unter dem Namen „Hamburg“ unterwegs.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false