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Metropolenbesuch: Schwül bleibt draußen

An heißen Tagen macht ein Metropolenbesuch keinen Spaß. Es sei denn, man kennt kühle Spots. Fünf Ideen zur Anregung.

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Sengende Hitze in der Großstadt, potenziert durch aufgeheizte Hauswände und Pflaster. So manchem Tourist vergeht dabei die Lust, den Sehenswürdigkeiten nachzuspüren. Im klimatisierten Hotelzimmer zu sitzen, kann jedoch keine Lösung sein. Also warum nicht das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden? Ob in Rom, Madrid oder Linz – nahezu überall gibt es Refugien, die in den heißen Sommermonaten sowohl Stunden der kühlen Entspannung als auch des Genusses bieten, sei der nun kultureller oder kulinarischer Art. Tagesspiegel-Autoren sitzen nicht nur am Schreibtisch, sondern kommen auch etwas in der Welt herum. Sie berichten, wie sie dem Problem siedender Temperaturen auf Reisen begegnen.

KAIRO

In Ägypten endet das Thermometer von Amts wegen bei 40 Grad. Offiziell wird es nie heißer. 40 Grad im Sommer, so kalkuliert man am Nil, ist irgendwie noch glaubwürdig und gleichzeitig aus Sicht bleicher Europäer eben noch erträglich. Ganz gleich, ob sie hier ihren Badeurlaub verbringen oder in kurzen Hosen die Tempelreliefs des Sonnengottes Re bestaunen wollen. Unter einer Glocke aus flirrender Hitze und stinkenden Abgasen hat jeder sein eigenes Rezept zum Überleben: literweise Wasser trinken, nach Möglichkeit regungslos im Schatten hocken und nachts auf den Nilbrücken etwas von der abendlichen Brise erhaschen. Jeder verschanzt sich – wenn er kann – zu Hause oder im Hotel hinter einer Klimaanlage oder fährt – wenn er muss – mit einem der neuen weißen Taxis mit serienmäßig eingebauter Kühlung. Mehr bleibt nicht. Die Schwüle draußen ist rund um die Uhr fast überall ein unerbittlicher Belagerer. Martin Gehlen

MADRID

Kein vernünftiger Mensch reist im Hochsommer in die spanische Hauptstadt. Tut er es dennoch, weil der Flug so günstig, das Hotelzimmer so preiswert war, wird er sich wundern. Auf den ersten Blick erscheint die Stadt verwaist. Denn: Wer es sich von den Einheimischen eben leisten kann, flüchtet im Juli/August aus der Stadt. In die Berge, ans Meer, vorzugsweise an die frische Küste von Galicien. Da steht er nun, der Tourist, oft bei 40 Grad und mehr. Schön, die Straßen sind im krassen Gegensatz zu sonst nahezu autofrei und vor den Museen muss man nicht anstehen. Aber die Hitze! Was bleibt? Tipp Nummer eins: einen ganzen Tag im Prado verbringen. Die Boschs, Brueghels, Dürers, Grecos, Rembrandts, Velázques und Co. mögen es schließlich immer schön kühl. So lässt sich unangestrengt dem Audio- oder leibhaftigen Guide lauschen. Außerdem ist man vom zwanghaften Fotografieren ebenso befreit wie von Mobiltelefonen: beides verboten. Kraft schöpfen kann man im museumseigenen Restaurant. Und wenn die Temperaturen draußen erträglich werden: Siehe da, um Mitternacht beginnt das Nachtleben unter freiem Himmel, vor allem in Parks und vor Kneipen. Und wer den nächsten Tag fürchtet – Tipp Nummer zwei: Auf nach El Escorial, dem alten Königspalast etwas außerhalb der Stadt auf 1023 Meter Höhe, wo die Luft frisch und angenehm ist.Gerd W. Seidemann

ROM

Palazzo del Freddo – allein der Name verheißt Abkühlung, Palast der Kälte. Vor 130 Jahren gründete die Familie Fassi diese römische Eisfabrik im Esquilino-Viertel (Via Principe Eugenio 65). Den Palazzo del Freddo von heute darf man sich nicht als eine schnuckelige Eis-Manufaktur vorstellen, er wirkt vielmehr wie eine kühle Bahnhofshalle für Gelati-Abhängige. An der Theke stehen Trauben von Menschen an, eine 17-köpfige Belegschaft füllt Waffeln und Becher, packt Eis zum Mitnehmen in kleine Pakete. Fassis Spezialität aber sind die Sanpietrini, so heißt in Rom das Kopfsteinpflaster und so nannte Fassi sein Eiskonfekt, Zabaione-Eis, mit dunkler Schokolade überzogen. Dass der Palazzo del Freddo heute im römischen Chinatown liegt, das sei eben die Globalisierung, sagt Seniorchef Leonida Fassi. „Und dem Himmel sei Dank: Der zweiten Generation der Chinesen, die in Rom geboren sind, schmeckt unser Eis.“ Ach ja, Fassis Enkel Andrea ist ebenfalls im Eis-Geschäft. Er leitet 80 Filialen in Südkorea. Barbara Schaefer

LINZ

In der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz gibt es als Überbleibsel der Kulturhauptstadt Europas 2009 noch einen „Ruhepol“: Ein nichtsakraler Raum in der früher für eine riesige Orgel vorgesehenen Turmhalle des Mariendoms – den man über viele Treppenstufen erreicht, um mitten in der Stadt lebendige Ruhe bei kirchentypischer Kühle zu genießen. Von Künstlern entworfene Möbel aus großen Sperrholz-Kabelspulen zum Liegen und Sitzen bieten entspannt und pragmatisch Ruhe im urbanen Alltag. Belichtet wird der 20 Meter hohe, 100 Quadratmeter große Raum von Himmel und Sonne – gefiltert und strukturiert durch ein riesiges Rosettenfenster. Das Projekt „Hörstadt“ sorgt in Supermärkten, Gastronomie, Behörden und Hotels für „Beschallungsfreiheit“ und setzt sich mit der „Linzer Charta“ international gegen Zwangsbeschallung ein. Der „Ruhepol“ ist eines der wenigen verbliebenen „Hörstadt“- Projekte in Linz: Für das wundervolle „Akustikon“ als kleines, feines Science- center hat Linz nach Ablauf des Kulturhauptstadt-Jahres die Förderung gerade eingestellt. Bleibt also nur: Ruhe im Mariendom. Bis Ende Oktober, dann wird es dort zu kalt. Carsten Werner

PALERMO

Die Bucht von Palermo trägt den schönen Namen „La Conca d’Oro“, die goldene Muschel. Entlang der Küste verspricht das Meer während des Hochsommers noch Erfrischung, im Zentrum aber ist es schwül und heiß. Die Durchschnittstemperaturen liegen bei 30 bis 33, manchmal klettert das Thermometer auf knapp 40 Grad. Die Palermitaner stöhnen, fächern sich unter riesigen Sonnenschirmen vor den Cafés Luft zu. Nicht wenige flüchten in den festungsartigen Normannenpalast. Der Palazzo dei Normanni war früher Sitz der sizilianischen Könige, heute tagt dort regelmäßig das Regionalparlament. Die im Palast 1130 erbaute Cappella Palatina, die Privatkapelle Rogers II., ist ein wunderbar kühler Ort, der in märchenhaftem Glanz erstrahlt: Wände und Decken sind mit goldglänzenden Mosaiken verziert, angenehm kühle Granitsäulen bilden den Rahmen für die glitzernden Mosaiksteinchen. Unter dem Normannenpalast fand man bei Ausgrabungen zufällig Stadtmauern, die freigelegt wurden. Zwischen den alten Steinen wird regelmäßig zeitgenössische Kunst ausgestellt – ein fantastischer und wohltemperierter Kontrast zwischen Antike und Moderne. Sabine Beikler

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