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Viererbob. Auch auf alten Kufen kommt man schnell ins Tal. Foto: dpa

© dpa-tmn

Reise: Mit Federboa im Salon Wie Kandersteg die Belle Époque zelebriert

Es dampft in der winterlichen Kälte, wenn die alte Lok in den Bahnhof von Kandersteg einfährt. Den holzvertäfelten Waggons entsteigen Herren mit Melone, Gehrock und Spazierstock, Damen in langen Kleidern, Capes und federgeschmückten Hüten.

Es dampft in der winterlichen Kälte, wenn die alte Lok in den Bahnhof von Kandersteg einfährt. Den holzvertäfelten Waggons entsteigen Herren mit Melone, Gehrock und Spazierstock, Damen in langen Kleidern, Capes und federgeschmückten Hüten. Auch viele der Wartenden auf dem Bahnsteig tragen Kleidung wie vor hundert Jahren. Willkommen zur Belle-Époque-Woche! Die Zeitschleuse in die glamouröse Vergangenheit liegt im Untergeschoss der Dorfkirche: der Fundus für historische Garderobe.

Mit den neuen, alten Kleidern am Leib grüßen sich die Menschen auf der Straße, es wird gelächelt und genickt, Hüte werden gelüftet. „Die Stimmung der Kandersteger ist in der Belle-Époque-Woche besonders gut, die Leute sind offener und entspannter“, erzählt Paul Breitschmid vom Organisationskomitee. „Sie scheinen plötzlich alle Zeit der Welt zu haben.“ Umgeben von der Kulisse des Blüemlisalphorns ziehen Gäste und Einheimische auf Schlittschuhen ihre Runden auf der Natureisbahn, viele in historischer Garderobe. Einige Kanderstegerinnen haben monatelang ihre stoffreichen Kleider unter Anleitung selbst genäht. „Wir haben eigens alte englische Schnittmuster bestellt“, erklärt die Schneiderin Gaby Rieder in einem bodenlangen Kostüm.

Die Idee zur Belle-Époque-Woche kam Jerun Vils, als er das ewige „früher, das waren noch Zeiten!“ wieder einmal hörte. „Na, dann machen wir es eben wie früher“, beschloss der Tourismusdirektor von Kandersteg, im Gehrock mit Zylinder.

Der Begriff Belle Époque bezeichnet die Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1914. Vor allem Briten reisten damals in die Schweiz und hielten sich oft wochenlang in den Bergen auf.

Die Zeit drängt. Gleich beginnt das Nostalgie-Bobrennen. Seit etwa 1900 gibt es in Kandersteg eine Naturbobbahn. Auf einem Bob sitzen vier Personen eng aneinandergedrängt. „Damals war das für Männer eine der wenigen Möglichkeiten, mit fremden Frauen unverfänglich auf Tuchfühlung zu gehen“, erzählt Marcus Schmid vom Oldiebob-Club Bivio schmunzelnd. Schon gibt der Pilot das Kommando zur Abfahrt. Der Bob gleitet durch den verschneiten Wald immer schneller den Berg hinunter, vorbei an den jubelnden Zuschauern.

Früher genossen es die adligen und vermögenden Gäste, im Urlaub ihre gesellschaftliche Rolle ablegen zu können. Die Schweiz schien dafür ideal geeignet, weil es dort keinen Adel gab, der auf die Einhaltung der einengenden Regeln pochte.

Die Gäste von heute folgen dem damaligen Tagesablauf. Dazu gehört vormittags eine Curlingpartie unter freiem Himmel mit den Originalsteinen aus der alten Zeit.

Das sportliche Vergnügen mit der nachhaltigsten Wirkung, das von den Briten importiert wurde, war aber sicherlich das Skifahren. „Es begann damit, dass ein Engländer seinem Bergführer ein Paar Ski schenkte“, erzählt Vreni Agostini, die Dorfführungen macht. In der Nostalgiewoche schnallen sich auch Urlauber die alten Holzbretter mit Zugbindung unter die Füße. Sie wurden auf Dachböden und in Museen gefunden. Viel Lust auf Nostalgie ist notwendig, um sich damit auf das kleine Skigebiet beim Oeschinen-See zu wagen.

„Bremsen ohne die üblichen Stahlkanten ist schwer“, berichtet Adrian von Känel, der zum ersten Mal auf uralten Skiern steht. „Die Notbremsung findet auf dem Hinterteil statt.“ Der Höhepunkt der Woche ist der große Belle-Époque-Ball im Hotel Victoria Ritter. Knisternde Aufregung liegt in der Luft. Üppige Ballkleider rascheln, Champagnergläser klirren im historischen Jugendstilsaal. Die Illusion funktioniert.Daniela David, dpa

Die nächste Belle-Epoque-Woche findet vom 22. bis zum 29. Januar 2012 statt. Als Vorbereitung für die zwei Bälle werden in der Woche Tanzkurse angeboten. Für das historische Bobrennen können sich noch Teams anmelden.

Auskunft: Schweiz Tourismus, Berlin, Telefon: 030 / 24 72 74 06, im Internet: www.myswitzerland.com, Kandersteg Tourismus, Kandersteg, die Telefonnummer lautet: 0041 33 / 675 80 80

Daniela David[dpa]

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