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Einfach mal reintreten. Der Moorlehrpfad im niedersächsischen Esterwegen macht vor allem Kindern Spaß.

© Ingo Wagner/dpa

Moorbäder: Gut für die Wanne

In Niedersachsen kann man mit einer Bahn durchs Moor zuckeln – oder wohlig darin eintauchen.

Er war einmal ein richtig attraktiver Kerl, der Mann, der vor rund 2700 Jahren im Moor bei Husbäke im Ammerland ein trauriges Ende gefunden hat. Mit lockigem roten Haar und einem kleinen Schnauzer, so jedenfalls zeigt ihn ein rekonstruiertes Foto im Landesmuseum für Natur und Mensch in Oldenburg. Das, was noch von ihm übrig geblieben ist, liegt heute hinter Glas. Die uralte niedersächsische Leiche verdankt ihren vergleichsweise guten Allgemeinzustand den speziellen Bedingungen im Moor, sagt Museumsmitarbeiter Jochen Koopmann. „Moorleichen werden praktisch konserviert und wie Ötzi im Eis vor Umwelteinflüssen geschützt. Es gibt keine Würmer, es gibt keine Verwitterung, sie sind wirklich luftdicht abgeschlossen.“

Heute findet man übrigens kaum noch Moorleichen. Weil das Moor nicht mehr in Handarbeit, sondern industriell abgebaut wird. Und weil es intaktes Moor auch kaum noch gibt. Dort, wo noch Moorreste existieren oder auch renaturiert wurden, hat man das touristische Potential meist erkannt. So können Besucher des „Moor Informationszentrums Ahlenmoor“ im Landkreis Cuxhaven das mehr als 20 Quadratkilometer große Naturschutzgebiet wahlweise zu Fuß oder mit einer kleinen Bahn erkunden.

Von 1956 bis 2001 wurde hier Torf zu Blumenerde verarbeitet und in aller Herren Länder exportiert. Die Feldbahn, die früher den organischen Bodensatz zum Torfwerk brachte, zuckelt heute mit Touristen durch das Hochmoor. Gut zwei Stunden dauert die Fahrt auf dem 5,7 Kilometer langen Rundkurs. An vier Stationen stoppt der Zug. Die Fahrgäste erfahren, dass Moorbewohner früher mit Hilfe von Gagelstrauch Motten vom Kleiderschrank fernhielten und ihre Holzschuhe mit Wollgras auspolsterten.

Oder dass es sich bei den berühmten Irrlichtern um Gase handelt, die aus dem Moor aufsteigen und sich in Verbindung mit Sauerstoff entzünden. Oder dass Moore ein guter Co2-Speicher sind und daher wichtig für den Klimaschutz. Zwischen Ems und Elbe gibt es eine ganze Reihe solcher Moorbahn-Angebote, unter anderem in Burgsittensen (Landkreis Rotenburg), Ströhen (Diepholz), Goldenstedt (Vechta) und Ramsloh (Cloppenburg).

Ganze zwei Jahrhunderte brauchte der Mensch, um die weiten unzugänglichen Moore im Nordwesten Deutschlands in Grün- oder Ackerland umzuwandeln. Geblieben sind ein paar größere Flächen wie das Ahlenmoor oder das Teufelsmoor bei Bremen sowie eine Reihe von kleineren Inseln, zum Beispiel das Kayhauser Moor in Bad Zwischenahn. Hier stößt der Besucher noch auf moortypische Vegetation wie Wollgras, Moosbeere und Sonnentau, hier wurde vor ein paar Monaten auch die „Niedersächsische Bodenstation Moor“ eröffnet, ein kleines Naturkundemuseum unter freiem Himmel. Auf einer etwa drei Meter hohen Moorwand sind rund 7000 Jahre Erdgeschichte dokumentiert. Eine sogenannte Plaggenhütte erinnert an die ärmlichen Lebensbedingungen der ersten Siedler im Moor, statt einer Straße existiert ein schmaler Bohlenweg.

Selbstverständlich fehlt bei Führungen auch nicht der Hinweis auf eine Moorleiche, die ganz in der Nähe vor knapp 90 Jahren beim Torfstechen entdeckt wurde. Untersuchungen ergaben: Der „Junge von Kayhausen“ wurde um 200 nach Christus durch Messerstiche getötet und im Moor versenkt. Seine Überreste befinden sich ebenfalls im Landesmuseum für Natur und Mensch in Oldenburg.

Auch Königin Luise von Preußen kam nach Bad Pyrmont

Machten die Menschen früher einen großen Bogen um das Moor, so begeben sie sich heute freiwillig hinein – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei ist das Moor allerdings auch wohlig-warm temperiert, 41 Grad sollten es schon sein. Moorbäder und Moorpackungen haben den Ruf Bad Zwischenahns als Kurort gefestigt. 1956 nahmen erste Gäste ein Moorbad in der Küche einer alten Villa. Die staatliche Anerkennung als „Moorheilbad“ folgte 1964. Auch wenn die Zahl der verschriebenen Kuren deutlich zurückgegangen ist – Moor kommt auch heute noch im Kurzentrum zur Anwendung. Der Rohstoff für die Behandlung rheumatischer und anderer Erkrankungen stammt aus dem Kayhauser Moor. Bad Zwischenahn ist eines von bundesweit rund 60 Moorheilbädern.

Schon vor 150 Jahren empfahlen Leibärzte ihren Hoheiten Moorbäder in Bad Pyrmont. Nach Königin Luise von Preußen, die wiederholt in dem Kurort weilte, ist heute das ambulante Gesundheitszentrum benannt. Und was früher für Königinnen gut war, kann heute für Patienten nicht schlecht sein. Jahrelang plagte sich Elfriede Wallenhorst mit Schmerzen – der Rücken, die Bandscheiben, Arthrose, Osteoporose. Ob Physiotherapie oder Medikamente, nichts half. 1999 kam sie das erste Mal nach Bad Pyrmont.

Während der Mahlzeiten sei sie mit ihrem Teller noch auf und ab gegangen, weil sie kaum sitzen konnte, erzählt die alte Dame. Erst Moorbäder brachten Linderung. Längst kommt die Bissendorferin zwei, drei Mal im Jahr, immer für zwei Wochen. Jeden Tag hat sie eine Anwendung, taucht für 20 Minuten in ein Moorbad, wird eingepackt. Anfangs hat die Krankenkasse die Kosten noch übernommen, inzwischen zahlt sie selbst. Rund 30 Euro kosten Moorbad oder Moorpackung. Offenbar gut angelegtes Geld – die rüstige Dame erfreut sich mit ihren 92 Jahren guter Gesundheit.

Auch Horst Schröder aus Soltau, der lange Jahre im Bergbau gearbeitet hat, schwört auf Mooranwendungen mit anschließender Massage. „Da springen Sie hinterher drei Meter aus dem Stand“, sagt er überzeugt.

Die wohltuende Wirkung des Moores – Fachleute sprechen von Peloiden – ist für Therapieleiter André Schubert vor allem eine Folge der „langsamen Wärmeabgabe, durch die das Gewebe an der Oberfläche nicht gefährdet wird.“ Durchblutung und Stoffwechsel werden angeregt, Muskeln und Gelenke entspannt und selbst tieferliegende Organe erwärmt. Naturstoffe wie Huminsäuren dringen in die Haut ein und beruhigen das vegetative Nervensystem. Zudem sei Moor reich an Mineralstoffen und, wie Schubert hervorhebt, „nebenwirkungsfrei“.

Anders als in Bad Zwischenahn stammt der Heiltorf in Bad Pyrmont nicht aus einem benachbarten Moor, sondern aus dem rund 75 Kilometer entfernten Hille am Mittellandkanal. Per Lkw wird es nach Bad Pyrmont transportiert. Hier werden die Soden zerbröselt und mit örtlichem Quellwasser verrührt. „Wenn man mit dem Finger darauf schreiben kann, ist es gut“, sagt Mooraufbereiter Ulrich Homuth. Über eine Leitung wird der braune Brei direkt ins Gesundheitszentrum befördert. Packungsmoor ist etwas fester und gelangt in Eimern zu den Behandlungsplätzen.

In Bad Pyrmont werden Mooranwendungen auch zur Therapie frauenspezifischer Leiden angewendet. Warum das Moor etwa beim unerfüllten Kinderwunsch immer wieder positive Wirkungen entfaltet, wird gegenwärtig wissenschaftlich untersucht. Gesichert hingegen ist eine Erkenntnis: Moor ist gut für die Haut. Übrigens aufgrund genau jener Stoffe, denen schon die Moorleiche im Oldenburger Museum ihr attraktives Aussehen verdankt.

Wolfgang Stelljes

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