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Frauen machen Tempo. Im Skibob ist die Gleichberechtigung schon gut vorangekommen. Foto: AFP

© AFP

Libanon: Nur mit Make-up auf die Piste

Mondän sind die Skiresorts im Libanon. Vor allem wohlhabende Einheimische trifft man hier. Ihr Fahrstil: rasant.

Der Neuschnee glitzert im Sonnenschein. Sanfte Hügellandschaften, moderne Doppelmayr-Seilbahnen und ungetrübter, strahlend blauer Himmel begrüßen den Wintersportler – im mondänsten Skiresort des Libanon. Auf rund 2000 Höhenmetern beginnt in Tiefschnee und auf gepflegten Pisten aller Schwierigkeitsgrade das Skivergnügen. Allein in der Region Kesrouane, rund eine Stunde Autofahrt von der Hauptstadt Beirut entfernt, gibt es 18 Hänge zu erkunden.

Das Tourismusministerium wirbt ausdauernd mit dem Slogan: „Das einzige Land, in dem man morgens Skifahren und mittags auf dem Mittelmeer Wasserski fahren kann“. Na ja, ein paar weitere Aspiranten für diesen Titel gibt es schon noch.

Allerdings ist die Ausübung von Wintersport nur ein kleiner Teil des Wochenendvergnügens der wohlhabenden Libanesen hier in den Bergen. Viele der Gäste sind anscheinend eher nach Faraya Mzaar angereist, um zu sehen und gesehen zu werden. Ein aufwendiges Make-up gehört bei den weiblichen Gästen des Fünf-Sterne-Hotels schon morgens zum guten Ton. Und als wünschten sich viele einen zusätzlichen Weichzeichner, ist der Frühstückssalon im mondänsten Hotel des libanesischen Skiortes Faraya Mzaar nur spärlich beleuchtet. Eher schemenhaft sind die Gäste zu erkennen, die sich an orientalischen und internationalen Spezialitäten bedienen. Nur die Servicemitarbeiter an den Crepes- und Käsetheken haben etwas Licht zum Arbeiten zur Verfügung.

Trotzdem tragen einige der betont lässig und sportlich gekleideten Frauen große Sonnenbrillen. Denn nicht wenige erholen sich hier von kleineren und größeren chirurgischen Eingriffen, die längst zum Standard der oberen Zehntausend im Zedernstaat geworden sind. „Die schwache Beleuchtung ist eine Aufmerksamkeit besonders für einige weibliche Gäste“, flüstert ein Angestellter auf Nachfrage dezent.

Ein freundlicher Service um neun Uhr sonntagmorgens, denn die Libanesen sind nicht nur als begeisterte Party- People bekannt, sondern auch dafür, besonderen Wert auf ihr Äußeres zu legen. Frische chirurgische Korrekturen werden, solange sie nicht entstellend wirken, nicht so diskret wie möglich zu verstecken versucht, im Gegenteil. Viele Frauen haben noch ganz andere Probleme: den passenden Lippenstift zum französischen Designer-Schneeanzug zu finden ...

Ganze Großfamilien entfliehen dem hohen Geräuschpegel der libanesischen Hauptstadt, ihrem Smog und der hohen Verkehrsdichte – und nehmen ihre schüchternen Dienstmädchen gerne mit zum Wochenendausflug, wie man an den Tischen im Intercontinental bebachten kann. Dort sitzen die – natürlich christlichen, darauf wird Wert gelegt – Äthiopierinnen und Philippinerinnen und umsorgen den phönizischen Nachwuchs. Nur selten sieht man, wie eine Mutter sich selbst um ihre Kleinen kümmert, nur manchmal hört man „Antoine, leave this!“ oder „Nancy, stop it!“, mit französischem Akzent gezischt, denn es gilt als weltoffen und modern, mit seinem Nachwuchs in der Öffentlichkeit Englisch zu sprechen.

Aktiv auf der Skipiste sieht man die Damen der Gesellschaft selten. Dafür amüsieren sie sich schon mittags, perfekt gestylt, beim Après-Ski. Importierter Champagner und lokaler Rosé wird hier zu ohrenbetäubender europäischer Technomusik kredenzt, und nach Sonnenuntergang stehen die Parties denen in Davos, Kitzbühel oder St. Moritz in nichts nach. Der europäische Skifahrer muss sich ein wenig an den lokalen Fahrstil gewöhnen, er ist offenbar an den hiesigen anarchischen Autoverkehr angeleht. Wenn Pisten aufeinandertreffen, so heißt es „Achtung!“ vor rücksichtslosen Rasern. Pistenwachen, die die angetrunkenen Herren der Schöpfung zur Räson rufen könnten, gibt es noch nicht.

Befremdlich: Manchmal sieht man komplett verschleierte Frauen, Touristinnen aus den Golfstaaten, die am Rande der Piste auf ihre Ehemänner warten und auch muslimisch beten, während direkt daneben Christen dem Alkohol zusprechen.

Doch der Libanon wäre nicht das Land mit den stärksten Kontrasten im Nahen Osten, wenn es nicht auch einen Gegenentwurf zum winterlichen Show-Alltag gäbe. So findet man beispielsweise im Örtchen Qanat Bakiche, in dem es viele antike Schreine für den Gott des Weines Bacchus gibt, Ruhe und Beschaulichkeit und ein durchaus ernsthaft sportbegeistertes Publikum. Hier werden die Pisten nie zu voll, und das einzige Hotel des kleinen Ortes bietet gemütliche Doppelzimmer für 75 Dollar an. Auf bis zu 2250 Höhenmetern kann man hier die Ruhe und Abgeschiedenheit genießen, die man bisweilen auch in den europäischen Skigebieten vermisst.

Jasna Zajcek

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