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Volldampf voraus. Kapitän Lance Holmquist hat die „African Queen“, legendäre Requisite des gleichnamigen Films von 1951, restauriert. Heute schippert er Touristen durch die Keys in Florida.

© Joe Raedle/Getty Images/AFP

Florida: Wo Katherine Hepburn nüchtern blieb

Die „African Queen“ ist ein Hollywood-Star, der Film hat Kultstatus. Die legendäre Schaluppe liegt vor Key Largo.

Sie wirkt ein wenig... nun ja: deplatziert, wie sie da liegt, im Hafen von Key Largo, Florida. Eine winzige Nussschale, der Schiffsboden aus rissigen Holzplanken, der Rumpf unlackiert zwischen all den weißen Hi-Tech-Jachten mit ihren hoch modernen Radarsystemen, den elektrischen Sonnensegeln und den edlen Sesseln aus Nubukleder. „Aber sie hat Geschichte“, sagt Lance Holmquist, während er Wasser aus dem Kessel lässt.

Lance Holmquist ist eine Kante von Mann, in Shorts und T-Shirt, dem universellen Outfit im Süden Floridas, mit hohem Scheitel und Haaren so blond, wie sie nur Menschen haben, die ihr Leben auf dem Meer verbringen. Er zieht ein paar Schrauben am Motorblock nach und füllt Wasser ins Kühlsystem.

Bis vor ein paar Jahren gehörte das Boot Jimi Hendrix, erzählt er. Nicht dem Gitarrengott aus den 60er Jahren, sondern einem Industriellen gleichen Namens. Nach dessen Tod fiel die Memorabilie an eine Stiftung – und geriet in Vergessenheit. Lance Holmquist hat es aufwendig restauriert, neuen Stahl im Rumpf verschweißt und einen eigens angefertigten Boiler eingebaut. Seit nahezu zwei Jahren ist es im Einsatz – und fast jeden Tag für Ausflüge gebucht.

Wie ich mit Bogart nach Afrika fuhr und beinahe den Verstand verlor

Kein Wunder, denn diese Schaluppe ist ein Hollywood-Star, die „African Queen“. Sie spielte die Hauptrolle im nach ihr benannten Film, über eine Missionarin im Kongo, damals, zur Zeit des Ersten Weltkriegs eine belgische Kolonie, über einen kanadischen Abenteurer, über ein deutsches Kanonenboot, das dem Paar auf einem See den Weg in die britische Kronkolonie Kenia versperrt. Und über ihren Plan, das Kanonenboot mit der „African Queen“ zu rammen und mittels selbst gebastelter Torpedos in die Luft zu jagen.

„Das Drehbuch war viel zu lang, ich fand es stellenweise sehr schlecht“, erinnert sich Katharine Hepburn, die weibliche Hauptdarstellerin in einem Buch, das sie Jahre später über die Dreharbeiten zu „African Queen“ schreiben sollte. Titel: „Wie ich mit Bogart, Bacall und Huston nach Afrika fuhr und beinahe den Verstand verlor“. Hepburn und Bogart waren damals, im Jahr 1951, zwei der größten Schauspieler, die Hollywood zu bieten hatte, beide Oscar-Preisträger, Kassenmagneten. Und John Huston war einer der profiliertesten Regisseure jener Jahre.

Gemächlich setzt sich die „African Queen“ in Bewegung. Sie hat zehn Pferdestärken – nach heutigen Maßstäben lächerlich wenig. Und der Dampf im Kessel reicht nur für eine knappe Stunde gemächlicher Fahrt, dann muss nachgefeuert werden. Die Dinner Cruise, zu der sie an vier Abenden in der Woche startet, beinhaltet denn auch kein Abendessen an Bord. Vielmehr werden die Gäste zu einer Marina am Atlantik befördert und dort verköstigt. Oder sie bringen ihr Picknick mit. Wo sollte man an Bord denn auch kochen? Die „African Queen“ hat keine Kombüse, noch nicht einmal ein Dach und weder Tische noch Stühle. Die Gäste sitzen auf hartem Holz.

Im Film trank er Gin, im wahren Leben lieber Whisky

Der Kessel braucht ab und zu einen Schlag – wie im Film, nur dass Bogart ihn mit Füßen statt mit einem Schraubenschlüssel traktiert. Am Bug liegt eine Kiste mit der Aufschrift „Gordon“s Gin“ – eine Reminiszenz an den Film und das Lieblingsgetränk der Hauptfigur. Im wirklichen Leben bevorzugte Bogart Whisky – wie John Huston, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband. Katharine Hepburn mokiert sich: „Er und John tranken reichlich. Ich war beinahe abstinent. Und fand es Mitleid erregend, Alkohol als Stimulanz zu benötigen. Arme schwache Dinger, dachte ich.“

Die Fahrt mit Lance Holmquist führt durch die Kanäle von Key Largo, vorbei an Bootswerften und kleinen Industriegebäuden. Eine Firma vertreibt Bojen. Ein lohnendes Geschäft hier, denn zum Schutz der Riffs ist das Ankern auf den Keys verboten. Boote werden auf den kleinen Koralleninseln, die sich über knapp 300 Kilometer wie an einer Kette aufreihen, an Bojen vertäut. Ein anderes Unternehmen macht sein Geschäft mit ein paar Unterwasserkapseln, die vor der Küste in verschiedenen Tiefen versenkt sind. Taucher können dort trainieren, sogar Astronauten der Nasa nutzen das.

Ein Haus in erster Reihe am Kanal steht zum Verkauf: zweigeschossig, rundum laufender Balkon, die Fassade jedoch von der salzhaltigen Luft etwas angegriffen. Preisschild: 875 000 Dollar. „Na ja“, meint Lance, „auch hier gilt Lage, Lage, Lage.“ Dabei ist dies noch nicht einmal eine Top-Location, weil sich gegenüber eine Werft befindet. In den ruhigeren Seitenkanälen ist nichts unter zwei, drei Millionen zu haben.

Ein Boot in Kongo, das andere in Uganda

Für Filmfreunde gibt es an Bord ein Album mit Fotos aus „African Queen“.
Für Filmfreunde gibt es an Bord ein Album mit Fotos aus „African Queen“.

© dpa

Lance lehnt sich zurück und betrachtet die „African Queen“, wie sie durch die Kanäle tuckert. „Sie genießt ihren Ruhestand“, witzelt er, „schließlich hat sie lang genug gearbeitet.“ 1912 in Belgisch-Kongo für die engen Wasserwege des Landes gebaut, hat sie bis 1968 Missionare, Söldner und Waren transportiert. Unterbrochen von der kurzen Karriere beim Film.

Gedreht wurde am Ruiki River in der Nähe von Kisangani, dem früheren Stanleyville. Um die Hygiene im kongolesischen Camp der Filmcrew war es schlecht bestellt. Es gab kein fließendes Wasser und folglich nur zwei Plumsklos – für Katherine Hepburn eine echte Herausforderung. Auch das Klima machte dem Star zu schaffen: In der schwülen Hitze blieben Kleider und Bettwäsche klamm; mal wachte Hepburn auf, übersät von Ameisenbissen, mal wurde sie am Set von Hornissen attackiert. Dazu kamen andere Kalamitäten, zum Beispiel streikte immer wieder der Motor der „African Queen“, einmal sank sie sogar und musste ohne technische Hilfsmittel geborgen werden.

In den Kanälen von Key Largo ist von derlei Unbilden nichts zu spüren. Okay, die Wirbelstürme im Herbst machen einem kleinen Boot wie der „African Queen“ zu schaffen. Das aber bleibt die einzige Aufgeregtheit in ihrem beschaulichen Dasein. Es geht an Anwesen vorbei, an großen und herrschaftlichen. In einem, wie Lance es ausdrückt, „geschmacklich umstrittenen pseudogotischen Palast“ wohnt ein Industriemagnat, in dem ultramodernen Bungalow gegenüber ein auf Luxusimmobilien spezialisierter Makler. Andererseits: Was einer ist oder hat, ist hier draußen ziemlich egal. „Auf dem Wasser gilt ein ungeschriebenes und gleichzeitig geschriebenes Gesetz“, sagt Lance. „Lass niemand zurück, der in Gefahr ist, hilf ihm. Diese Haltung findet man hier auch bei seinen Nachbarn.“

Katharine Hepburn spielt Orgel

Das Ende der Kanäle ist erreicht, im Atlantik lässt Lance die „Queen“ beidrehen. Es ist Abend geworden, die Sonne verschwindet glutrot hinter ein paar Schäfchenwolken. Holmquist heizt den Boiler wieder auf. Zeit, mit ihm noch einmal die Gedanken nach Afrika schweifen zu lassen, zur Filmcrew. Die drehte auch in Uganda, in Butiaba, einem Dorf am Albertsee. Dort stand die Eröffnungsszene im Skript. Gottesdienst in einer Methodistenkirche. Katharine Hepburn spielt Orgel, ihr Filmbruder stimmt einen Choral an, die Gemeinde singt mit.

„Es war heiß wie die Hölle“, erinnert sie sich in ihrem Buch, „und die Luft zum Schneiden dick von Ungewaschenem. Und jetzt verbreitet sich ein Geruch, anders als alles, was ich mir je vorgestellt hatte.“ Der Kinobesucher meint, es ihr ansehen zu können, als sie in die Tasten greift, mit grimmiger Entschlossenheit, in einem Leinenkleid, das einmal weiß gewesen war.

Mit Katharine Hepburns Unpässlichkeit beginnt die schwierigste Phase der Dreharbeiten. Nach und nach erkranken Crew und Schauspieler an Amöbenruhr. Nur Huston und Bogart bleiben verschont, sie hatten sich – wie sich herausstellen sollte – statt ans verunreinigte Mineralwasser an Whisky gehalten.

Gas weg, kurzer Ruck – und schon liegt sie am Pier

Der Film wurde einer der großen Erfolge des Jahres 1951. Humphrey Bogart brachte er seinen zweiten Oscar ein, John Huston die Nominierung als bester Regisseur, Katherine Hepburn als beste Hauptdarstellerin – was letztlich auch ihr Urteil milder ausfallen lässt: „ ,African Queen‘ war ein Riesenspaß. Und die Aufnahmen in Afrika waren für alle eine Premiere.“

Fürsorgliche Schraubenschlüssel braucht das 1912 gebaute Schiff schon.
Fürsorgliche Schraubenschlüssel braucht das 1912 gebaute Schiff schon.

© dpa

Das Ende des Ausflugs auf der „African Queen“ durch die Kanäle von Key West und in die Filmgeschichte, in den Kongo und nach Uganda – eine Biegung noch, dann ist die Pier in Sicht. Lance Holmquist bitte um Hilfe: Man möge das Gas justieren, während er steuert. Er hält mit dem Bug direkt auf die Kaimauer zu. Dann der Zuruf: Gas weg! Ein kurzer Ruck mit dem Steuerruder – und schon liegt die „African Queen“ am Pier. Die Fahrt war ein Vergnügen. Und es war eine Ehre, beim Anlegen dieses berühmten Bootes geholfen zu haben. Das Boot, das im Mittelpunkt der afrikanischen Abenteuer von Humphrey Bogart, Katharine Hepburn und John Huston stand. Wer kann das schon von sich sagen?

Nun, vielleicht Cam McLeay, ein Neuseeländer, der ebenfalls eine „African Queen“ in Uganda entdeckt und restauriert haben will. Seine Version der doppelten „Queen“: „Seinerzeit wurden für die Dreharbeiten tatsächlich zwei Boote benötigt – eines in Kongo, das andere, nunmehr meins, in Uganda.“

Tom Noga

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