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© laif

Palm Springs: Oase der Stars

Hollywood-Größen mochten Palm Springs - und ließen sich in der kalifornischen Wüstenstadt tolle Villen bauen.

Ein besseres Urlaubsgewächs gibt es nicht. Man muss nur Palme denken, schon hat man Sonne, Strand und Meer vor Augen. Strahlend blau ist der Himmel auch in Palm Springs, und das an 350 Tagen im Jahr. Wie staksige Giraffen säumen die Palmen Straßen und Gärten. Nur Meer gibt’s hier keins. Palm Springs – nicht zu verwechseln mit Palm Beach in Florida – liegt mitten in der kalifornischen Wüste, knapp 180 Kilometer östlich von Los Angeles. Wer sich auf den Rücken in den Pool legt – und der gehört hier so selbstverständlich zu jedem Haus und Hotel wie anderswo der Gartenzaun – sieht Palmen, Himmel, schroffe Berge. Palm Springs hat immer Urlaub.

Deswegen flohen Hollywood- und andere Stars wie Bob Hope und Frank Sinatra, Grace Kelly und Rock Hudson, Liz Taylor und Cary Grant so gern hierher: um sich vom Moloch Los Angeles zu erholen. Sonny Bono, Ex-Mann von Cher, blieb gleich ganz da, um Bürgermeister zu werden. „Baby get your lugguage packed / meet you by the railroad track“, heißt es in einem Song aus den 40er Jahren: „Everybody’s jumpin’ down to Palm Springs.“ Damals schwoll es gerade erst vom großen Dorf zur Kleinstadt an.

Palm Springs, geschützt in einem Tal zwischen den Bergen gelegen, ist so ziemlich das Gegenteil von L. A.: ausgesprochen übersichtlich. Im Prinzip besteht der Ort aus einer einzigen Straße, auf der man in die Stadt rein- und wieder rausfährt, der Rest liegt irgendwie links und rechts davon. Am Palm Canyon Drive, den Dean Martin schon besungen hat, reihen sich auch die meisten Läden, Cafés und Restaurants, gern im Hazienda-Stil, aneinander. Das allein macht die Stadt zu einer kleinen amerikanischen Sensation: Als „fußgängerfreundlich“ preist sie sich stolz an.

Nur merkt der Flaneur schnell: So malerisch die Palmen sind, so unpraktisch sind sie auch. Mehr was für Träume als für die Wirklichkeit. Schutz gegen die Ende Oktober noch knallende Sonne (37 Grad!) gewähren die kleinen Krönchen auf den hohen Stämmen nicht. Die Häuser dampfen: Aus dünnen Leitungen vor den Läden und Lokalen am Palm Canyon Drive sprüht dem Spaziergänger ein feiner Nebel aus Wassertropfen entgegen, eine kurze Erfrischung, mehr nicht. Da empfiehlt es sich schon eher, mit der Schweizer Seilbahn in der kirmesreif schaukelnden, sich um die eigene Achse drehenden Kabine zum knapp 2600 Meter hohen Mount San Jacinto State Park zu schweben und zu wandern. Dort oben kann es 20 Grad kühler sein als unten im Tal. Und im Hochsommer ist es in Palm Springs so brüllend heiß, dass die meisten Hotels und Geschäfte früher im Juli und August gleich ganz zumachten, weil eh keine Urlauber kamen. Heute ist die Stadt durchgehend geöffnet, es wohnen viele Rentner hier. Eine der Hauptsehenswürdigkeiten sind denn auch die Fabulous Palm String Follies mit dem ältesten Showgirl der Welt: Dorothy ist 85 Jahre alt. Das jüngste Mitglied der Beine und Hüften schwingenden Truppe vom South Palm Canyon Drive ist 56. Die Tänzer machen allerdings Sommerpause. Ende Oktober vermeldet die „Desert Sun“ auf ihrer Titelseite dann in der Rubrik „Good News“ den Start der neuen Follies-Saison.

Jung geblieben, das könnte das Motto von Palm Springs jenseits des etwas an Mallorca erinnernden Palm Canyon Drive sein, wo aus vielen Lokalen Musik auf die Straße dudelt. Zur eigentlichen Attraktion der grünen Wüstenstadt – auf rund 40 000 Einwohner kommen, zum Schrecken der Umweltschützer, Dutzende und Aberdutzende von Golfplätzen – hat sich nämlich in jüngster Zeit die Architektur der Moderne entwickelt, die die Stadt zu einer Art Open-Air-Museum macht und auch ein jüngeres Publikum anlockt. (Und ein schwules – es gibt sogar ein eigenes Branchenbuch für Homosexuelle.)

Während die Nazis der Avantgarde 1933 ein jähes Ende bereiteten, entstand „Mid Century Modern“ oder „Desert Modern“, wie die hiesige, sonnendurchflutete Variante genannt wird, zum größten Teil in den 40er, 50er, 60er Jahren. Sonnenschein ohne Meersalz und Sand, aber auch ohne Regen und Schnee, das bekommt den Bauten anscheinend gut, die sehr viel besser gealtert sind als ihre europäischen Genossen. Sie wirken heute noch außerordentlich cool. Bei den meisten Wohnhäusern lassen riesige, raumhohe Schiebefenster zum Garten hin die Grenze zwischen Drinnen und Draußen verschwinden. Nach vorne, zur Straße, geben sie sich dafür eher verschlossen, zeigen zur Wüste passende felsige Mauern.

Die Bauherren wussten den Schutz der Privatsphäre zu schätzen. Denn es waren gerade die Stars, die sich hier zum Teil spektakuläre Villen errichten ließen. Der Schweizer Albert Frey, der vorher kurze Zeit für Le Corbusier gearbeitet hatte, baute für den Lucky-Strike-Designer Raymond Loewy, der gebürtige Österreicher Richard Neutra, einer der Stars seiner Zeit, für die Kaufmanns, die sich schon von Frank Lloyd Wright das legendäre, aber zugige Fallingwater in Pennsylvania hatten bauen lassen, John Lautner, der vor ein paar Jahren wiederentdeckt wurde, entwarf für Bob Hope ein Gebilde, das wie ein riesiges Ufo oder eine geflügelte Kaffeetasse in den Bergen gelandet zu sein scheint. Auch wer nie in Palm Springs war, kennt einige dieser avantgardistischen Meisterwerke – zum Beispiel John Lautners Arthur Elrod House, das im James Bond „Diamonds are Forever“ auftaucht. Bei Regisseuren, ob für Kino- oder Werbefilme, sind die Villen bis heute ausgesprochen beliebt.

Die berühmtesten Häuser sind allerdings in Privatbesitz geblieben. Das heißt: Von innen kann man sie in der Regel nicht besichtigen. Von außen schon. Unterhaltsamer und informativer als auf eigene Faust auf der Suche nach den interessantesten Exemplaren durch die Straßen zu stolpern, ist es, sich von Robert Imber mit dem Minibus durch die Stadt kutschieren zu lassen. Der Amerikaner in Bermudashorts ist ein Enthusiast. Er hat schon alles Mögliche in seinem Leben gemacht, jetzt widmet er sich seiner Begeisterung für die moderne Architektur. Seit acht Jahren lebt er in Palm Springs, ein Fall von echter Liebe. Und er ist der geborene Erzähler, redet schnell, mit Händen und Füßen. Er weiß genau, wo Barry Manilow, Stan Laurel und Nancy Sinatra lebten und wo Elvis Presley mal war. An dem Liebesnest geht er jedoch schnell vorbei: architektonisch völlig uninteressant.

Imber berichtet von den Experimenten Albert Freys, der besonders gerne Industriematerialien wie Stahl, Glas und Beton verwendete, aber zugleich die natürlichen Farben der Umgebung benutzte. Er schwärmt davon, wie unterschiedlich einige Bauten zu jeder Stunde aussehen, je nachdem, wie die Sonne gerade fällt, und dass jene Bank dort die Hommage eines österreichischen Architekten an Le Corbusiers Kapelle Ronchamp ist. Er sieht Schönheit selbst in öffentlichen Gebäuden, die der Laie für eher schäbig hält. „A beautiful, beautiful, beautiful building.“

Aber nicht nur die reichen Stars haben in Palm Springs gebaut. Für die erschwingliche Variante der Wüsten-Moderne waren die Alexanders zuständig, George und Robert, Vater und Sohn, die später bei einem Flugzeugunglück ums Leben kamen. Mehr als 2000 Häuser gehen auf ihr Konto, alle gleich und doch anders: Sie sehen nicht aus wie von der Stange.

„Whatever you do in Palm Springs, don’t yodel“, schreiben die heutigen Bewohner eines Alexander-Hauses, Joan und Gary Gand. „And you will want to yodel.“ Und in der Tat: Nicht allein aus Begeisterung wird der Besucher versucht sein zu jodeln, sondern wegen der eigenwilligen Modelle, auf die man hier immer wieder stößt, die „Swiss Miss“ getauft wurden und die die Gands als Mischung aus Alpenhütte und Südseetipi beschreiben. In einer reinen Welt der Flachbauten ragen plötzlich Spitzdächer heraus. Besser gesagt: Sie stechen heraus. Denn hoch sind sie nicht. Die Dächer stehen auf der Erde, bilden einen zeltartigen Raum im Bungalow.

Robert Imber ist Mitglied in jedem Verein, der sich um die Wüstenmoderne kümmert. Und davon gibt es inzwischen einige. Denn vor einiger Zeit – manchmal heute noch – wurde die Palm-Springs-Moderne keineswegs so geschätzt wie heute; einige Häuser standen lange leer und verfielen, andere sollten zerstört werden. So wurde vor zehn Jahren das Palm Springs Modern Committee gegründet, um Albert Freys Feuerwache vor dem Abriss zu bewahren – sie sollte einem Parkhaus weichen. Und dem engagierten Verein, der im Februar schon zum fünften Mal die Modernism Week mitveranstaltet, geht die Arbeit nicht aus. Denn das Revival, das Palm Springs aufgrund seines architektonischen Erbes erlebt, kann ihm auch zum Verhängnis werden: weil die Oase immer mehr zugebaut wird.

In der Modernism Week kann ausnahmsweise auch das experimentelle Wohnhaus von Albert Frey selbst besichtigt werden, das aus dem Felsen zu wachsen scheint und heute dem Palm Springs Art Museum gehört. Das Museum, zu dessen großzügigen Spendern Kirk Douglas zählt, der hier selbst knapp 50 Jahre lang in einem Haus der Moderne lebte, hat eine eklektizistische Sammlung mit einigen herausragenden Stücken und spannenden Ausstellungen. Eine war dem Fotografen Julius Shulman gewidmet, der die kalifornische Moderne mit seinen legendären Fotos erst so berühmt – und so beliebt gemacht hat. Auch wenn Shulman, der vor wenigen Monaten im Alter von 99 Jahren starb, in Los Angeles wohnte, ist er so etwas wie ein Held von Palm Springs, hat er hier doch viele Häuser elegant in Szene gesetzt.

Darunter auch das kleine Del Marcos Hotel, ein Bau des Architekten und Partygängers William „Wild Bill“ Cody. Ein Klassiker aus dem Jahr 1947, ein paar Schritte vom Palm Canyon Drive, der vor ein paar Jahren sorgfältig renoviert worden ist. Die großzügigen Zimmer sind eingerichtet im Retro-Look, mit neuen und alten Stücken. Auch akustisch wird der Gast schnell in die richtige Stimmung versetzt: Das „Rat Pack“ erklingt am Pool, in dem man die dramatische Kulisse vor Augen hat, hohe Palmen, blauer Himmel, kahle Berge. Urlaub.

Wer es sich leisten kann, mietet sich gleich bei Frankieboy selbst ein. Der Bungalow, den Sinatra sich 1947 bauen ließ, ist für 7800 Dollar für drei Nächte zu haben. „Twin Palms“ heißt das Haus, weil der Hausherr seine beiden Palmen anleuchten ließ, damit die Gäste auch den Weg zu ihm fanden.

Günstiger ist das Hollywoodfeeling im Hotel Parker zu haben, auch ohne gleich zum Übernachten einzuchecken. Wer in der klaren, kühlen Wüstennacht durch den labyrinthischen Garten – ach was: Park – lustwandelt und sich dann hier draußen in einen Segeltuchsessel fallen lässt und am offenen flackernden Feuer wärmt, das Plätschern des Brunnens in den Ohren, einen Cocktail in der Hand – wer sich da nicht wie ein Hollywoodstar fühlt, ist selber schuld.

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