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Gebündelte Beute. Für diesen Fischer hat der Tag gut begonnen.

© imago/Bluegreen Pictures

Auf Vanuatu ist das Leben einfach: Das Glück wohnt im Herzen

Vor einem Jahr wütete ein Wirbelsturm über dem Archipel. Vieles war zerstört. Nun empfangen die Insulaner wieder Besucher – und laden sie zu ihren Festen ein.

Urlauber faulenzen im hellen Sand, erheben sich träge, um an der Strandbar einen Rumpunsch zu nehmen oder im Pazifik zu schnorcheln. Auf dem blaugrünen Wasser schaukelt ein Katamaran. Ein klassisches Postkartenmotiv.

Interessanter wird’s nur zehn Gehminuten von hier: Schwarze Ferkel grunzen zwischen Kokosnussschalen, wühlen in Pfützen und Holzscheiten. Hühner gackern, Wäsche flattert im Wind. Vor mit Palmblättern gedeckten Häuschen sitzen Frauen auf Bastmatten. Sie schälen Kochbananen und grüne Brotfrüchte, während Kinder in einer Wanne planschen. Männer hacken Holz.

Heute ist – von den Strandtouristen weitgehend unbemerkt – Tag drei der Hochzeitswoche im Dorf Mele. Das Örtchen liegt auf der Insel Efate unweit der Hauptstadt Vanuatus, Port Vila. Der britische Entdecker James Cook verpasste Efate den Namen „Sandwich Island“. Die Insel ist mit 50.000 Einwohnern die bevölkerungsreichste Insel des Staates Vanuatu.

Ein alter Mann bemerkt die neugierigen Blicke des Fremden, bittet ihn zu einem langen Tisch. Beim folgenden Umtrunk fragt Tarisaliu Mansale dann: „Und wie lange dauert eine Hochzeit in Deutschland?“ Der 76-Jährige wundert sich, dass es dort viel schneller geht. Er sagt auch: „Wir freuen uns über Gäste aus dem Ausland. Von denen erfahren wir dann, wie es woanders auf der Welt aussieht.“

Wirbelsturm "Pam" richtete schwere Schäden an

Der Bauch des Reporters ist nach diesem Festmahl fast so rund wie der eines wohlgenährten Dorfsenioren. Was wurde nicht alles aufgetragen! Schwein, Huhn, Kassava und Taro garten im Erdofen auf erhitzten Steinen, die mit Bananenblättern bedeckt sind. Zum Nachtisch werden Süßspeisen mit Kokoscreme gereicht.

Die Braut und ihre Freundinnen kommen bunt daher und tragen ihre besten Blumenkleider. Alle sind dezent geschminkt. Die Umstehenden winken, als die Schar in drei Minibusse steigt, um in Port Vila Geschenke zu kaufen und schon mal vorzufeiern. Der Bräutigam darf sich in den ersten Tagen noch nicht zeigen.

Auch das Dorf Mele blieb vom Wirbelsturm „Pam“ nicht verschont, der vor knapp einem Jahr auf Vanuatu schwere Schäden angerichtet hatte. Er zerstörte ungezählte Häuser und Hütten, es gab sogar Tote. Die Insulaner haben mit unglaublicher Energie und internationaler Hilfe in wenigen Monaten die meisten Schäden beseitigt. Gäste sind wieder willkommen.

Hibiskus und Oleander blühen herrlich wie ehedem. Besonders gut aber duften die weißen und rosa Frangipani, deren Aromen in manchen Parfums zu finden sind. Wunderschön sind dank des feuchtheißen Klimas Ginger-Gewächse in Pink und Rot sowie gelb-rote Helikonien. Sie prunken nicht nur in Gärten, sondern sogar am Wegesrand. Auf den Märkten der wichtigsten Inseln stapeln sich trotz vieler Ernteschäden inzwischen wieder Kokosnüsse, Kochbananen und Papayas. „Jeder hilft jedem. Es herrscht eine große Solidarität. Urlauber und Kreuzfahrttouristen sind schon lang wieder da“, sagt Tourismusdirektor George Borugu.

Kawa vereint Arm und Reich quer durch die Südsee

Viele Kinder haben nur zwei, drei Hemden oder Blusen, aber immer etwas Gesundes zu naschen. Vielerorts stehen auf dem Schulweg Bananenstauden, Mango- und Papayabäume mit reifen Früchten.

Die Berlinerin Martina Schwartze, Hotelunternehmerin und Frau des Deutschen Honorarkonsuls, lobt auch die Touristen aus aller Welt. „Viele haben beim Aufräumen und Aufbau geholfen, andere haben Bedürftige finanziell unterstützt.“ Alle drei Hotels des Familienunternehmens, darunter das Tropicana Lagoon Resort, waren schon wenige Monate nach dem Zyklon repariert und modernisiert. „Wir sind wieder gut belegt, und nicht nur wir“, sagt die Deutsche, deren Mann auch aus Berlin stammt. Kennengelernt hatte sich das Paar beim großen Nachbarn ihrer neuen Heimat, in Australien.

In Port Vila kann der neugierige Reisende schnell Zeuge vieler interessanter Straßenszenen werden. Ein attraktiver Bankmanager, eine gut gekleidete Studentin und ein Straßenarbeiter nippen am späten Nachmittag an einer Bretterbude am Rande der Stadt an halben Kokosnussschalen. Die sind mit dem traditionellen Getränk Kawa gefüllt.

Das Wurzelgetränk einer Pfefferpflanze ist alkoholfrei, wirkt angeblich stärkend und beruhigend. Als gesichert gilt: Es vereint Arm und Reich quer durch die Südsee. Kawa ist bitter und hat etwa die Farbe einer Schlammpfütze. Wird ein Ausländer gefragt, ob es schmeckt, lächelt er meist – wie der Reporter – höflich und tapfer.

Doch viele Südsee-Insulaner sind regelrecht süchtig nach dem Getränk, fahren von der Arbeit nie nach Hause ohne Kawa-Päuschen. Ein geselliges Ritual. Die Geschwindigkeit in dieser Weltgegend wirkt entschleunigend auf das Gemüt gestresster Mitteleuropäer – ganz ohne Wellnessanwendungen.

Tanna ist wohl die aufregendste Insel, hier grollt ein aktiver Vulkan

Espiritu Santo, eins von 83 Eilanden Vanuatus. Bewohnt sind nur 67. Die Menschen dort leben nach ihren eigenen Regeln und haben vor allem eins: viel Zeit.
Espiritu Santo, eins von 83 Eilanden Vanuatus. Bewohnt sind nur 67. Die Menschen dort leben nach ihren eigenen Regeln und haben vor allem eins: viel Zeit.

© imago/Bluegreen Pictures

Dabei ist Vanuatu als Reiseland sicher nicht billig. Vieles muss hierher geflogen und verschifft werden, vorwiegend aus Australien. Die Dörfler leben von der Landwirtschaft, tauschen nicht selten ein Schwein gegen Hühner, Gemüse gegen Obst. Sie verfügen kaum über Bargeld.

Touristen werden auf privaten Festen großzügig bewirtet und sind sehr willkommen, kleine und größere Geschenke natürlich auch. Es versteht sich von selbst, zu einer Hochzeit etwas Rum und Rotwein mitzubringen. Die Flasche Wein kostet im Kramladen 1000 Vatu, etwa acht Euro. Dafür gibt es zum Beispiel acht große Kawa zur Happy Hour im Café „Nambawan“, am Imbissstand zwei lokale Mahlzeiten oder im Touristenrestaurant eine halbe Pizza.

Das Land mit seinen 270.000 Bewohnern ist seit 1980 unabhängig. Inselhüpfen im Propellerflugzeug ist extrem teuer, die Reise mit Fähre und Frachter kann viele Tage dauern – denn die Entfernungen sind gewaltig.

Zusammen sind die 83 verstreuten Inseln zwar kleiner als Schleswig-Holstein. Dennoch hat Vanuatu eine Ausdehnung von 1300 Kilometern im Südpazifik. Espiritu Santo im Norden ist das größte Eiland und besitzt einsame, weiße Sandstrände, begehbare Höhlen und attraktive Tauchgründe. Am besten, man entscheidet sich schon vor der Reise , welche Eilande – zwei oder drei – man besuchen möchte.

Mutig stürzen sich die Lianenspringer in die Tiefe

Tanna ist wohl die aufregendste Insel. Hier dröhnt ein ständiges Grollen, ein Funkenregen geht herab, der an ein Feuerwerk erinnert. Der Vulkan Yasur soll seit über 800 Jahren aktiv sein. Das rote Glühen hat seinerzeit auch James Cook fasziniert. Die Insulaner verwehrten ihm laut Chronisten jedoch den Aufstieg. Denn viele Bewohner glaubten, dass dort die Seelen der Toten ihre Heimat haben. Heute dürfen Touristen nahe an den Kraterrand, müssen sich aber unter der Obhut sachkundiger Führung zu manchen Zeiten vor Lavageschossen in Acht nehmen.

Die Wanderung zum Krater dauert nur eine Viertelstunde, während das Donnern immer lauter wird, wie bei einem nicht enden wollenden Gewitter. Besonders in der Dunkelheit ist die Wanderung sehr aufregend: Aus dem Schlund der beiden Krater werden immer mal wieder Lavabrocken hochgeschleudert, Schwefeldämpfe steigen auf. Meist hat man Glück, und der Wind weht so günstig, dass den Besuchern keine Gefahr droht.

Besonders mutig sind etliche Männer des Sa-Volkes auf der Insel Pentecost. Erst klettern sie auf einen Sprungturm. Das ist ein Gerüst aus mit Fasern und Riemen zusammengebundenen Holzstangen nahe eines kräftigen Baumstammes. Über 25 Meter kann das Bauwerk, das arg wackelig wirkt, hoch sein. Was jetzt folgt, ist Bungee-Jumping der einfachen Art: Von oben stürzen sich die Waghalsigen in die Tiefe. Zwei Lianen, die einen Enden am Holz der Plattform befestigt, die anderen um die Fußknöchel der Springer gewickelt, sollen die nötige Sicherheit geben.

Natürlich ist die Länge so berechnet, dass niemand auf der Erde aufschlägt. Manche der Zuschauer haben trotzdem mehr Herzklopfen als die erfahrenen Lianen-Springer.

Die Insulaner zählen zu den glücklichsten Menschen der Erde

Deutsche haben übrigens auf Vanuatu ein Heimspiel. Sie gelten als tüchtig und effizient. Der Sieg bei der Fußball-WM in Brasilien wurde in Port Vila sogar mit einem Autokorso gefeiert, Schweinsteiger und Löw haben ihren eigenen Fanclub, der sich über Kontakte nach Deutschland freut. Noch heute spazieren ein paar Insulaner stolz im Trikot der deutschen Nationalmannschaft umher.

Auch Biertrinker kommen auf ihre Kosten – den wohl beliebtesten Gerstensaft vom Fass braut Henry Peeters aus Köln im „Brewery Bar & Grill“ in Port Vila.

Obwohl sich die Insulaner auf Vanuatu generell wegen möglicher Wirbelstürme sorgen, zählen sie laut des „Happy Planet Index“ 2006 zu den glücklichsten Menschen der Erde. Warum, wenn sie doch kaum Geld haben? Tarisaliu Mansale, der alte Mann, der den Reporter zu Tisch gebeten hat, erklärt es so: „Glücklich? Doch, die meisten hier sind es, wir halten zusammen und feiern viel.“ Und die Armut? „Wir haben Schweine, Hühner, Fisch, viel Gemüse und Früchte. Reichtum hat nicht unbedingt mit Geld zu tun, sondern mit dem Herzen.“

Tipps für Vanuatu

ALLGEMEINES
Der Inselstaat Vanuatu erstreckt sich über 1300 Kilometer im Südpazifik unterhalb des Äquators. Er besteht aus 83 Inseln, 67 davon sind bewohnt. Direkte Nachbarn sind Neukaledonien und Fidschi, die nächsten Großflughäfen sind Sydney und Auckland.

EINREISE
Deutsche benötigen einen mindestens noch sechs Monate gültigen Reisepass. Nur wer länger als einen Monat bleiben will, braucht ein Visum.

ANREISE
Preisbeispiele: Der Nonstop-Flug von Sydney nach Port Vila dauert dreieinhalb Stunden und kostet ab 259 Euro. Von Frankfurt am Main bis Port Vila ist man mit zwei Stopps mindestens 32 Stunden unterwegs. Ticketpreise ab 1300 Euro.

VERANSTALTER
Pacific Travel House organisiert unter anderem Reisen nach Australien, Neuseeland und auch nach Vanuatu. Eine zwanzigtägige Tour ab/bis Deutschland mit vier Inseln kostet 4460 Euro pro Person im Doppelzimmer. (Schwanthalerstraße 100, München, Telefon: 089/543 21 80)

HONORARKONSULAT
Honorarkonsul Jörg Schwartze, c/o Ocean View Apartment House, Port Vila,

ÜBERBLICK
Die offizielle Tourismusseite im Internet gibt Informationen auch auf Deutsch.

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