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Einmal im Leben nach Indien – doch von Reisen in ferne Länder nehmen vor allem viele ältere Menschen aus gesundheitlichen Erwägungen heraus Abstand.

© Mediplus

Reisen mit Arzt: Wenn der Kreislauf verrückt spielt

Je exotischer, desto besser: Immer mehr Veranstalter nehmen ärztlich begleitete Reisen ins Programm.

Einmal das Taj Mahal erleben oder auf der Chinesischen Mauer spazieren? Diesen Wunsch haben viele. Doch oft gibt es auch Ängste vor so einer großen Reise: Was tun, wenn ich das ungewohnte Essen nicht vertrage? Was geschieht, wenn mein Kreislauf wegen der Zeitverschiebung verrücktspielt? Immer mehr Reiseveranstalter bieten deshalb ärztlich begleitete Reisen an, hat Sibylle Zeuch vom Deutschen Reiseverband (DRV) beobachtet. Gleichzeitig steige die Nachfrage.

Vorreiter war Mediplus. „2002 hatten wir eine Anfrage einer Gruppe Rentner, die Bedenken wegen einer Fernreise hatte“, erinnert sich Geschäftsführer Ralf Baumbach. Der Veranstalter organisierte einen Arzt, der die Gruppe begleitete. Die Anfragen häuften sich, das Angebot an Reisen wuchs. Erst etliche Jahre später zog der nächste Veranstalter nach. Seit zwei Jahren ist die Tui-Tochter Gebeco in dem Segment vertreten: „Insofern sind wir da ein Neuling“, sagt Vertriebs- und Marketingchef Jens Hulvershorn. Im vierstelligen Bereich lägen die Teilnehmerzahlen – „die Nachfrage steigt, aber es ist nach wie vor eine Nische bei uns“. Vom kommenden Jahr an gibt es mit Dertour einen weiteren Konkurrenten.

Das Prinzip, das hinter den Reisen steckt, ist meist sehr ähnlich. Ein Arzt begleitet die Gruppe vom Abflug bis zur Rückkehr. Er gibt bei medizinischen Fragen Auskunft, hat bei kleineren Erkrankungen oder Blessuren ein Medikament in seinem Koffer und kann bei schwereren Erkrankungen oder Unfällen den Patienten ins Krankenhaus begleiten. Während der Reise ist er rund um die Uhr ansprechbar.

Bis auf die Anwesenheit des Arztes sind es jedoch ganz normale Rund- oder Studienreisen. „Wir machen kein Altersheim auf Reisen“, sagt Hulvershorn. „Die Tage starten nicht mit kollektivem Blutdruckmessen“, sagt Baumbach mit einem Lachen. Lediglich bei der Reiseplanung gebe es bei Mediplus leichte Anpassungen: So werde darauf geachtet, dass nur Direktflüge genutzt werden und dass die Aufenthaltsdauer an einem Ort etwas länger ist als normal. Und dennoch: „Die Teilnehmer werden nicht mit dem Krankenwagen durch die Gegend gefahren“, betont auch Dertour-Manager Rudolf Stäuble. Sprich: Bei den Kunden handelt es sich um ganz normale Urlauber, die sich einfach wohler fühlen, wenn ein Arzt dabei ist. Die Zielgruppe ist dementsprechend meist etwas älter. „Gebildet, wohlhabender, über Mitte 40“, fasst Hulvershorn die Klientel zusammen.

Bei Mediplus hat Baumbach einen „absoluten Altersmix“ beobachtet: „Wir haben durchaus auch 30- und 40-Jährige dabei, aber auch den 80-Jährigen.“ Dertour-Manager Stäuble hat neben rüstigen Älteren auch chronisch Kranke als Zielgruppe ausgemacht.

„In Usbekistan ist ein Arzt wichtiger als in Spanien“

Die Reiseziele der Veranstalter unterscheiden sich deutlich. Dertour steigt zunächst einmal mit fünf Destinationen in Europa ein. Das sind Andalusien, das Baltikum, Island, die Kanalinseln und Madeira. Die Rundreisen stehen ohnehin auch als „normale“ Reisen im Programm, an jeweils zwei bis drei Terminen gibt es 2014 laut Stäuble jedoch eine ärztliche Begleitung.

Mediplus hat gänzlich andere Erfahrungen gemacht: „Wir haben es in Europa versucht, da wollte aber niemand mit“, erklärt Baumbach. „Je exotischer, desto besser gebucht.“ In touristisch erschlossenen Ländern brauche kaum jemand eine ärztliche Begleitung. Dort sei im Zweifel das nächste Krankenhaus mit deutschem Standard in der Nähe.

Am besten gebucht sind bei Mediplus derzeit Indien und Vietnam. Eine dreistellige Anzahl an Reisen haben die Bonner im Programm. Auch bei Gebeco liegt der Schwerpunkt der derzeit 22 Reisen auf Zielen außerhalb Europas. „In Usbekistan ist ein Arzt wichtiger als in Spanien“, sagt Hulvershorn. „Vieles spielt sich bei uns in Asien und Amerika ab.“ Die Ärzte, die die Gruppen begleiten, haben meist eine besondere Zusatzausbildung. Mediplus hat rund 700 Mediziner in seiner Datenbank.

„Das sind auf jeden Fall keine Dermatologen oder Zahnärzte“, so Baumbach, „alle haben eine spezielle reise- oder tropenmedizinische Ausbildung.“ Für die Zeit der Reisen schließen sie ihre Praxen, bekommen jedoch kein Honorar von den Reiseveranstaltern, sondern meist nur die Reisekosten bezahlt. Die einzelnen Ärzte machen es meist nur wenige Male im Jahr – quasi in ihrem Urlaub.

Apropos Kosten: Natürlich sind die ärztlich begleiteten Reisen etwas teurer als normale Rundreisen. Die Reisekosten des Arztes müssen auf die Teilnehmer umgelegt werden, mitgeführte Medikamente schlagen zu Buche. „Pro Reisetag beträgt die Differenz bei uns zwischen 10 und 20 Euro zu einer normalen Reise“, erklärt Baumbach. Dertour-Manager Stäuble spricht von 50 bis 100 Euro Aufpreis für die ganze Reise. Für Beratung oder Behandlung während der Reise fallen dann aber keine Kosten mehr an.

Vor der Reise gibt es bei den Veranstaltern meist ein Gespräch zwischen Arzt und Teilnehmer. Dertour verschickt an die Kunden einen Fragebogen, damit sich der Arzt gut vorbereiten kann. „Unter Umständen kann der Arzt dann auch empfehlen, die Reise nicht anzutreten“, so Stäuble. In diesem Fall kann der Kunde kostenlos stornieren. Bei Mediplus ist ein Gespräch im Vorfeld obligatorisch.

Bei den meisten Veranstaltern ist der große medizinische Notfall auf Reisen die absolute Ausnahme. „Wir hatten bisher noch keine ernsthaften Fälle“, so Hulvershorn, „mal eine Prellung, mal ein Sonnenstich, Magen-Darm-Beschwerden.“ Bei Mediplus stehen an erster Stelle Kreislaufbeschwerden. Und: „In vielen Fällen ist der Arzt einfach auch als Seelsorger gefragt“, hat Baumbach beobachtet.

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