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Größtenteils regnerisch: Das richtige Wetter um sich mit einem guten Buch ins Innere zurück zuziehen.

© Reinhart Bünger

Reisetagebuch Tag 11: Schwein gehabt - trotz Regen!

„Jeder Höhepunkt macht die Reise kürzer.“ Passagier Norbert hat es mit trockenem norddeutschem Humor und ein wenig Melancholie auf den Punkt gebracht: Die Hälfte unserer Transatlantiküberquerung ist um und der gestrige Reisetag mit seiner Neptuntaufe und seinem Piratenabend wird kaum zu toppen sein. Fahren wir jetzt noch schneller unserem Ziel entgegen?

Noch einen Tag später war das arme Schwein, das gestern Abend vor aller Augen nach einer schweren See zu Boden ging, Bordgespräch. Wie gerne hätten wir es gegessen, wie es dort lag! Es war ja nicht einmal aufgeschnitten. Und nach dem K.O.-Schlag konnte keiner bis Zehn zählen, so schnell schien das Schwein wieder auf den Beinen zu sein. Doch der Küchenchef entschied: Die Sau soll über Bord, ganz kleingeschnitten natürlich. Flambierte Ferkel, die ungeplant die Planken küssen, sind „fachgerecht zu entsorgen“, so steht es im Handbuch für Küchenchefs zur See. Doch es kam anders, wie Tagesspiegel-Recherchen ergaben. Das Ferkel wurde nicht den Fluten übergeben - wie wir annehmen mussten und vorschnell berichteten: Es tauchte an anderer Stelle wieder auf.

Was macht man als Passagier an einem Regentag nach einem Abend, der mit hartem 60er Jahre Rock'n Roll auf dem Achterdeck und einem schlingernden „Like a Rolling Stone“ (Bob Dylan) beim wirklich allerletzten Absacker endete?

Wenig los an Bord

Kurz gesagt: Man tritt den Rückzug an. Und das galt heute für alle an Bord. Da sind die „Deckhands“, die das Regenwetter nutzten, um die Treppen an Deck im Rückwärtsgang zu schrubben. Da sind die „Rigger“, die erst Segel hochziehen, um sie dann ein paar Stunden später mitten im warmen Sturzregen wieder einzuholen (Flaute!). Und da sind die Passagiere, die sich mit einem guten Buch ins innere Gehäuse zurückziehen. „Man muss sich anfreunden mit diesem ,Nichts'“, sagt Marlies, die die Transatlantiküberquerung mit ihrem Mann Helmuth bei der letztjährigen Tagesspiegel-Weihnachtsauktion ersteigert hatte: „Es hat etwas von Retreat – ich bin die vergangenen zwei Monate wie auf Hochtouren gelaufen", sagt sie. „Und nun ist es wie im ,Zauberberg' – auf diesem ,Zauberschiff.'“

Regentage an Bord bedeuten für die Mannschaft kaum weniger Arbeit. Die Passagier hingegen habe viel freie Zeit zum Entspannen.
Regentage an Bord bedeuten für die Mannschaft kaum weniger Arbeit. Die Passagier hingegen habe viel freie Zeit zum Entspannen.

© Reinhart Bünger

Einige wenige Passagiere an Bord können dieser kontemplativen Art des Reisens nichts abgewinnen: Sie wären gerne auf einem Schiff „wo mehr los ist“ und hätten ihre Buchung am liebsten zurückgezogen. Dabei fehlt es ja gar nicht an interessanten Vorträgen (Segelass Tim Kröger!). Aber eine Musical-Bühne für 1000 Passagiere – die gibt es eben nicht an Bord der „Sea Cloud II“. Gott-sei-Dank.

Herz für Tiere setzt sich durch

Und da ist schließlich die arme Hotelmannschaft, die zurückrudern muss: Wir Passagiere müssen heute Abend leider drinnen bleiben. Hotel-Manager Michael Frauendorfer hat Nerven wie Stahltrossen und die richtige Entscheidung getroffen: Der angekündigte „Weiße Abend mit Safari Dinner“ findet im Restaurant und nicht am Großmast auf dem Lido-Deck statt.

Das pure "Sein": Abendhimmel auf See.
Das pure "Sein": Abendhimmel auf See.

© Reinhart Bünger

Wie gut es doch die Vögel haben, die – wohl während ihres Rückfluges - vor einigen Tagen völlig entkräftet an Deck aufgefunden wurden! Zwar gibt es Stimmen, die sie am liebsten über Bord sehen würden, doch das Herz für Tiere hat sich in der Crew durchgesetzt. Zwei Vögel hat die Mannschaft auf dem Vordeck unter ihre Fittiche genommen, zwei kommen in den Genuss der geballten Wellness-Kräfte unserer Spa-Fachfrau Ursula („Urs“).

Das pure "Sein"

Die gestrandeten Passagiere "Niko" und "Laus" in der Obhut von Spa-Fachfrau Ursula.
Die gestrandeten Passagiere "Niko" und "Laus" in der Obhut von Spa-Fachfrau Ursula.

© Reinhart Bünger

Sie hat sich inzwischen mehrere Kartons organisiert, um aus den beiden Flügellahmen mit den Schwimmhäuten wieder echte Spaßvögel zu machen. Doch wie macht man das? Was fressen die nur und wer sind sie? Zwei Namen wurden ja leicht gefunden: „Niko“ und „Laus“, aber die Art bestimmen konnten wir noch nicht: Leider sind keine Ornithologen an Bord. Aber vielleicht gibt es Besucher des Blogs, die helfen können? Stichwort: Rettet die Vögel an Bord der „Sea Cloud II“.

Kurz nach dem Sonnenuntergang entfaltet sich am Horizont eine vielschichtige und vielfarbige Wolkenlandschaft. Sie changiert zwischen der grau-schwarzen Regenzone, aus der wir kommen, vom Hellblau bis zum Rot. Kleine „Türöffnungen“ sind zu sehen, die den Blick auf die Reste des Sonnenuntergangs freigeben. Von Rückzug keine Spur. Wir fahren in die Nacht. Irmi aus Österreich steht auf dem Vorschiff und sieht im letzten Abendrot die ersten Sterne aufziehen. „Ein dramatischer Abendhimmel“, sagt sie zu mir, „das pure Sein.“ Es ist eines der Gespräche unter Passagieren, die eine Transatlantikreise mit einer der beiden „Sea Clouds“ zu einem wahren Luxuserlebnis macht. Das Meer ist zu diesem Zeitpunkt glatt wie der Starnberger See. „Es gibt so etwas wie das ,Jetzt' im Meer der Ewigkeit.“ Darüber lohnt es sich wirklich einmal nachzudenken. Doch das machen wir erst nach dem Abendessen. Es gibt Fisch – und als Alternative: pochiertes Schweinefilet auf Blumenkohlpürree und Rieslingrisotto.

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