zum Hauptinhalt
Sommer an der Ostsee – an heißen Tagen könnte es wieder so voll werden wie hier im August 2009 in Binz auf Rügen. Foto: Stefan Sauer/dpa/tmn

© dpa-tmn

Reisetrends: Alternative Rotes Meer

Ägypten und die Türkei, gern all-inclusive, sind gefragte Ziele. Und: Urlaub in Deutschland boomt.

Ausschreitungen in Athen, bürgerkriegsähnliche Zustände in Bangkok, der Ölteppich im Golf von Mexiko und Vulkanasche über Europa mit Zehntausenden von Flugausfällen: Die Schlagzeilen der vergangenen Wochen haben die Lust aufs Verreisen nicht gerade erhöht. Doch die Deutschen lassen sich von den vielen Krisen und Katastrophen offenbar nicht die Urlaubslaune verderben: Auch in diesem Sommer werden sie eifrig die Koffer packen. Reisebüros und Reiseveranstalter verzeichnen ordentliche Umsatzzuwächse für die Sommersaison. Im Trend bleiben dabei Ziele in Deutschland sowie All-inclusive-Anlagen, bei denen die Reise-Gesamtkosten von Anfang an gut kalkulierbar sind.

„Die Lust am Urlaub ist ungebrochen“, glaubt Hans-Gustav Koch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Reiseverbandes (DRV) in Berlin. Noch verkaufen die Reisebüros und -veranstalter zwar nicht so gut wie vor Beginn der Finanzkrise im Herbst 2008. Doch das Buchungsplus von vier Prozent für die Sommermonate sei „ein bisschen mehr, als wir erwartet haben“.

Stark nachgefragt seien derzeit Ferien in Ägypten und der Türkei, zwei Länder mit vielen neuen Hotels und einem hohen Anteil an All-inclusive-Anlagen. „All-inclusive bleibt ein Renner“, sagt Koch – denn Preissicherheit sei den Deutschen mehr denn je wichtig.

Doch nicht nur am östlichen Mittelmeer und am Roten Meer werden im Sommer viele Deutsche ihre Handtücher auf Liegestühlen ausbreiten. Auch Inlandsreisen – von Sylt bis zu den Alpen – sind weiterhin sehr gefragt. Gleiches gilt laut Koch insbesondere für Hochseekreuzfahrten, deren Passagierzahlen weiter in die Höhe gehen.

Und auch viele Fernreiseziele werden in diesem Sommer mehr Urlauber aus Deutschland zählen dürfen als sonst, erwartet der Tourismusforscher Martin Lohmann aus Kiel. Zwar legten die Deutschen heute „insgesamt etwas mehr Aufmerksamkeit auf ihre wirtschaftliche Situation als vor drei, vier Jahren“. Doch es gebe „natürlich auch einige, denen es ganz hervorragend geht“ – und das seien diejenigen, die in diesem Jahr verstärkt Fernreisen unternehmen.

Auf fernen Kontinenten sollte die Reisekasse allerdings in der Tat gut gefüllt sein. Denn der Euro ist nicht mehr so viel wert wie noch im Sommer 2009. Seit dem Jahresende hat die Gemeinschaftswährung im Verhältnis zum US-Dollar rund 18 Prozent an Wert verloren, wie die Commerzbank in einer Untersuchung ermittelt hat. Besonders stark seien die Kaufkraftverluste für Deutsche in Australien und Südafrika, dem Gastgeberland der Fußball-WM (11. Juni bis 11. Juli). Auch die WM wird das Reiseverhalten beeinflussen: Viele Fans werden mit ihrem Urlaub warten, bis das Turnier vorbei ist – oder zumindest so lange nicht die Koffer packen, wie die deutsche Elf mitspielt. Auch wenn viele Urlaubsanbieter zunehmend damit werben, in ihrer Ferienanlage, auf ihrem Schiff müsse man kein Spiel verpassen.

Ob mit oder ohne WM-Effekt: Dass es eine Last-Minute-Buchungswelle geben wird, erwarten die Experten ohnehin. Allerdings bahne sich nur ein „ganz normales Last-Minute-Geschäft“ an, meint DRV-Manager Koch. Eine „Preisschlacht“ der Veranstalter werde es im Sommer nicht geben – eine Prognose, die in jedem Jahr abgegeben wird, obwohl „Last-Minute-Angebote“ immer auf den Markt geworfen werden, damit die verderbliche Ware „Reise“ doch noch an den Mann gebracht wird.

Auch Tourismusforscher Lohmann rechnet mit vielen Buchungen in letzter Minute. Zugleich lasse sich allerdings auch feststellen, dass immer weiter im Voraus gebucht wird, weil sich Einzelne besonders exklusive Reiseangebote unbedingt sichern wollen – ein Trend, den auch Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bestätigen. Danach entfielen 7,3 Prozent des Reisebüroumsatzes im April bereits auf Buchungen für die Wintersaison 2010/11. Der Anteil der frühen Winterbuchungen habe sich „fast verdoppelt“, so die Marktforscher.

Zu den Verlierern des Reisesommers 2010 könnten Ziele gehören, die traditionell zu den Lieblingen der Deutschen gehören. So lägen zum Beispiel Mallorca und die anderen Balearen sowie die Kanarischen Inseln bei den Buchungen bisher unter den Vorjahreswerten, sagt Koch – also Ziele mit verhältnismäßig geringem All-inclusive-Anteil unter den Hotels.

Auch nach Griechenland zieht es bisher weniger Veranstaltergäste als vor Jahresfrist. Dass Touristen in Sorge sein könnten, ob ihre Hotels dort in der angespannten Wirtschaftslage noch ordnungsgemäß versorgt werden, glaubt Koch jedoch nicht: „Wir erwarten einen ganz normalen Sommer für Griechenland.“ Eine Einschätzung, die bisher auch von den großen Veranstaltern geteilt wird.

Auch Tourismusforscher Lohmann warnt davor, Griechenland schon jetzt zum Verlierer des Reisejahres zu erklären. Insbesondere Last-Minute-Reisen könnten dieses Mal verstärkt nach Hellas führen – immer vorausgesetzt, dass sich die Krise im Lande nicht noch weiter verschärft.

Christian Röwekamp

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false