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Reiseziele: Lust auf Heimat und ein bisschen Exotik

Wandern und Radeln lieben die Deutschen. Aber auch Wellness – und Kreuzfahrten.

Die Urlaubsreise steht nicht zur Disposition. Sagen Wirtschaftsforscher, die die Deutschen nach ihren Reiseplänen für das kommende Jahr befragt haben. Gewisse einschränkende Trends seien jedoch unschwer zu erkennen und der augenblicklichen Großwetterlage am Konjunkturhimmel geschuldet: Eher nah statt fern, eher kürzer als lang. Auch die Zweitreise wird weniger extravagant ausfallen, der Dritturlaub ist wahrscheinlich eher selten in der Planung.

Für die Fernreisen erwarten Forscher und Veranstalter gleichermaßen einen Dämpfer im kommenden Jahr. Mit Ausnahmen. „Es gibt Länder, die sind aufgrund der Währungsparität so günstig, dass der Kunde noch zugreifen wird, wenn er ohnehin das Ziel in Erwägung gezogen hat“, sagt Michael Frese, Geschäftsführer von Dertour, Meier’s Weltreisen und ADAC Reisen. Nordamerika reisen beispielsweise seien 2009 deshalb vergleichsweise günstig, weil viele Veranstalter in diesem Jahr sehr preiswert Dollars eingekauft haben und den erzielten Vorteil an den Kunden weitergeben können. Auch Südafrika sei wegen des schwachen Rand für Besucher aus Euro- Ländern relativ günstig.

Weiteren Aufschwung wird im kommenden Jahr die „erdgebundene Reise“gewinnen. Die Anreise per Bahn, Bus oder eigenem Auto nimmt in Zeiten knapperer Kassen traditionell zu. Doch auch darauf haben sich die Veranstalter eingestellt. Der Ferienhausspezialist Novasol beispielsweise stockt 2009 sein Angebot an Ferienhäusern und -wohnungen in Kroatien auf 4000 Domizile auf. Bereits in diesem Jahr hatte der Anbieter den Angaben zufolge doppelt so viele Buchungen wie 2007. Auch Tui sieht in Kroatien ein Trendziel für den Sommer.

Die „rezessive Stimmung“ führe dazu, dass kurzfristiger geplant werde. „Ich erwarte, dass sich die Hauptbuchungsphase von Januar näher hin zum Reisetermin verschiebt“, sagt der Leiter des Europäischen Tourismus-Instituts (ETI) in Trier, Heinz-Dieter Quack. Große Reiseveranstalter seien daher zurückhaltend mit der Kalkulation von Kontingenten. Derzeit ist die Buchungslage für den Sommer 2009 unter Plan. Eine Rabattschlacht kurz vor Beginn der Hauptreisezeit wird deshalb von Experten nicht völlig ausgeschlossen. Manche gehen sogar davon aus, dass einige („gar nicht kleine“) Veranstalter das Jahr 2009 nicht überleben.

Erholung möglichst heimatnah deutet auch auf den Trend zu Urlaubsformen, die bereits in den zurückliegenden Jahren einen Aufschwung erlebten: Wandern, Radtouren, Wellness. Wobei sich für den Gesundheitsurlaub abzeichnet, dass bei Wellness immer weniger (teurer) Schnickschnack wie Lomi Lomi, Bernsteinmassagen oder Schokoladenpackungen bevorzugt, sondern vielmehr gezielte medizinische Behandlungen vorbeugend genutzt werden. Die gute alte „Kur“ lässt grüßen.

Völlig unbeeindruckt von allen Krisenszenarien auf dem Reisemarkt zeigt sich bisher die Kreuzfahrt. Da weniger die Familie als die „Best Ager“, also Menschen jenseits der 50 oder bereits im Rentenalter, von dieser Art des Urlaubs angezogen werden. Wer am Ende seines Berufslebens steht und über ein gesichertes Einkommen verfügt beziehungsweise schon von einer sicheren Altersversorgung lebt, muss weniger aufs Geld schauen – und reist, solange es seine Gesundheit zulässt. Die Kreuzfahrt gilt dabei weiterhin als die angenehmste Art, möglichst viel von der Welt zu sehen, komfortabel und – nicht zuletzt – relativ sicher.

Und wohin reist nun „der Deutsche“ im kommenden Jahr? Verlässliche Umfragen liegen nicht vor beziehungsweise sind noch nicht veröffentlicht. Veranstalter befragen ihre Kunden, Fremdenverkehrsämter die Gäste, Internetportale ihre Nutzer. Dabei erscheint das ein oder andere Ergebnis fern der Realität, weil doch irgendwie interessengelenkt. Bleibt wohl nur die Glaskugel. Oder man tauscht sich mit verschiedenen Reiseveranstaltern aus, die im Sommer für das kommende Jahr eingekauft haben, also die Preise kennen und somit abschätzen können, wo es die Masse der preissensiblen Kunden hinzieht.

Darüber, dass Deutschland wie in den vergangenen Jahren erneut Reiseziel Nummer eins bei den Deutschen sein wird, gibt es keine Diskussion. Spanien wird vom zweiten Platz kaum zu verdrängen sein, vor allem wegen des Zugpferds Mallorca. Um den dritten Platz werden sich wie immer die Autoreiseziele Italien und Österreich rangeln. Die Türkei als Flugziel am Mittelmeer soll angeblich wieder mehr an Attraktivität für die Deutschen gewinnen, weil die Russen, die in den vergangenen Jahren die Hotelpreise in die Höhe getrieben haben, nicht mehr in hellen Scharen einfliegen. Frankreich hat seine eingeschworenen Fans, deren Zahl eigentlich stets gleich bleibt.

Die Sehnsucht nach Sonne und einem Hauch Exotik werden viele in Nordafrika stillen wollen, vornehmlich wegen günstiger Preise. Für die Schweiz gilt trotz des von vielen beklagten hohen Preisniveaus das Gleiche wie für Frankreich: Das Alpenland hat eine treue Reisekundschaft, vor allem im süddeutschen Raum. In die skandinavischen Länder hat es die Deutschen in den vergangenen Jahren verstärkt gezogen, trotz oft saftiger Preise. Als Hauptmotiv wird neben dem „Naturerlebnis“ immer wieder der Aspekt „Sicherheit“ genannt.

Als „Aufsteiger der kommenden Sommersaison“ wird Kroatien gehandelt. Ein Autoreiseziel, das durch eine verbesserte Hotelinfrastruktur und ein angemessenes Preis-Leistungsverhältnis für viele attraktiv erscheinen wird.

Wir haben die „Tagesspiegel Top Ten“ der deutschen Urlauber für das kommende Jahr aufgestellt (Grafik), gestützt auf Erfahrungen der Vergangenheit und zahlreichen Gesprächen mit Entscheidungsträgern der Tourismuswirtschaft.

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