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Rhein: Frühstück vor der Loreley

Die einen bieten viel Landschaft, die anderen spannende Städte. Es gibt Flüsse für jeden Geschmack. Man muss nur den richtigen finden.

Die Entscheidung ist gefallen: „In diesem Jahr machen wir mal eine Flusskreuzfahrt!“ Doch wohin soll die Reise gehen? Von Rhein und Donau über Rhône und Douro bis zu Jangtsekiang und Nil reicht die Auswahl in den Katalogen der Reedereien. „Wie komme ich zum Ausgangshafen?“ und „Wie sehen die Landausflüge aus?“ sind dann nur zwei von vielen Fragen, die sich jeder Urlauber stellen sollte, bevor er eine Kabine an Bord eines Flussschiffes bucht.

Ein wichtiger Punkt ist die Anreise. Viele Ältere schätzen zum Beispiel einen möglichst kurzen Weg zum Ausgangshafen – und entscheiden sich eher für eine Rhein- als für eine Jangtse-Tour. Auch wer auf dem Nil in Ägypten oder auf Wolga und Don in Russland kreuzen möchte, muss in Deutschland erst mal in ein Flugzeug steigen. Deshalb ist auf diesen Schiffen tendenziell ein jüngeres Publikum anzutreffen als in heimatnahen Gewässern, sagt Ekkehard Beller, Geschäftsführer von Nicko Tours in Stuttgart. Auch bei Frankreich-Flussreisen führt der erste Reiseabschnitt häufig durch die Luft – zum Beispiel nach Paris, wenn es auf die Seine geht, oder bei Rhône-Reisen nach Lyon.

Beim Studieren der Reiseverläufe sollte auch beachtet werden, wie sich die Zeit auf das Bord- und das Landprogramm verteilt: Es gibt Touren, bei denen die Schiffe vor allem nachts von A nach B fahren und zwischen Frühstück und Abendessen fast immer an einem Anleger festgemacht sind. Dann steht im Vordergrund, viele Stunden in spannenden Städten zu verbringen. Bei anderen Flussreisen werden auch tagsüber viele Kilometer auf dem Wasser zurückgelegt – weil die Strecken so lang sind oder es den Gästen nicht zuletzt darum geht, Naturlandschaften an sich vorbeigleiten zu sehen.

Als „Städtereise ohne Hotelwechsel“ bezeichnet Ekkehard Beller die typische Flusskreuzfahrt auf europäischen Wasserstraßen. Auf dem nördlichen Rhein und seinen Nebenflüssen in Deutschland, Belgien und den Niederlanden zum Beispiel gebe es meist „an jedem Tag zwei Besichtigungen und nicht ganz so viel Flussfahrt“. Das muss man wissen – und viele Gäste wollen es auch gar nicht anders erleben. Wer dagegen vor allem das Fahren durch die Natur schätzt, sei zum Beispiel auf der Wolga besser dran, wo die täglichen Strecken länger sind. Auch die Donau biete zum Teil solche längeren Etappen.

Letztlich entscheide weniger die Schiffsausstattung als das Fahrtgebiet über die Buchung einer Flussreise, ist die Beobachtung des Kreuzfahrtexperten Helge H. Grammerstorf aus Hamburg. Anders als bei Hochseereisen, wo mit Kletterwänden oder Eislaufbahnen oft viele Alternativen zum Landausflug geboten werden, seien die Möglichkeiten auf Flussschiffen begrenzt. Im Wesentlichen gebe es nur zwei Klassen: die 110 Meter und die 135 Meter langen Schiffe. „Sie sind eigentlich alle 11,40 Meter breit und 6,50 Meter hoch“, sagt Grammerstorf.

Umso wichtiger ist für viele Anbieter, was sie jenseits der Reling präsentieren können. „Aktivprogramme wie geführte Fahrradtouren sind sehr beliebt“, sagt Lara Vitzthum von A-Rosa Flussschiff in Rostock. „Man muss an jedem Tag einen Höhepunkt gestalten, und das versuchen wir an Land“, erklärt Guido Laukamp, Geschäftsführer von Viking Flusskreuzfahrten in Köln, der nicht zuletzt von den Möglichkeiten überzeugt ist, die der Rhein in dieser Hinsicht seinen Gästen bietet.

Und so beurteilen die Flussschiff-Experten einzelne Flüsse:    

DONAU: Sie ist weiter ein gutes Revier für Flussreisen-Neulinge, findet Helge H. Grammerstorf: Die Donau verbinde eine eher kurze Anreise mit dem Stadterlebnis zum Beispiel in Wien und Budapest. Rechts und links des Wassers befinden sich zudem interessante, abwechslungsreiche Landschaften. Für Naturliebhaber kommen zugleich lange Fahrten ins Donaudelta infrage. Wer nicht jeden Tag von Bord gehen will, kann sich zum Beispiel auch für das fast 48 Stunden dauernde „Kreuzen in den Katarakten“ zwischen Budapest und Belgrad entscheiden, erläutert Lara Vitzthum: „Die Leute wollen da die Landschaft sehen, aber auch mal zwei Tage Entschleunigung erleben.“

RHEIN: Sein Image würden einige Flussreisen-Manager lieber heute als morgen ändern. „Altvater Rhein“ habe mit den Angeboten von heute nicht viel zu tun, findet Guido Laukamp. Denn neben der Romantik und der Loreley gebe es in Städten wie Amsterdam und Köln auch „viel Lebensart und -kultur zu entdecken“. Auch A-Rosa geht es laut Sprecherin Lara Vitzthum darum, „den Fluss ohne ,Wein, Weib und Gesang‘ zu zeigen“.

ELBE: Für Ekkehard Beller liegt bei ihr und ihren Nebenflüssen wie Havel und Moldau der besondere Reiz darin, „dass die Elbe nicht reguliert ist“. Besonders intensive Naturerlebnisse seien dadurch möglich – auch wenn es die Kapitäne potenziell vor Probleme stellt, weil die Gefahr von Hoch- oder Niedrigwasser größer ist als anderswo.

RHÔNE & SEINE: Hier ist den Gästen die Destination oft besonders wichtig. Viele „wollen primär nach Frankreich und überlegen sich erst nach dieser Entscheidung, dass sie lieber mit dem Schiff als mit dem Bus fahren wollen“, ist Bellers Beobachtung. Bei den französischen Flüssen sei das touristische Potenzial noch nicht ausgeschöpft, schätzt Helge H. Grammerstorf. Hier sei in den kommenden Jahren mit steigendem Interesse von deutschen Urlaubern zu rechnen. Auch Spaniens Flüsse sowie die Oder und die Weichsel in Polen könnten in dieser Hinsicht interessanter werden.

Dass nicht jeder große Fluss als Kreuzfahrtziel taugt, zeige aber das Beispiel des Po in Italien: Der sei von den Wasserständen her zu unzuverlässig gewesen, so dass sich viele Reedereien wieder zurückgezogen haben, sagt Grammerstorf. Aus Guido Laukamps Sicht gab es dafür aber noch einen anderen Grund. Die Region habe nur einen echten Höhepunkt an Land aufzubieten: Venedig mit der Lagune. Und das sei für Flusskreuzfahrten zu wenig.

Christian Röwekamp

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