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© dpa

Rügen: Niemand hat die Absicht, eine Brücke zu errichten

Rügens letzte Ruderfähre ist nicht nur für Radfahrer eine Attraktion.

Kay-Uwe Strandmann ist blond, braungebrannt und hat einen Bizeps wie Arnold Schwarzenegger in seinen besten Tagen. „Andere stemmen im Fitnesscenter Gewichte, ich stemme stattdessen Fahrräder“, sagt der 34-Jährige und wuchtet mit geübtem Griff ein Mountainbike vom Steg in seinen breiten Holzkahn. Strandmann ist der letzte Fährmann, der auf der Insel Rügen eine Ruderfähre betreibt. 50 Cent kostet die Überfahrt pro Nase, ein Rad wird mit einem Euro berechnet, ein Kinderwagen ebenfalls. Für diesen Obolus rudert Kay-Uwe vor allem Touristen über die knapp 50 Meter breite Baaber Bek bei Moritzdorf.

Die Überfahrt dauert keine drei Minuten, dann sind die rund zwei Dutzend Ruderschläge vollbracht. Immerhin ersparen sich die Radfahrer auf diese Weise einen Umweg von acht Kilometern. Sie müssten sonst um den Selliner See herum radeln, um von Moritzdorf in die Ortschaft Bollwerk oder ins Ostseebad Göhren zu gelangen.

Kay-Uwe Strandmann zieht das Tau vom Eichenpfahl, legt mit einem kleinen Stoß ab, schon gleitet das dunkle Holzboot in das ruhige Wasser der Baaber Bek. Der Fährmann beugt sich leicht vor und zieht die Riemen durch, im Nu sind zwei, drei Meter geschafft. Moritzdorf bleibt zurück.

Das Örtchen ist eine Oase der Ruhe: Ein paar reetgedeckte Häuser gibt es, zwei hübsche Ausflugslokale, die Fischgerichte und deftige Hausmannskost anbieten. Die Having, eine großartige Bucht, die zum Biosphären-Reservat Südost-Rügen gehört, umrahmt das alles. Diese Ecke Rügens ist besonders bei Seglern, Anglern und Radfahrern beliebt. Lohnende Radtouren führen beispielsweise von Seedorf über eine alte Holzbrücke Richtung Moritzdorf und dann über die Baaber Bek weiter bis auf die Halbinsel Mönchgut im äußersten Südosten Rügens. Von der Gaststätte Moritzburg aus eröffnet sich übrigens ein herrlicher Blick über die Zickerschen Berge.

Kay-Uwe Strandmann macht den Ruder-Job in dem kleinen Familienbetrieb seit der Wende, zuerst mit seinem Vater, inzwischen allein. Allerdings nicht ganz allein, denn Bootshund Jason, ein Jack Russell, ist meist mit von der Partie und schlummert in der Regel unter der Ruderbank. Kaum legt das Boot am anderen Ufer an, springt der Bootshund jedoch als erster an Land. Jeden Tag von 9 bis 19 Uhr greift Kay-Uwe bei Bedarf in die Riemen – bei fast jedem Wetter. In den Sommermonaten zur Hauptreisezeit rudert er bis zu 100 Mal täglich über die Baaber Bek, einen Wasserarm zwischen Selliner See und Bodden. „Dann weiß ich abends, was ich getan habe“, sagt er.

Ab Windstärke acht und bei Gewitter wird der Fährbetrieb allerdings eingestellt. Für alle Fälle liegt neben dem Ruderkahn ein fast baugleiches Holzboot am Steg, ausgestattet mit modernem Viertakt-Außenbordmotor. Dieses Boot wird bei kräftigem Wind eingesetzt oder falls sich Kay-Uwe einmal vertreten lassen muss. Die Ruderfähre verkehrt normalerweise das ganz Jahr über, abgesehen von Januar und Februar. „Dann ist es hier ziemlich ungemütlich, oft fegt ein eisiger Wind über das Wasser“, erzählt der Fährmann.

Der Job hat Tradition: Bereits seit 1891 gibt es an dieser Stelle eine „Ruderfähre gegen festes Entgelt“. Zu DDR-Zeiten kamen Pläne für eine Brücke auf. Doch das Vorhaben geriet wieder in Vergessenheit, und heute will hier niemand mehr eine Brücke haben. Schließlich ist auf Kay-Uwe Strandmann Verlass. Auch in der Nebensaison kommt der Fährmann bei Bedarf zum Steg. Dann müssen die Passagiere einfach an der Glocke bimmeln. Georg Alexander

Auskunft: Tourismuszentrale Rügen, Bahnhofstraße 15, 18528 Bergen; Telefon: 038 38 / 80 77 80, Internet: www.ruegen.de

Georg Alexander

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