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© laif

Salzburg: Kühn kommt an

In Salzburg beginnt heute die Festspielsaison. Doch neben Musik spielt auch moderne Architektur eine tragende Rolle an der Salzach.

Salzburg, das ist für die meisten Besucher allein das konstante Viereck zwischen Residenz, Festspielhaus, Getreidegasse und Mirabellgarten. Architektonische Veränderungen jedoch gibt es natürlich vorwiegend an den „Rändern“, in den äußeren Bezirken der Stadt. In der Mitte ist das ja wohl kaum möglich, oder will jemand den Domplatz zubauen? Die Getreidegasse aufmotzen? Das 300 Jahre alte Café Tomaselli durch ein McDonald’s ersetzen?

Dass nicht jeder neue Entwurf gelungen ist, zeigt das „Haus für Mozart“, wie der nunmehr fünfte, 2006 realisierte Umbau des Kleinen Festspielhauses heißt. Es hat etwas Anbiederndes. Die Eingangsfassade wirkt nicht einladend. Sie setzt vielmehr die Reihe der Türen in der Hofstallgasse einfach nur fort; in Foyer und Treppenhaus haben die Architekten Wilhelm Holzbauer und Francy Valentiny jene Art von Festlichkeit zu inszenieren versucht, die wie in Fünf-Sterne-Hotels immerzu „kostbar, kostbar!“ raunt. Und das in Nachbarschaft der Felsenreitschule des großen Barockmeisters Fischer von Erlach, die eben jene strenge Form besitzt, die im ursprünglichen Festspielgedanken von 1920 fürs Theater erhofft war.

90 Jahre Salzburger Festspiele werden in diesem Jahr gefeiert, natürlich mit Sonderbriefmarke und einer Ausstellung zu ihrer Geschichte. Die Felsenreitschule wird nunmehr gleichfalls modernisiert, sie bekommt ein stählernes Dach, das im Winter unter Schneelast nicht mehr geöffnet bleiben muss wie bislang. Von außen wird sich nichts ändern.

Auf den ersten, flüchtigen Blick hat sich äußerlich auch bei der Renovierung des Salzburg-Museums in der Neuen Residenz nichts geändert. Die Fassaden sind dem einstigen, frühbarocken Erscheinungsbild angenähert worden, wenn auch nicht so farbenfroh, wie es der denkmalpflegerische Befund zutage gefördert hat. Im Inneren aber sind spätere Einbauten beseitigt worden; Altes ist als alt, Neues als neu erkennbar. Im vergangenen Jahr erhielt das Haus den „Europäischen Museumspreis“. Zum Geist der Erneuerung gehört, dass Museumsdirektor Erich Marx in der Dauerausstellung den „Mythos Salzburg“ unter die Lupe nimmt, diese allmähliche Herstellung des Bildes vom immerzu heiteren, beschwingten, kunstzelebrierenden Salzburg.

Dass die Stadt auch von Menschen bewohnt und nicht nur von Festspielgästen in Anzug und Abendkleid besucht wird, erkennt man vor allem außerhalb des Zentrums. Die Stadt bemüht sich mittlerweile auch dort um qualitative Architektur. Jenseits der Salzach ist das Projekt „Neue Mitte Lehen“ entstanden, eine Kombination aus Einkaufsmeile und Stadtteilbibliothek, die bewusst ein Mittelpunkt sein will. Ein auskragendes Dach über die gesamten 100 Meter des Gebäudes zieht den Blick auf sich. Auf der Rückseite des rundum verglasten Bauwerks liegt eine Wiese, wo bis 2006 das Stadion von Austria Salzburg zu finden war. Aus dem Bibliotheksbau ragt eine Art Kanzel. Das gedachte Café mit Fernsicht war bisher dort jedoch nicht rentabel zu betreiben.

Groß und groß gedacht, das gilt für den Neubau der Kultur- und Geisteswissenschaftlichen Fakultät, den die Universität Salzburg am südlichen Rand der Stadt, im Nonntal, zurzeit errichtet: eine architektonische Großform auf Stelzen, so dass der sich anschließende Grünzug nicht abgesperrt, sondern als Plaza sozusagen ins Haus hereingeholt wird. Den Wettbewerb gewann übrigens das Team Storch Ehlers Partner aus Hannover. Die Uni expandiert und bildet mit ihren Studenten ein Gegengewicht zum Altersdurchschnitt der Festspielstammgäste.

Doch nicht nur in den Bezirken der Peripherie, auch zur Mitte hin gibt es Veränderungen. Das ehrwürdige Mozarteum am Rand des Mirabellgartens hat sich ganz dramatisch gewandelt. Der Münchner Architekt Robert Rechenauer hat für die beiden „Studio“ genannten Aufführungsstätten des Nachwuchses ein urbanes Ensemble geschaffen, dessen verglastes Entree einen einladenden Zugang vom Mirabellplatz aus schafft. Dort übrigens hat die der zeitgenössischen Kunst verpflichtete Galerie Thaddäus Ropac ihren Sitz – in einem Barockpalais. Aus dem großen Saal des Mozarteums geht der Blick durch die verglaste Rückwand auf Garten und Berge – ungewöhnlich für einen Konzertsaal, der doch stets als geschlossener, auch optisch geschlossener Raum gedacht wird. Vom Mirabellgarten aus gesehen, fügt sich der Neubau mit seinem Riesenfenster aufs Selbstverständlichste ein.

Schließlich der Mönchsberg. Vor Jahren gab es den Plan, hier einen Ableger des Guggenheim-Museums zu installieren; Hans Hollein, einer der Großen der österreichischen Architektur gegen Ende des 20. Jahrhunderts, wollte den Berg aushöhlen. Das ganze Vorhaben blieb dann doch nur Entwurf. Stattdessen fand das Museum der Moderne, viel zu eng untergebracht in der Altstadt, am Mönchsberg sein neues Domizil. Das Büro Friedrich Hoff Zwink, wiederum aus dem nahen München, schuf ein Gebäude aus Sichtbeton, das nur wenig über die Bergkante hinausragt. Tatsächlich birgt es jedoch drei Ausstellungsebenen, die miteinander durch unterschiedliche Treppenläufe spielerisch verbunden sind. Ein tief eingeschnittener Gang, von einer seitlich verglasten Brücke überspannt, gliedert das Gebäude, bringt Tageslicht bis in die unterste Ebene. Das Café-Restaurant „m32“ im Hause, gestaltet vom Italiener Matteo Thun, bietet eine schöne Aussicht auf die Stadt und dabei eine mit einer Gault-Millau-Haube ausgezeichnete Küche. Den Turm mit runder Deckenöffnung, den der amerikanische Lichtkünstler James Turrell gleich neben dem Museum errichtet hat, darf man indessen erst anderthalb Stunden vor Sonnenuntergang betreten, um das Schauspiel der Farbveränderung am Abendhimmel in einem quasi-abstrakten Ausschnitt zu erleben.

Die Turrell-Installation hat die Salzburg Foundation – man muss das englische Wort mit österreichischem Akzent gesprochen hören, herrlich – ermöglicht, ein Zusammenschluss wohlhabender Bürger, die der Gegenwartskunst einen Platz im Kulturgefüge der Stadt verschaffen wollen. Für ein Ensemble aus Gemälde, Bleichbüchern und Dornbuschzweigen des Großmeisters Anselm Kiefer wurde am Max-Reinhardt-Platz ein eigener Pavillon errichtet. Das muss als das Äußerste bezeichnet werden, das die grundkonservative Stadt im heiligen Bezirk der Festspiele zugestehen mochte.

Es geht auf halb acht zu. Vor dem „Haus für Mozart“ rauschen Anzüge und Abendkleider heran und grüßen bald, champagnerkelchbewehrt, vom Balkon. Alles ist, wie es immer war oder gewesen zu sein scheint. Auch wenn es vor 90 Jahren mit den Festspielen viel bescheidener begonnen hat und das Gesehenwerden noch nicht den Vorrang hatte vor dem eigenen Schauen. Aber die Stadt lebt nun mal vom großen Auftritt ihrer Gäste im Zentrum – obwohl sich für die auch ein Besuch der „Ränder“ lohnen würde.

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