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Sauber cruisen: Rußwolken will keiner mehr

Landstrom ist nur eine Alternative: Ökologische Trends und Antriebe im Schiffbau und Schiffsbetrieb.

Ein Abend wie geschaffen für einen Marinemaler: Die „Color Fantasy“ gleitet wie ein künstlicher Wal im magischen Licht der Mittsommernacht über die Ostsee in Richtung Oslo. Nur eine kleine gelbe Wolke am Horizont trübt das Bild. Was mag das da in der Ferne nur sein? „Das ist unsere Abgasschleppe aus Schwefel, die da hinten verweht“, sagt der Mitreisende. Er ist die Strecke Kiel–Oslo–Kiel schon oft gefahren: Als Auszeit vom Alltag bietet sich so eine Minikreuzfahrt durchaus an.

Schwefelwölkchen hin oder her: Die Ostsee gehört – wie auch weite Teile der Nordsee – zu den saubersten Fahrgebieten weltweit, wenn es um Schadstoffe in der Luft geht. Schiffe dürfen hier und heute keinen Kraftstoff mit mehr als einem Prozent Schwefelgehalt verbrennen. In allen anderen Gewässern gilt ein Grenzwert von 3,5 Prozent. Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation hat den Wert für Schwefelgehalt auf 0,1 Prozent gesenkt.

Außerhalb bestimmter Zonen (Ärmelkanal, Ost- und Nordsee) gilt auf allen EU-Gewässern ab 2020 ein Grenzwert von 0,5 Prozent. Von 2015 an dürfen die Dampfer also schlimmstenfalls noch dieseln, müssen ihre Abgase direkt an Bord reinigen oder mit Flüssiggas fahren. Neue Schiffe müssen von 2016 an zudem strenge Grenzwerte beim Ausstoß von Stickoxiden erfüllen.

Verordnungen und Gesetze verwandeln Schiffe allerdings nicht in grüne Öko-Liner, sie fahren in der Regel mit Schweröl – einem Abfallprodukt, das bei der Herstellung von Benzin und Diesel entsteht. Die zähe Masse wird bei genauer Betrachtung durch die Schiffe kostengünstig entsorgt. Auf hoher See wird oft mit niedriger Geschwindigkeit gefahren, um Antriebsstoffe zu sparen – mit der Folge, dass die Ventile schnell verrußen und durch „Gasgeben“ immer wieder frei gefahren werden müssen: Schwarze Wolken steigen in den Himmel, und in innerstädtischen Häfen ist der Rußausstoß sichtbar, wenn die Schiffe auslaufen.

Im Hafen der Freien und Hansestadt Hamburg etwa stammen 38 Prozent der Stickoxide und 19 Prozent des Feinstaubs aus dem Schiffsverkehr. Mit frischer Seeluft hat das nichts mehr zu tun. Die Reeder müssen sich überlegen, wie sie die strengen Auflagen in Zukunft erfüllen können. Auf einen Aufschub dürfen sie wohl nicht mehr setzen. Die Zeit drängt. Weltweit sind nach Angaben des Verbandes Deutscher Reeder rund 520 Kreuzfahrt- und insgesamt mehr als 100 000 andere Schiffe mit einer Bruttoraumzahl (BRZ) von mindestens 100 unterwegs.

Die norwegische Reederei Color Line hat in den vergangenen Monaten von sich reden gemacht: Sie will bis 2015 zehn Prozent Kohlenstoffdioxid (CO2) einsparen. Seit diesem Sommer werden ihre beiden Fähren in Oslo täglich für knapp vier Stunden mit Landstrom versorgt. So vermeiden sie nach Angaben der Reederei jährlich den Ausstoß von 3000 Tonnen CO2, 50 Tonnen Stickoxid, 2,5 Tonnen Schwefeldioxid und 0,75 Tonnen Feinstaub.

Die Schiffe gehen nach dem Anlegen binnen drei oder vier Minuten ans Netz. In Norwegen ist das vergleichsweise naheliegend, denn der mit Wasserkraft erzeugte Strom ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch preiswert. „Wir haben in Norwegen einen Stromüberschuss, und der wird noch weiter wachsen“, sagt Per Gisle Rekdal, Chefberater des Hafenkapitäns in Oslo. Er treibt das Landstromprojekt seit rund zehn Jahren voran. „Das ist sehr komplex“, sagt er. Denn die Hafenbehörde wollte nicht Vertragspartner von Reederei und Elektrizitätswerken werden. Außerdem war es logistisch schwierig, die erforderliche Strommenge im Hafen zusammen zu führen. Ein E-Werk allein ist mit der Stromproduktion für die schwimmenden Kleinstädte überfordert.

Flüssiggas gilt als Schiffstreibstoff der Zukunft

Frische Seeluft. Neue Schiffe müssen von 2016 an strenge Grenzwerte beim Ausstoß von Stickoxiden erfüllen – das dürfte nicht nur die Fahrgäste freuen.
Frische Seeluft. Neue Schiffe müssen von 2016 an strenge Grenzwerte beim Ausstoß von Stickoxiden erfüllen – das dürfte nicht nur die Fahrgäste freuen.

© Reinhart Bünger

Das Finanzierungsmodell – knapp drei Millionen Euro – sieht in Oslo so aus: 70 Prozent übernimmt Color Line, der Rest kommt vom Hafen und aus diversen Fördertöpfen. Im Gegenzug erhält die Reederei von den Elektrizitätswerken günstige Tarife, die an Bord erzeugten Strom uninteressant machen. Unter dem Strich werden die Liegezeiten der Color- Line-Schiffe so nicht nur umweltverträglicher, sondern auch preiswerter.

Eine mögliche Zukunft bei Schiffsantrieben sieht die Branche derzeit im Flüssiggas, bei Neubauten ohnehin derzeit der Treibstoff der Wahl. Die Häfen rund um Nord- und Ostsee arbeiten zwar seit Jahren intensiv daran, die Versorgung mit Flüssiggas aufzubauen, doch eine tragfähige Infrastruktur gibt es trotz aller Konferenzen bisher nicht. „Es fahren kaum Schiffe mit Flüssiggasantrieb“, sagt Pierre C. Sames vom Dienstleistungsunternehmen Germanischer Lloyd.

Das Nachrüsten der Schiffe mit sogenannten Scrubbern – Abgasreinigungsanlagen – ist eine weitere Möglichkeit, Schiffe umweltfreundlicher zu machen. Scrubber-Systeme funktionieren nach einem einfachen Prinzip: Die Abgase werden mit Meerwasser besprüht, was eine chemische Reaktion auslöst, die insbesondere Schwefeloxide bindet. Doch Scrubber sind nicht billig. Und benötigen zudem neue Energie, die erzeugt und bezahlt werden muss. Gleichwohl: Die beiden aktuell in der Papenburger Meyer Werft beauftragten Schiffe für Royal Caribbean – Projektname Sunshine Class – sollen mit diesen modernen Abgasreinigungssystemen ausgerüstet werden. Der britisch-finnische Hersteller Wärtsilä Hamworthy hat nach eigenem Bekunden einen entsprechenden Vertrag mit der Meyer Werft unterzeichnet.

Abgasreinigung, Flüssiggasantriebe, Landstrom – es gibt noch einen vierten Dreh, die Emissionen zu senken. Aida Cruises experimentiert mit einem schwimmenden Flüssiggas-Kraftwerk zur Stromversorgung („Hybrid Barge“) während der Liegezeiten im Hafen. Mit im Boot ist bei diesem Projekt der Hamburger Spezialist für Schiffsantriebe, Becker Marine Systems. Aida steht mit diesem Konzept nicht allein. Bereits im März hatte die Hamburger Eckelmann- Gruppe mit Tui Cruises vereinbart, ein mit Flüssiggas betriebenes schwimmendes Kraftwerk bauen zu wollen.

Es wissen weder Hafenbetreiber noch Reedereien so recht, auf welches Konzept man setzen soll. „Wir können Angebote machen“, sagt Ulf Jahnke, Sprecher der Seehafen Kiel GmbH, „doch die großen Reedereien müssen vorgeben, in welche Richtung es geht.“ Schließlich gehe es um technische Voraussetzungen, die zunächst auf den Schiffen geschaffen werden müssten. Mit Color Line ist der Kieler Hafen wegen des Landstroms am Norwegenkai jedoch weiter im Gespräch.

Auch der Hamburger Hafenkapitän Pollmann sieht sich mit dem Thema Landstrom konfrontiert. Er meint, zunächst müssten sich die Reeder international auf einen „einheitlichen Stecker“ einigen. Und wenn er die Tests mit verschiedenen Antriebsarten beobachte, frage er sich: „Brauchen wir in ein paar Jahren überhaupt noch Landstrom?“ Als Übergangslösung sei die Investition für die Häfen einfach zu groß.

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