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Erst schauen, dann (vielleicht) buchen. Die Kabinen eines Schiffs wollen die Sehfahrer natürlich genau inspizieren.

© Bernd Ellerbrock

Schiffsbesichtigung: Ausflug zum Deck

Reedereien bieten Interessierten Kurzbesuche ihrer Schiffe an. Mancher kommt dabei auf den Kreuzfahrtgeschmack.

Fast wie „bestellt und nicht abgeholt“ wirken die wenigen Tagesgäste, die geduldig am Gate 5 auf das Einchecken warten. Das Columbus Cruise Center in Bremerhaven ist also nahezu menschenleer. Das moderne Abfertigungsterminal ist schließlich ausgelegt für mehrere tausend Passagiere – an diesem Vormittag sind es ganze 55, die an Bord der „Delphin“ wollen.

Nach einiger Verzögerung und unter Beobachtung von gleich vier Polizisten kontrollieren Sicherheitsmitarbeiter Taschen, prüfen Ausweise, Pässe und Buchungsbestätigungen, vergleichen die Angaben mit den Manifestdaten der Reederei. Die strengen internationalen Sicherheitsvorschriften machen ein solches Prozedere zwingend erforderlich. Simuliert wird hier nichts. Auch wenn in den Papieren als Reiseroute angegeben ist: „Besichtigung“.

Verständlich, wenn Kreuzfahrt-Reedereien allein schon diesen Aufwand scheuen, um Kurzbesuche ihrer Schiffe zu ermöglichen. Da werden zwar mal Kontingente an Reisebüros, ausgewählte Stammkunden oder im Rahmen einer Werbekampagne vergeben. Ansonsten hält sich die Branche beim Thema Besichtigung eher zurück – und zieht die Sicherheitskarte.

Mit dem Argument Sicherheit lassen sich allzu Neugierige trefflich abwimmeln und die Exklusivität bleibt gewahrt. Wer möchte nicht mal das Innenleben der „Queen Mary“ erkunden? Doch im Cunard-Blog gibt sich die noble Reederei mit einer Notlüge knapp: „Wir werden immer wieder gefragt, aber aus Sicherheitsgründen dürfen nur Kreuzfahrtgäste und Crew an Bord gehen.“ Empfohlen wird stattdessen eine „Schnupperreise“ – für die, die es sich leisten wollen und können.

Doch heute möchten die meisten nur mal schauen, haben 20 Euro für die Stippvisite auf der „Delphin“ gezahlt und trudeln jetzt im plüschigen Grand Salon ein: riesige Spiegel an der Decke und eine Bühne, auf der sonst Schlagergrößen wie Ireen Sheer, Marianne Rosenberg oder auch Jürgen Drews auftreten. Spaßvögel witzeln jetzt, wann es endlich losgehe und wohin die Reise wohl führe. Doch ein „Running Gag“ wird daraus nicht, denn Kreuzfahrtdirektorin Uta Elsner macht in ihrer Begrüßung bald klar, dass um 14 Uhr die Besuchszeit endet – eine Stunde später erwarte man die echten Passagiere, um 18 Uhr lege das Schiff dann ab. Die Auslaufmelodie „What a wonderful World“ bekommen die Besucher also nicht zu hören.

Bei Sekt, O-Saft und Kartoffelchips werden kurz der ausgehändigte Decksplan sowie der weitere Ablauf der Tour erläutert. Die „Delphin“ ist mit 157 Metern Länge eher ein kleines Schiff, wurde hier in Bremerhaven – gleich gegenüber auf der Lloydwerft – 1986 vom Fähr- zum Kreuzfahrtschiff umgebaut, kann maximal 470 Gäste befördern und verfügt über 235 Kabinen auf sieben Passagierdecks.

Kreuzfahrtdirektorin Uta Elsner stößt mit ihren Gästen „auf dieses schöne Schiff“ an, hebt die Vorzüge eines familiären Musikdampfers hervor, schwärmt von den „schönen Kabinen“, einer „hoch motivierten Crew“ und „wundervollem Essen“. Vielleicht sei es ja möglich, in den zwei Stunden an Bord „Reiseträume zu wecken“, so der werbende Wunsch ihrer knappen Ansprache. Eine Teppichverkaufsveranstaltung war das jetzt sicher nicht. Marketing schon, wie Andrea Schleif von Passat Kreuzfahrten bestätigt. 1200 Interessierte lernten im vergangenen Jahr das Schiff bei einem Kurzbesuch kennen, vielleicht schätzen.

Pünktlich um 12 Uhr wird zum Menü gebeten

Älterer Bauart, doch die relativ kleine „Delphin“ hat noch immer ihr Publikum.
Älterer Bauart, doch die relativ kleine „Delphin“ hat noch immer ihr Publikum.

© Bernd Ellerbrock

Andere Kreuzfahrtanbieter sehen solche Besichtigungen an Passagierwechseltagen eher distanziert. So heißt es bei Tui Cruises („Mein Schiff“): „Leider würde es auch den falschen Blick auf unser ,Wohlfühlschiff‘ vermitteln, da dieser Tag nicht das eigentliche Bordleben widerspiegeln würde.“ Costa Kreuzfahrten wiederum bietet „Ship Visits“ nur für Mitarbeiter von Reisebüros an, Slogan: „Live erlebt verkauft sich besser!“ Die Kreuzfahrtdirektorin der „Delphin“ jedenfalls verabschiedet sich mit der Ermunterung: „Lassen Sie sich verzaubern!“

Die Ausflügler, sämtlich zur Gruppe (Vor-)Ruheständler gehörend, schwärmen aus, erkunden Bars, Boots- und Brückendeck, schlendern über die Teakholzpromenade oder durch die „Shopping-Arkade“, wo just neue Ware ausgepackt wird. Die Schaulustigen scharen sich um den Pool und beobachten von dort das rege Treiben an Containerterminal und Seeschleuse in unmittelbarer Nachbarschaft. Die Kreuzfahrtkenner fachsimpeln über die Notwendigkeit von Stabilisatoren bei schwerer See („diese Ausgleichsdinger“), andere diskutieren, ob die Bibliothek nun zu groß, gerade richtig oder zu klein sei. So sind sie alle auf Entdeckungstour unterwegs, während die Crew Kabinen reinigt, Betten bezieht, Wäsche durch die Flure trägt und die ersten Koffer an Bord geholt werden.

Ariane Trettin, die als Reise- und Ausflugsleiterin seit 15 Jahren auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs ist, teilt die Besuchsgäste in zwei gleich große Gruppen: Die eine Hälfte wolle eben nur mal ein „Traumschiff“ von innen gesehen haben. Für die sei das ein Ausflug wie jeder andere auch. Andere zeigten Interesse an einer Kreuzfahrt, vielleicht sogar auf der „Delphin“. Sie fragten genau nach und erkundeten das Schiff sehr sorgfältig. Das kleine Bordreisebüro ist tatsächlich ständig umlagert: Geduldig, freundlich und kompetent berät und informiert „Delphin“-Spezialistin Ariane; einmal gehen ihr sogar die Kataloge aus. Gebucht werden kann an Bord jedoch nicht.

Seit Übernahme des traditionsreichen Kreuzfahrtschiffs durch den Veranstalter Passat können Interessierte in Bremerhaven und Kiel das Schiff mehrfach im Jahr besichtigen – genutzt werden Passagierwechseltage. Der Andrang ist unterschiedlich: Mal sind die Gruppen so klein, dass eine Führung angeboten wird. An anderen Tagen drängeln sich aber auch schon mal bis zu 250 Neugierige an Bord. Eine Anmeldung ist jedoch immer erforderlich.

Auch Phoenix-Reisen („Albatros“, „Amadea“, „Artania“) bietet in Bremerhaven und Hamburg regelmäßig Besichtigungen für 49 Euro an. Wird im Anschluss eine Kreuzfahrt gebucht, wird der Betrag voll angerechnet. Wer schon mal Passagier war, zahlt nur 19 Euro. Die Preisgestaltung hat einen simplen Grund: Man wolle vor allem wirklich Interessierte an Bord begrüßen, erläutert Judith Steinmett, und die Flut der „Kaffeeklatsch-Ausflügler“ ein wenig eindämmen. Ganz ohne „Eintrittsgeld“ kann lediglich die „Astor“ (Transocean) an „Open ship“-Tagen in Bremerhaven besichtigt werden. Ein weiterer Veranstalter ist Hansatouristik („Ocean Majesty“) mit Möglichkeiten in Kiel und Warnemünde für 15 Euro – allerdings ohne Essen.

Höhepunkt des Kurzaufenthaltes ist dann doch das Mittagsmenü, zu dem pünktlich um 12 Uhr gebeten wird. Barchef Anatoliy Palamarchuk, wie ein Großteil der Crew gebürtiger Ukrainer, empfängt die letzten Gäste mit weit ausgebreiteten Armen: Leider, leider – das Restaurant sei voll, es werde umschichtig gegessen, erst in einer Stunde sei die nächste Gruppe an der Reihe. Haha, ein werbewirksamer Scherz, der die Vorzüge des kleinen Schiffes mit drei Sternen erneut herausstellt: Es gibt ja nur eine einzige Tischzeit für alle! Er sei eben „der Clown“ an Bord, sagt Anatoliy lachend. Das Leben sei schön, 24 Stunden am Tag. Der Mann verbreitet gute Laune.

Die stellt sich auch beim Essen ein, das sich für die Letzten bis ganz kurz vor Verlassen des Schiffes hinzieht. Das mehrgängige Menü, so wie es auch auf einer gebuchten Kreuzfahrt angeboten würde – und das wird betont –, besteht heute aus einem „Original Caesar Salat“, einer Knollenselleriesuppe mit Trüffelschaum, Salatauswahl vom Büfett und verschiedenen Hauptgängen: gegrilltes blaues Seehechtfilet auf Ingwerrahmspinat mit Risotto zum Beispiel oder Schweinelendchen in Senfsauce mit Oreganozucchini und Kartoffelkroketten. Käse vom Brett, Apfelstrudel mit Vanilleeis zum Nachtisch. Kein Grund zum Meckern. Für die meisten haben sich spätestens jetzt die 20 Euro „Eintritt“ wirklich gerechnet.

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