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Schloss Kartzow: Auf der Terrasse des Schnapsbarons

Ein repräsentatives Landhaus wünschte sich Fabrikant Arthur Gilka 1912 in der brandenburgischen Mark – und bekam es. Heute wird auf Schloss Kartzow bei Potsdam vornehmlich geheiratet.

Vielleicht ist auch Theodor Fontane mal an Kartzow vorbeigewandert. Und hat keine Zeile darüber verloren. Ein Rittergut, ein paar Wohnhäuser, eine Kirche, nun ja, aber drum herum nur Felder, Wiesen und ein paar Obstbäume. Der Dichter kannte schönere Flecken in der Mark. Schnapsfabrikant Arthur Gilka hat das 1898 anders gesehen. Ein guter Ort, um Kartoffeln und Rüben anzubauen, fand er. Die konnte er dann, wie zuvor schon sein Großvater und Vater, in Hochprozentiges verwandeln. Der „Kaiser-Kümmel“ verkaufte sich prächtig, und Gilka konnte sich was leisten. Hier, inmitten der gekauften Ländereien, wünschte er sich ein repräsentatives Landhaus.

So eins in der Art, wie es der Berliner Architekt Eugen Schmohl den Borsigs im Tegelschen Reiherwerder gebaut hatte. Schmohl setzte zwei Geschosse auf einen hohen Sockel, baute rechts und links einen Flügel an und krönte das Ganze mit einem hohen Mansarddach. Vorn kam – natürlich – eine herrschaftliche Freitreppe hin und hinten eine breite Terrasse. Dort konnte Gilka sitzen und – wie ein englischer Adliger – den Blick in den stillen Park genießen.

Das funktioniert auch heute wieder. Vor gut drei Jahren ist Schloss Kartzow behutsam aus seinem Dornröschenschlaf erweckt worden. Im Dezember 2006 hat das Ehepaar Sonntag das Anwesen gekauft, um es nach und nach in ein Hotel zu verwandeln. Beim ersten Versuch wären die künftigen Schlossherren fast an dem Gebäude vorbeigefahren. „Von der Straße aus hat man es gar nicht gesehen, es war ja alles zugewuchert im Park“, sagt Ina Sonntag.

Gilkas Witwe hat das Anwesen 1937 an einen Major verkauft, der es fünf Jahre später der Wehrmacht übergibt. Nach dem Krieg ziehen Umsiedler ein, dann dient es als Kinderheim und Sanatorium, nach der Wende übernimmt es eine Hospitalgesellschaft. Mangels finanzieller Mittel zur notwendigen Renovierung wird der Standort 1998 aufgegeben. Von da an steht das Herrenhaus leer.

Die Sonntags, er Unternehmer, sie Sozialpädagogin, finden 2006 immerhin eine weitgehend intakte äußere Bausubstanz vor. Innen haben sich die beeindruckenden Kamine aus Gilkas Zeit erhalten, auch das alte Parkett im Erdgeschoss kann teilweise aufgearbeitet werden. Das Eichenpaneel im Gartensaal, unter dicken Farbschichten verborgen, darf wieder zum Vorschein kommen. Der Park wird in seinen ursprünglichen Zustand versetzt. Eine zu DDR-Zeiten gebaute Wendeschleife aus Beton verschwindet, die typischen Peitschenlampen werden entfernt. Nun rücken in der Erde versteckte Strahler Schloss und Garten ins rechte Licht. Wie viel genau sie in Anwesen und Umbau investiert haben, möchte Ina Sonntag nicht sagen. Aber ein „zweistelliger Millionenbetrag“ sei es schon gewesen.

Wie von Ina Sonntag geplant, ist Kartzow binnen kurzer Zeit zum begehrten Hochzeitsschloss geworden. „Bis Oktober sind alle Wochenenden ausgebucht“, sagt die gebürtige Potsdamerin und zeigt stolz das Reservierungsbuch. „Wir hatten schon Gäste aus Dubai, aus Argentinien, aus Oslo, und gerade war eine junge Russin hier, die ihre Hochzeitsfeier vorbereiten will“, sagt sie. Die Kunden, so die Vermutung, „haben uns wohl übers Internet gefunden“. Das Standesamt befindet sich im Schloss, und zur fein restaurierten Backsteinkirche im Dorf sind es nur einige hundert Meter zu Fuß.

Elf Zimmer und eine Hochzeitssuite befinden sich im ersten Stock des Hauses. „Ich habe sie alle selbst eingerichtet“, sagt Ina Sonntag. Ob Romantiker darin glücklich werden? Geschmackvoll und modern ist das Mobiliar, eben so, wie man es in exquisiten Vier-Sterne-Hotels findet. Dunkelbraune, hochflorige Auslegware im Gang und in den Zimmern soll Geräusche dämpfen. Dass man sich in einem ehrwürdigen Herrenhaus befindet, ist hier schnell vergessen. Träumen kann man allerdings beim Blick aus den Sprossenfenstern in den schönen Park mit seinem verwunschenen Weiher. Spaziergänger sind auf dem Privatgelände durchaus willkommen. „Nur wenn besondere Feiern anstehen, nehme ich mir das Recht, den Park zuzusperren“, sagt Ina Sonntag. An diesem Sonnabendnachmittag, die Hochzeitsgesellschaft ist gerade in der Kirche, darf man also flanieren. In hochgewachsenen Kastanien, Ulmen und Ahornbäumen zwitschern Vögel, im Gras konkurrieren Veilchen und Scillas um das bestechendste Blau.

Vielleicht wird auch das Dorf Kartzow bald ein bisschen erblühen. Im Grunde ist es doch recht hübsch. Die Kirche, ein Kleinod, und auf der Wiese davor wie ehedem ein mittelalterliches Sühnekreuz. Einen Spargelhof gibt es, an einer Hauswand reihen sich zahlreiche bunte Bienenkästen. Doch das Kopfsteinpflaster der alten Straße hat tiefe Löcher, und der Asphalt, den man an manchen Stellen darübergegossen hat, ist längst wieder aufgeplatzt. „Kopfsteinpflaster passt doch sowieso besser hierher“, sagt Ina Sonntag.

Wem ein Spaziergang im Schlosspark und die Runde durchs Dorf zu wenig sind: An Kartzow grenzt der Naturpark Döberitzer Heide. Man könnte auch nachschauen, ob der „knorrigste wilde Birnbaum“ an der Straße auf halbem Weg zum benachbarten Fahrland noch „säuselt“. So hat ihn jedenfalls der dichtende Chronist Friedrich Wilhelm August Schmidt (1764–1838) gepriesen. Der „Sandpoet“, wie ihn Fontane bezeichnete, liebte diese platte Gegend in der Mark. Und würde sich wohl freuen, dass sie – dank Kartzow – nun wieder von sich reden macht.

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