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Reise: Schöne Seilschaft

Die Brooklyn Bridge wird 125 Jahre alt. Ein technisches Meisterwerk – gebaut von einem Thüringer

Woran erkennt man einen New Yorker? Am Hund. Zwar hat nicht wirklich jeder Bewohner der Stadt einen Hund, aber jeder, der hier einen Hund spazieren führt, lebt in New York. Und: Man sieht immer mehr Hunde in Manhattan. Auf der Brooklyn Bridge sieht man keinen. Wer zu Fuß über die 1, 8 Kilometer lange Brücke geht, ist mit ziemlicher Sicherheit Tourist.

„Uhhh“, sagt Jim und muss richtig lang überlegen. Wann er das letzte Mal zu Fuß über die Brücke gegangen ist? Der Schuhverkäufer von der Brooklyner Fulton Mall sagt, er fahre ab und zu mit dem Rad hinüber, das schon, und ein paar Freunde joggen über die Holzbohlen. Aber rüberspaziert?

Nun aber gehört es sich so. Denn in diesen Tagen feiert die Brücke ihren 125. Geburtstag. Rund 100 000 Fahrzeuge am Tag überqueren die südlichste Brücke Manhattans. Sie ist zweistöckig, unten fahren Autos, oben schlendern Besucher, fotografieren die Skyline von Manhattan, die Freundin vor der Skyline von Manhattan, sich selbst vor der Skyline von Manhattan. Laut ist es hier. Die Autos brausen viel schneller als durch die Straßen der Stadt, stets kreisen Helikopter am Himmel, alle naselang hupen Fähren.

An den Brückentürmen erweitert sich die Fußgängerpassage zur Plattform. Einen besseren Blick auf die Insel Manhattan hat man nirgends. An der Südspitze ist kein Fleckchen Himmel mehr frei, so eng stehen die Hochhäuser. Folgt der Blick dem Verlauf der Brücke, geht es ins Valley, das weite, hochhausfreie „Tal“ zwischen dem Finanzdistrikt und den Wahrzeichen von Midtown wie Chrysler Building und Empire State Building – nun wieder das höchste von allen. Um dieses Panorama zu sehen, kommen sie alle hierher. Am zweiten der Brückentürme, von Manhattan aus gesehen, drehen die meisten wieder um, gehen zurück nach Downtown, vorbei an der City Hall, ins Valley oder in die U-Bahn.

Ausgedacht und entworfen hat diese Brücke über den East River ein Deutscher, der aus Thüringen stammende Architekt Johann August Röbling. Mitte des 19. Jahrhunderts pendelten Fähren zwischen der East Side und Brooklyn, im Winter erschwerten Strömung und Eisschollen die Überfahrt. Röbling schlug der Stadt den Bau einer Hängebrücke vor, sein Plan erregte erst mal Argwohn. Knapp zwei Kilometer weit, über einen Fluss, das schien vermessen. Wie sollte das gehen?

Röbling hatte ein Drahtseil entwickelt und war als Brückenbauer schon anderswo erfolgreich gewesen. So hatte er unweit der Niagarafälle über den Niagara eine Eisenbahnbrücke gebaut. Röbling konnte die Stadt überzeugen. 1869 wurde mit dem Bau begonnen, doch kurz darauf quetschte eine Fähre Röblings Fuß ein, er starb an Tetanus.

Sein Sohn Washington übernahm, auch ihm brachte die Brücke kein Glück. Nach Arbeiten in Senkkästen, mit denen die Fundamente fixiert wurden, erlitt er Schwächeanfälle und blieb gelähmt. Dieses Schicksal teilten viele Arbeiter mit ihm, erst nach medizinischen Studien wurde die Ursache bekannt – es lag am Überdruck. So wurde beim Bau der Brooklyn Bridge per Zufall die Taucherkrankheit erforscht.

Am 24. Mai 1883 wurde die damals längste Hängebrücke der Welt eröffnet. 486 Meter Spannweite, knapp 26 Meter breit. US-Präsident Chester A. Arthur führte die Prozession an, gemeinsam mit Grover Cleveland, dem Gouverneur von New York. Ihm brachte die Brücke Glück: Er wurde der nächste Präsident der USA.

Ob Hillary Clinton, Senatorin von New York, zum Jubiläum mit Noch-Präsident Bush ebenfalls gemeinsam über den Fluss promenieren wird, ist nicht bekannt.

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