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Der 146 Meter lange Pool auf dem Dach des Hotels Marina Bay Sands.

© Bünger

Singapur: Eine saubere Sache

Der Stadtstaat Singapur hält viel von Ordnung. Noch mehr staunt der Besucher allerdings über die Baukultur.

Kaum etwas erinnert noch an die alten Zeiten. Singapur ist heute eine fast ausschließlich moderne Großstadt. Aus den historischen Gebäuden der Hafenbehörden etwa wurden Restaurants und Hotels. Hochhäuser ersetzten zwei- und dreigeschossige Bauten. Nur wenige durften am Singapore River als Zitate vergangener Zeit – zumeist als Hüllen hipper Restaurants – direkt am Wasser stehen bleiben.

Der Stadtstaat begrüßt Besucher im Flughafenterminal zunächst mit kühlem Klima – und hochflorigem Teppich, ein Bodenbelag, wie er in Gebäuden dieser Art schon außergewöhnlich erscheint. Doch kaum verlässt man den Bau mit seinen begrünten Innenwänden und Wasserfällen, schlagen einem satte 32 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von fast 90 Prozent entgegen. Klar, Singapur hat nur ein Wetter: heiß im Sommer wie im Winter. Kein Wunder, dass hier alle 14 Tage die Bäume geschnitten werden, weil sie sonst zu stark ausschlagen. „Frisur, weißt Du?“, sagt Fremdenführer Danny Lorenzo. Während Danny plaudert umkreist eine der unvermeidlichen Kehrmaschinen die Besucher. Singapur gilt als die sauberste Stadt Asiens und tut alles dafür, diesem Ruf gerecht zu werden. Auch in der Hotellobby wird gewischt: dienstbare Geister haben sich die Blätter der Palmen vorgenommen. Alles muss eben immer picobello sein. Vom Feinsten auch der Blick aus dem Zimmer auf die Skyline von Singapur. Die ungezählten Hochhäuser signalisieren: Dieses ist die größte Finanzmetropole Asiens, Dreh- und Angelpunkt für die großen Deals der gesamten Region. Und was ist das dort links? Es sieht aus wie eine Mischung aus einer völlig überdimensionierten Stonehenge-Silhouette mit einem quer gelegten Schiffsrumpf oben drauf, der die Dächer von drei einzelnen Hochhäusern miteinander verbindet. „Das ist das Hotel Marina Bay Sands“, sagt Danny, als wir dieses Monument der Fortschrittsgläubigkeit und neue Wahrzeichen Singapurs wenig später besichtigen: „Für die ,Traumschiff‘- Crew musste ich hier morgens um 7 Uhr einen Drehtermin am Pool arrangieren. Später ging’s nicht. Schließlich residieren dort in den exklusiven Suiten fast immer Prominente wie Lady Gaga, Elton John und andere.“ Selbst das kleinste der 2500 Zimmer könnten wir Normalos uns nie leisten, doch einen Blick auf die Poolebene wollen wir schon riskieren.

Der Fahrstuhl hält im 55. Stockwerk, in genau 191 Meter. Vor dem Besucher öffnet sich ein 340 Meter langer Dachgarten, der von einem 146 Meter langen „Infinity Pool“ dominiert wird, einem Schwimmbecken also, in dem man den Eindruck hat, das Wasser verschwinde ganz in der Ferne, in der Endlosigkeit sozusagen. Unfassbar. Eine Meisterleistung der Statiker zudem: der Bau an sich sowie das gigantische Wasserbecken aus Stahl, das in Einzelteilen in luftige Höhe gebracht und dort zusammengeschweißt wurde. 12 000 Quadratmeter groß ist der gesamte Freizeitpark auf dem Dach, mit 250 Bäumen und noch mehr anderen Pflanzen. Danny weist derweil hinab auf die Spitze eines anderen, scheinbar nicht zu Ende gebauten Hochhauses. „Dort wollten sie als Abschluss des Gebäudes eigentlich eine Pyramide draufsetzen, aber dann haben die Chinesen gesagt: Eine Spitze in der Nähe von Wasser bringt Unglück.“ Also blieb die Haube – natürlich – unvollendet. Und direkt unter uns, direkt an der Marina Bay, entsteht ein riesiger botanischer Garten: „Gardens by the Bay“. Das 101 Hektar große Areal liegt auf einer Landmasse, die nicht der See abgetrotzt wurde. Vielmehr hat der Staat das Material schlicht in Indonesien gekauft, herbeigeschifft und bereits vor 30 Jahren hier ins Meer gekippt. Inzwischen hat sich das so gewonnene Land gesetzt und der mit 712 Quadratkilometern flächenmäßig kleinste Staat Südostasiens kann nun anfangen, darauf zu bauen. Die größten Glasgewächshäuser Asiens zum Beispiel. „Gardens by the Bay“ wird wohl eine der außergewöhnlichsten Attraktionen Singapurs.

Überhaupt geht es in der Stadt immer um noch mehr Wachstum. 30 Millionen Besucher kommen jedes Jahr nach Singapur. Ihnen soll schließlich etwas geboten werden. Auch wenn sie oft auf dem Weg zu anderen Zielen in Asien oder nach Australien nur Zwischenstation auf der Äquatorinsel machen oder zu den vielen Geschäftsreisenden gehören. Wir schauen wieder in die Ferne. Hunderte Schiffe scheinen im Südchinesischen Meer auf dem Weg nach Singapur zu sein. Bei genauem Hinsehen zeigt sich: Nur wenige bewegen sich, die überwiegende Zahl liegt vor dem nach Schanghai geschäftigsten Containerhafen der Welt auf Reede, sie warten auf ihre Abfertigung. Das heißt Ladung wird gelöscht und neue Fracht aufgenommen, Schweröl, Proviant und Wasser werden gebunkert. „Unser Trinkwasser kommt übrigens überwiegend aus Malaysia“, sagt Danny stolz. Wie seine Vorfahren. Aber eigentlich spiele die Herkunft in Singapur keine wirkliche Rolle. Man sei hier eben Singapurer – auch die Menschen chinesischer Abstammung, die deutlich mehr als zwei Drittel der Bevölkerung Singapurs stellen. Wenn der Begriff Handel und Wandel den Kern einer Stadt trifft, dann Singapur, das selbst aus dem Wassermangel noch Kapital schlägt: Billig im Nachbarland eingekauft, wird das Nass teuer an die Frachtschiffe verkauft. Überhaupt ist der Geschäftssinn ausgeprägt: Zum Projekt „Gardens by the Bay“ im Resort Marina Bay Sands gesellt sich demnächst noch ein neues Kreuzfahrtterminal, wo spätestens ab 2015 jährlich 1,6 Millionen Passagiere ankommen sollen.

Was es mit dem "Singapore Sling" auf sich hat, auf der nächsten Seite

Hotel Marina Bay Sands in Singapur.
Hotel Marina Bay Sands in Singapur.

© Bünger

„Ich zeige Euch noch mal das Erd- und Untergeschoss von Marina Bay Sands“, sagt Danny und schon geht’s abwärts, im Fahrstuhl in die riesige Shopping Mall, wo sich ein Edelanbieter neben dem anderen präsentiert. „Der Asiate will Shoppen auf höchstem Niveau“, erläutert Danny die gehäufte Präsenz von Armani, Gucci & Co. Auf jeden Fall ist das hier eine Alternative zur Orchard Road, der Einkaufsstraße Singapurs. Ganz in ihrer Nähe liegt das alt-ehrwürdige Raffles Hotel. Dort wurde der „Singapore Sling“ erfunden, ein sehr süßer Cocktail aus Gin, Cherry Brandy, Triple Sec, Bénédictine, Ananassaft, Limonensaft, Grenadine, einem Spritzer Angostura und etwas Eis gemixt. Da das Glücksspiel eine der ganz großen Leidenschaften der Chinesen ist, wundert sich niemand, im Untergeschoss von Marina Bay Sands auf ein Casino zu stoßen. Las Vegas lässt grüßen! „Es gibt viele Chinesen, die hier das Wochenende durchspielen“, erzählt Danny. Es gibt immerhin mehr als 600 Spieltische und mehr als 1500 „einarmige Banditen“. Und natürlich – soviel Größe muss in Singapur einfach sein – einen sechseinhalb Meter hohen Kronleuchter, der dem Spielkasino Glanz verleiht. Sein Gewicht von reichlich sieben Tonnen ist den 132 000 Kristallen von Swarovski geschuldet. Wir hätten es jetzt gerne eine Nummer kleiner und denken an ein Reisemitbringsel. Vielleicht wird der Besucher im indische Viertel Singapurs fündig. Dort lockt viel echte und womöglich auch so manch falsche Seide. Wie passend, auf dem Weg nach „Little India“ zeigen sich die Bankautomaten an vielen Ecken durchaus empfänglich für EC-Karten. „Klein-Indien“, das ist vor allem die Serangoon Road. Hier gibt es dies und das: Ein Shop mit runderneuerten Autoreifen neben einem Schneider, Souvenirshops mit billigem Tand, Elektroläden und vor allem Bekleidungsgeschäfte mit reichlich Billigware. Danach suchen wir nun nicht unbedingt, das gibt’s auch zu Hause. Etwas Schickes zu erträglichen Preisen – Fehlanzeige. Das Viertel mit zumeist zweigeschossigen Bauten macht ohnehin einen eher schlichteren Eindruck. Doch man muss hartnäckig sein. Schließlich stoßen wir auf das Mustafa Center am Serangoon Plaza, Tag und Nacht geöffnet. Die Auswahl ist groß, doch mit den Kleidergrößen hapert’s dann doch. Asiatische Schnitte eben. Allerdings, mit einem Pashmina Schal kann man ja nichts verkehrt machen. Und der Preis stimmt auch. Wir passieren an der Waterfront eine der Hochhausschluchten – und auch hier sind allenthalben Putzkolonnen am Werk. Auf dem Singapore River ist eine Barkasse auf Patrouillenfahrt, mit großen Mülleimern an Bord. Angestellte der staatlichen Uferreinigungstruppe halten die Böschungen sauber. Täglich. Wenn wir bewusst danach schauen, sehen wir es überall: Es wird poliert, gewischt, gekehrt. Überall. Und nachts werden die Wartehäuschen an den Bushaltestellen mit heißem Wasser gesäubert. Jede Nacht. „Singapore is a fine city“, heißt es ja auch durchaus doppeldeutig. Fein, gewiss. Doch „fine“ heißt auch Strafzettel. Die Geldbußen allein für das unbedachte Wegwerfen von Abfall haben sich gewaschen: 300 Singapur-Dollar, etwa 170 Euro, sind unweigerlich fällig. Bei schlimmeren Vergehen drohen die Prügel- bei Drogendelikten gar die Todesstrafe. Und es gibt viele Videokameras in den öffentlichen Parks. Die Polizei hält sich diskret im Hintergrund. Es sind vor allem die vielen „Putzteufel“, zumeist Bangladeschis, die hier für Ordnung sorgen. Die einzige Problemzone der Innenstadt: Clarke Quay, das Amüsierviertel am Singapore River, mit seinen Eisbars, und „Vodkas in the rocks“. In dieser Gegend kann es morgens um sechs dann schon mal etwas wild aussehen – bis die nächste Putzkolonne anrückt. Und wie lebt es sich sonst so in Singapur, Danny? „Ja, was soll ich sagen? Ja, was gibt es denn hier? Arbeiten, Essen und Disko, würde ich sagen.“ Essen gehöre überhaupt zu den wichtigsten Freizeitbeschäftigungen – abseits der vielen feinen Restaurants kann man es auch vergleichsweise preiswert haben, wie etwa im Maxwell Food Hawker Centre im Herzen von Chinatown oder rund um die Markthalle Lau Pa Sat im Business District, wo fleißige Hände unter freiem Himmel auf offenem Feuer Satee-Spieße und andere Köstlichkeiten aus der asiatischen Küche zubereiten. Zu Hause gekocht werde eher selten, gegessen werde meistens auswärts. „Das fängt schon gegen Mittag im Büro an“, sagt unser Reiseführer. Die Begrüßungsformel in China, also auch in Singapur laute nicht „Wie geht’s?“ oder „Guten Tag“, sondern: „Hast Du schon gegessen?“ Wer sich mit der asiatischen Küche anfreunden will, für den hält Singapur tatsächlich einige Erweckungserlebnisse bereit.

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