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Reise: Spurlos verschwunden

Vermisst auf hoher See: Opferverband fordert unabhängige Sicherheitsleute.

Seereisen ohne Wiederkehr: Jahr für Jahr verschwinden Menschen auf hoher See. Seit dem Jahr 2000 sind weltweit auf Kreuzfahrtschiffen und Fähren mindestens 200 Passagiere und Crewmitglieder über Bord gegangen. Nur etwa jeder Fünfte konnte gerettet werden.

Doch die Zahl der Vermissten liegt „weit höher als gemeldet“, vermutet Professor Ross A. Klein von der kanadischen Memorial-Universität von Neufundland, der seit 1995 eine Statistik darüber führt. Der jüngste Fall datiert vom 9. Mai: Vor Australien musste die „Carnival Spirit“ zwei ihrer 2680 Passagiere als vermisst melden. Sie waren aus weiterhin ungeklärter Ursache in das Meer der Tasman-See gestürzt.

Licht ins Dunkel vieler Fälle versucht die International Cruise Victims Association (ICV) zu bringen – aber ohne viel Erfolg. „Meist gibt es keine Leiche, Zeugen oder Spuren“, sagt Kendall Carver von der in Sammamish im US-Bundesstaat Washington ansässigen Organisation.

Bleibt plötzlich irgendwo die Kabine leer, wird zwar meist Selbstmord vermutet. Aber auch Verbrechen sind nie auszuschließen: Die schwimmenden Hotelburgen sind Kleinstädte mit bis zu 5400 Menschen und 2100 Besatzungsmitgliedern – aber ohne Polizeirevier.

Schon länger fordert ICV deshalb „Sky Marshals zur See“, die unabhängig von den Reedereien sind. Die Sicherheitsleute sollen vor allem auch das Schiffspersonal überprüfen. „Reedereien nehmen die Sicherheit an Bord nicht ernst genug“, sagt der auf solche Fälle spezialisierte Anwalt Jim Walker aus der Kreuzfahrten-Hochburg Miami. Vieles werde unter den Teppich gekehrt.

Das liegt auch daran, dass Passagiere meist ausländischen Boden betreten, sobald sie an Bord gehen. Sie seien dann immer den „Behörden ausgeliefert, bei denen das Schiff registriert ist“, sagt Carver. Deshalb erließen die USA 2010 ein Gesetz, das dem FBI und der US-Küstenwache weitreichende Vollmachten ausstellte – die Beamten dieser Behörden können nach dem plötzlichen Verschwinden eines amerikanischen Staatsbürgers auch auf im Ausland registrierten Schiffen Ermittlungen anstellen. Zuvor hatte der US-Abgeordnete Christopher Shays einen Bericht über vermisste Seereisende vorgelegt. Eine Kreuzfahrt, so der Experte damals, sei „der perfekte Weg, um das perfekte Verbrechen zu verüben“. Die Statistik blieb auch 2011 und 2012 düster: 55 Menschen verschwanden. Th. Michael Schweizer, tdt

Th. Michael Schweizer[tdt]

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