zum Hauptinhalt
298323_0_f4148a58.jpg

© Mauritius

Städtereisen: Kultur, wir kommen

Zweit- und Dritturlaub gestrichen? Von wegen. Entgegen den Prognosen sind Städtetrips weiter gefragt.

Städtereisen boomen. Das ist eigentlich verwunderlich. Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise hatten Experten prophezeit, dass sich viele Deutsche gerade den Zweit- oder Dritturlaub verkneifen werden. Aber nichts da: Städtereiseziele sind beliebt wie eh und je. Sogar Steigerungsraten sind zu verzeichnen. Die Sommerbilanz der meisten Reiseveranstalter ist gerade für die Städtereisen positiv. In der Wintersaison wird das Angebot in diesem Bereich daher noch umfangreicher als im Jahr davor.

„Wir sehen seit zehn Jahren ein kontinuierlich wachsendes Interesse an Städtereisen“, sagt der Tourismusforscher Martin Lohmann aus Kiel, der die Daten für die jährliche „Reiseanalyse“ erhebt. Das tatsächliche Buchungsverhalten der deutschen Urlauber entspreche dem auch. Allerdings gehört Lohmann zu denjenigen, die schon seit Jahresanfang darauf hinweisen, dass im Tourismus die Nachfrage nach Kurz- und Städtereisen durch die Wirtschaftskrise gefährdet ist.

„Natürlich hat niemand schon zu Jahresanfang beschlossen, diesmal lassen wir die Städtereisen sein“, schränkt Lohmann ein. „Die Konsumfreude ist ja auch in anderen Bereichen nicht gesunken. Solange das eigene Portemonnaie nicht betroffen ist, hält das an.“

Etliche Veranstalter sehen gerade bei den Städtereisen deutliche Zuwächse. Sie profitieren von einer Entwicklung, die für die Zielorte jedoch eher unschön ist: „Die Städte haben zwei große Probleme“, sagt Martin Katz, Ameropa-Geschäftsführer in Bad Homburg. „Zum einen gibt es viel weniger Geschäftsreisende, zum anderen bleiben die ausländischen Gäste weg.“ Und deswegen purzeln die Hotelpreise.

Die Veranstalter können ihre Städtereisen nun oft günstiger anbieten und machen damit einen guten Schnitt: Ameropa, der vor allem Hotels in Kombination mit Bahnanreisen vermarktet, verzeichnet Katz zufolge einen „Zuwachs im deutlich zweistelligen Bereich“. „Pluszahlen für den Sommer im unteren zweistelligen Bereich“ gibt es zum Beispiel für die Städtereisen bei FTI aus München. „Für eine Städtereise kann man sich auch kurzfristig entscheiden“, sagt Sprecherin Ulrike Schäfer. Wer noch gegrübelt hatte, ob er sich das leisten könne, schlage zu, wenn er merke, dass das Angebot stimme.

Auch Marktführer Tui legt nach: Fast 1000 Hotels in 114 Städten sind im neuen Winterkatalog zu buchen. Allein in Hamburg stehen 50 Hotels davon. Bei Tui ist die Hansestadt das Städtereisenziel Nummer eins, noch vor Berlin, Rom oder Paris. Außerdem bleiben Gäste länger – 1996 waren es noch 2,6 Nächte im Schnitt, im vergangenen Jahr schon 3,7. Und sie lassen sich das auch mehr kosten: Von 180 Euro stiegt der Umsatz pro Person auf 340. Und die Touristen buchen mehr Zusatzleistungen, für das Abendprogramm zum Beispiel. „Die einen wollen etwas anschauen, andere Wellness, wieder andere schön essen gehen“, sagt Stoll.

Andere Veranstalter wie Dertour – mit mehr als 1100 Hotels in gut 200 Städten – machen es ganz ähnlich. Das Unternehmen aus Frankfurt am Main hat ebenfalls einige neue Ziele, von Duisburg und Trier bis Istanbul oder Pec in Ungarn, für den neuen Katalog im Winter angekündigt. Bei Dertour finden sich darin auch mehr als 20 Musicals in Städten von Essen bis London. Und für die europaweit mehr als 400 Veranstaltungen gibt es auf der Webseite des Veranstalters einen „Eventscout“.

Städtereisen zwischen Kiel und Konstanz werden auch bei anderen Anbietern wichtiger: „Deutschland ist absolut im Trend“, sagt Ulrike Schäfer. „Das gilt auch für Ziele, die früher als C-Städte eingestuft worden wären.“ Längst sind Trier, Braunschweig oder Oberhausen im FTI-Katalog zu finden. „Eisenach zum Beispiel hat extrem zugelegt.“ Zum Winter hat der Veranstalter das Deutschlandprogramm ausgebaut und um neue Ziele wie Marburg und Dessau erweitert.

Den Trend sieht auch Daniela Lennartz, bei Neckermann und Thomas Cook Reisen in Oberursel für die Städtereisen verantwortlich: „Wir haben immer mehr kleinere Städte wie Erfurt im Katalog. Die vermarkten sich einfach gut.“ Ameropa- Chef Katz bestätigt das: „Bonn, Bremen, Weimar, Leipzig, Eisenach oder Halle im Händeljahr – Städte, in denen kulturell viel los ist, sind attraktiv.“ Bei Ameropa legen die deutschen Städte überdurchschnittlich zu. „Paris dagegen ist bei uns zweistellig im Minus“, sagt Katz.

Im Ausland sind einerseits die Klassiker wie Rom nach wie vor gefragt. „London boomt“, sagt Ulrike Schäfer – und Reykjavik. Auch Madrid sei in diesem Jahr beliebt – unter den spanischen Städtereisezielen sonst immer hinter Barcelona auf Platz zwei.

Martin Katz ist für 2010 optimistisch: „Der klassische Badeurlaub und die Fernreise werden Probleme haben“, glaubt er. „Die Gruppe, die lieber nur einen Kurz- statt des Haupturlaubs macht, wird größer, besonders in diesen Zeiten.“ Statt zwei Wochen Malediven entscheide sich mancher eher für drei Tage Wellness in Baden-Württemberg.

Zur Startseite