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Fachgespräche unterm Funkturm, das Gütesiegel der Internationalen Tourismus Börse (ITB). Dabei wird es bleiben, doch die Messe möchte auch mehr Publikum.

© ITB

Streit um ITB: Die Welt mit Rabatt

Auf der ITB 2013 soll Urlaub auch verkauft werden. Der Reisebüroverband läuft dagegen Sturm.

Die Versuchung war schon geraume Zeit groß – nun sieht es so aus, als könne die Messe Berlin nicht länger widerstehen: Aus der Internationalen Tourismusbörse (ITB) soll tatsächlich das werden, was es entgegen aller Behauptungen bisher nie war: das „größte Reisebüro der Welt“. Auf der Fachmesse mit angeschlossenen Publikumstagen und entsprechendem Rummel will die Messeleitung vom kommenden Jahr an den Verkauf von Reisen zulassen.

Die Reaktion des im Deutschen Reiseverband (DRV) organisierten Vertriebs ist eindeutig. „Der Verkauf von Reisen auf einer Fachmesse ist für die gesamte Branche von Nachteil – besonders für die Reisebüros“, betont DRV-Vizepräsident Otto Schweisgut. „Wir sind strikt dagegen und haben unseren Standpunkt auch in zahlreichen Gesprächen mit der Messe Berlin erläutert“, sagt der Sprecher des Vertriebs im führenden Branchenverband der Touristik. Denn ließe die ITB den Verkauf offiziell zu, würden viele Anbieter mit aggressiven Messerabatten Kunden locken wollen, befürchtet Schweisgut. „Aufgrund der großen medialen Aufmerksamkeit der Messe würde das zu einer deutschlandweiten Diskussion über Rabatte in der Reisebranche führen, die den Kampf des DRV gegen Rückvergütungen konterkariert“, beklagt er. Trotz der Einwände und Befürchtungen der Reisemittler im DRV halte der Messeausrichter an seinen Plänen fest.

„Die Messegesellschaft macht einen Fehler, für den sie möglicherweise bitter bezahlen muss“, sagt ein Branchenkenner, der nicht genannt sein möchte. „Nur weil ihr keine öffentlichkeitswirksamen Neuerungen für die ITB mehr einfallen, will sie nun an den Publikumstagen mehr Menschen anlocken, die trotz Schnäppchenmentalität dann auch den Eintrittspreis nicht scheuen und so der Messe zu ein paar Euro mehr in der Tageskasse verhelfen. Dass die Messemanager damit große Teile der Branche zugunsten eines relativ geringen Vorteils vergrätzen und mit der Etablierung eines Ramschladens den Ruf der gesamten Veranstaltung aufs Spiel setzen, ist den Betriebswirten im Messehochhaus offenbar schnurz.“

Unverständlich ist der vorgesehene Schritt nicht zuletzt auch deshalb, weil die ITB in der Branche bei Weitem nicht so unangefochten dasteht, wie von der Messegesellschaft stets kommuniziert wird. Nicht allein große Veranstalter wie Tui und Thomas Cook scheuen seit langem die hohen Kosten einer Beteiligung, die „in keiner Relation zum Nutzen“ stehe. Besonders übel stößt vielen Ausstellern auf, dass sie von der Messe dazu „verdonnert“ werden, auch an den sogenannten Publikumstagen noch ihre Stände besetzt zu halten und – natürlich – Standmiete zu zahlen. Wobei die Klagen enttäuschter Besucher über nicht besetzte Stände an den Publikumstagen wohl eher zu- als abgenommen haben. Von Sanktionen gegenüber Ausstellern, die trotz ihrer Verpflichtung, die Stände für das Publikum besetzt zu halten, ist übrigens nichts bekannt.

„Kunden wird suggeriert, der Reisepreis sei verhandelbar“

Zudem gibt es durchaus auch Touristiker aus Übersee, für die ein einziger Messebesuch in Europa ausreicht. Viele ziehen den viertägigen World Travel Market (WTM) in London vor, der als reine Fachmesse ohne „Klimbim und Trara“ auskommt, weniger glamourös, jedoch effektiver und kostengünstiger ist. Zudem ist oft zu hören, der WTM-Termin Anfang November ergebe für die Entscheider der Branche mehr Sinn als der ITB-Termin Anfang März.

An den eigentlichen Charakter der ITB erinnert auch DRV-Vorstand Schweisfurt. Die Veranstaltung sei in erster Linie eine Fachmesse, die dem Austausch, der Kontaktpflege und dem Anbahnen von Geschäften diene, sagt er. „Sie bietet hervorragende Möglichkeiten zur Diskussion über neueste Entwicklungen und aktuelle Themen und setzt alljährlich neue Trends in der Touristik – das ist die Aufgabe einer Fachmesse“, hebt der DRV-Vizepräsident hervor. Die Publikumstage am Wochenende seien hingegen vor allem dazu da, Lust auf Urlaub machen. „Eine fundierte Fachberatung wie sie im Reisebüro möglich ist, kann im quirligen Messetreiben nicht realisiert werden. Und eine Rabattschlacht wäre nicht aufzuhalten“, befürchtet der Vertriebler. „Kunden wird suggeriert, der Reisepreis sei verhandelbar.“ Sie würden kein Verständnis dafür haben, dass auf einer Messe ein Rabatt gewährt werde, den es im Reisebüro nicht geben könne.

Der Vertrieb im DRV ist der Meinung, dass sich die ITB als internationale Fachmesse der Touristik nicht in den Wettbewerb der Marktteilnehmer einmischen sollte, indem sie als Plattform für den Reiseverkauf dient. Die Berliner Messe sei nicht vergleichbar mit den vorwiegend auf Verbraucher ausgerichteten Publikumsmessen wie der CMT in Stuttgart, der Touristik und Caravaning in Leipzig oder der f.re.e in München, bei denen die „Informationsbereitstellung für Verbraucher“ in der Region im Fokus stehe.

Die Messe Berlin hingegen hat bereits vor Monaten die erforderliche Gewerbeanmeldung eingeholt. Umfragen hatten nach Angaben der Unternehmensleitung ergeben, dass sich die Hälfte der Aussteller und Besucher wünschten, dass auf der ITB nicht nur informiert wird, sondern auch Reisen verkauft werden. Das lasse sich „nicht dauerhaft ignorieren“, sagte Messe-Manager David Ruetz gegenüber der Fachagentur tdt aus Frankfurt am Main. Noch müssen allerdings diverse Gremien bei der Messegesellschaft den entscheidenden Schritt absegnen.

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