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Blitzeblank muss Arturos Oldtimer sein, wenn Gäste kommen. Die chauffiert der Kubaner gegen gutes Geld durch die Altstadt von Havanna.

© Martin Cyris

Kuba: Keine Lust auf Burger und Reklame

Die Urlaubsflieger nach Kuba sind voll. Viele Deutsche wollen noch hin, bevor die Amerikaner kommen.

Arturo putzt sein Baby: Einen amerikanischen Oldtimer, Baujahr ’54. Mit einem weichen Tuch poliert er den Lack des roten Autos auf Hochglanz. Die verchromte Stoßstange blitzt in der prallen Sonne. Das Vehikel steht nun picobello da, was in Kuba bei Weitem nicht von jedem Fahrzeug behauptet werden kann.

Arturo verdient sein Geld mit nostalgischen Stadtrundfahrten durch Havannas Altstadt. Für 30 CUC die Stunde, derzeit fast 30 Euro. Die Geschäftstüchtigen wappnen sich also für einen möglichen Ansturm US-amerikanischer Touristen. Seit dem Handschlag zwischen US-Präsident Barack Obama und Kubas Staatschef Raúl Castro ist der Tourismussektor in Kuba in Aufruhr. Die erweiterten Einreisemöglichkeiten für US-Bürger bewirkten bereits einen behutsamen Anstieg von Touristen aus den Vereinigten Staaten.

Doch das politische Tauwetter hat derzeit einen anderen unerwarteten Effekt: Kuba wird momentan vor allem von Touristen aus Europa besucht. Aus Deutschland reisten im ersten Quartal 23,3 Prozent mehr Gäste an, aus England sogar über 30 Prozent. „Kuba steht momentan stark im Fokus unserer Kunden“, sagt Carsten Sasse, Verkaufsleiter bei Condor für Lateinamerika und Karibik, „unsere Maschinen sind voll.“

"Schnell hin, bevor die Amis kommen"

Nur mit der Einstellung „schnell noch mal das alte Kuba sehen“ sind die sprunghaften Zuwächse von Ankünften aus Europa zu erklären. Condor etwa stockt die Flugverbindungen von Deutschland nach Kuba ab November von derzeit 12 Flügen pro Woche auf 14 auf. „Wir verfolgen die Nachrichten eher mit gemischten Gefühlen“, sagt ein Urlauber aus Rheinland- Pfalz. Mit seiner Familie hat er den Pfingsturlaub am Strand von Santa Lucia im Osten Kubas verbracht.

„Im Hinterkopf geistert der Gedanke herum, wie sich Kuba wohl verändern wird, wenn erst die Amerikaner einfallen.“ Ein Schweizer Tourist aus Luzern meint: „Mir gefällt das gar nicht. Das Besondere an Kuba ist ja gerade, dass es hier keine amerikanische Reklame gibt und kein amerikanisches Fastfood wie Burger.“ Er wolle nicht, dass Kuba seine Authentizität verliert.

„Bei Europäern herrscht derzeit fast so etwas wie Torschlusspanik“, sagt Matthias Apel, der auf Kuba deutsche Firmen vertritt, auch im Tourismussektor. Es herrsche das Gefühl „schnell noch hin, bevor die Amis kommen“. In Havanna sei es mitunter schwierig, ein vernünftiges Hotelzimmer zu bekommen.

Der Karibikstaat knackte schon im März die Eine-Million-Marke bei ausländischen Besuchern. In den vergangenen Jahren wurde diese Zahl erst im Mai erreicht. Auf der jährlichen Tourismusmesse FitCuba wurden im Mai eine ganze Reihe von neuen Projekten vorgestellt: Hotels der gehobenen Kategorie, Golfplätze, Jachthäfen. Zudem sollen sämtliche Terminals der internationalen Flughäfen Kubas modernisiert werden.

Das Land rüstet sich für einen weiteren Ansturm. „Wir wünschen uns mehr Gäste aus den Vereinigten Staaten“, verkündet Tourismusminister Manuel Marrero Cruz. Zum allerersten Mal in der Geschichte waren auf der FitCuba auch Reiseveranstalter aus dem einstmals verfeindeten Land vertreten.

Alle wollen ins Floridita

Kubas Wirtschaft hat Devisen bitter nötig. „Ein besseres Verhältnis zu den USA wäre die Lösung all unserer Probleme“, sagt Raúl, ein Taxifahrer, „ich hoffe auf mehr amerikanische Besucher.“ Doch bis sie kommen, könnte es noch eine Weile dauern. Denn trotz erleichterter Einreisebedingungen sind US-Bürgern Reisen nach Kuba zum puren Vergnügen noch immer nicht möglich. Visa werden zur Zeit zum Beispiel erteilt für Studien- und Forschungszwecke oder für Familienbesuche.

Manche finden dennoch ein Schlupfloch. Etwa Sheryl und Kim. Die beiden Touristinnen von der US-Westküste flanieren durch die Calle Obispo. Auf dem Einkaufsboulevard zeigen sich immer mehr Passanten mit der US-Flagge auf T-Shirts und Basecaps. Die beiden jungen Frauen wollen ins Floridita. Die legendäre Bar kennt fast jeder US-Tourist. Weil Ernest Hemingway dort über Jahre seinen Daiquiri zu trinken pflegte und die Bar in einem Zitat verewigte. Der Schriftsteller lebte lange auf Kuba.

Wie sie auf die Karibikinsel gelangten verraten Sheryl und Kim nicht. Auch wollen sie sich nur von hinten fotografieren lassen. „Es wäre schön, wenn wir dieses Versteckspiel in Zukunft nicht mehr nötig hätten“, sagt Sheryl, „wir lieben Kuba, es ist so aufregend.“

Die größten Chancen, in Havanna US-Touristen zu treffen, bestehen im Floridita. „Ein Besuch bei uns ist für Amerikaner ein Muss“, sagt einer der Barkeeper. Er füllt im Akkord eiskalte Drinks in Gläser, vor allem Daiquiri. Die Bar ist schon jetzt zu jeder Tages- und Nachtzeit gut gefüllt. Trotzdem fiebert er vermehrtem Besuch aus den USA entgegen: „Weil Amerikaner gutes Trinkgeld geben.“

Das "alte" Kuba sehen

Weniger berühmte Bars und Restaurants müssen um Gäste kämpfen. Seit die sozialistische Regierung Kubas vor wenigen Jahren das Betreiben von privat geführten Restaurants, den sogenannten Paladares, erleichtert hat, schossen Gastronomiebetriebe geradezu aus dem Boden. „Bei uns ist jeder willkommen, egal ob Amerikaner, Deutscher oder Chinese“, sagt Luis Alberto Gamez vom Paladar Los Mercaderes, untergebracht in einem Prachtbau aus Kolonialzeiten.

Vor zwei Jahren hat Gamez mit seinem Cousin und dessen Frau den Betrieb eröffnet. Man fühlt sich in eine spanische Bodega versetzt. Die Renovierung der einstmals maroden Gemäuer hat drei Jahre gedauert – und viel Geld verschlungen. Höherer Umsatz mithilfe von US-Gästen käme dem Gastronomentrio gerade recht.

In der Nachbarschaft des Paladars sind dagegen noch immer viele Gebäude dem Verfall preisgegeben. Der morbide Charme Havannas ist legendär und für viele Hauptgrund für eine Kubareise. Wer sich unter europäischen Touristen umhört, vernimmt häufig Bedenken gegen einen vermeintlichen amerikanischen Kulturimperialismus in Kuba. Und damit womöglich omnipräsente US-Attitüden wie in manchen Regionen der Welt. Nicht wenige wollen das „alte“ Kuba sehen. Motto: Erbarmen, zu spät, die Amis kommen.

Doch nicht jeder versteht die Angst der Europäer. „Die Annäherung ist eine kleine Öffnung, kein Umsturz“, sagt Anailis Rubacaba von der Hotelgruppe Iberostar. Für das Unternehmen wäre vermehrter US-Tourismus in Kuba freilich ein lohnenswertes Geschäft. „Doch keine Sorge, Kuba wird sein Gesicht nicht verlieren“, sagt Anailis Rubacaba. Diese Revolution könnte also ausbleiben.

Martin Cyris

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