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Lichtstrahl ins Dunkel. Über hundert Jahre lang wurde im Bergwerk Nuttlar im Sauerland Schiefer abgebaut. Jetzt können Höhlentaucher das spannende Stollenlabyrinth erforschen.

© Oliver Franke/picture alliance/dpa

Tauchen: Schweben in Türkis

In einigen deutschen Bergwerken kann man sich auch auch unter Wasser umsehen. Taucherfahrung wird dabei vorausgesetzt.

Schon der Weg zum Tauchplatz erinnert so gar nicht an Urlaubstauchen im Meer: Es ist dreckig, dunkel und laut. Über eine Strecke von rund 800 Metern rattert die Grubenbahn immer tiefer in den Berg. Feuchter, kalter Fahrtwind weht einem ins Gesicht, die Tunnelwände rauschen vorbei. Eine gute Gelegenheit, in sich zu gehen: Wie kommt man aus der Nummer jetzt wieder raus? War das wirklich eine so gute Idee, in einem Bergwerksstollen tauchen zu wollen, rund 90 Meter tief unter Tage?

Diese Frage erübrigt sich schon Minuten später: Wir stehen in der Kaverne, einem hallengroßen, schräg abfallenden Raum des Bergwerks. Den unteren Abschnitt hat das Grundwasser geflutet, nachdem die Pumpen abgeschaltet wurden. Im Licht der installierten Scheinwerfer leuchtet es – so türkis, so rein und intensiv, dass jegliche Zweifel wie Seifenblasen platzen. Welcher Taucher will da eigentlich nicht rein?

Der Blaue Lagune genannte Untertagesee im Besucherbergwerk Kleinenbremen bei Porta Westfalica ist eines der klarsten Tauchgewässer Deutschlands. Wenn wochenlang kein Flossenschlag Sediment aufgewirbelt hat, keine Luftblasen Partikel von der Decke gelöst haben und selbst kleinste Schwebeteilchen zu Boden gesunken sind, ist das Wasser rein wie ein Mineralquell. „Weit über hundert Meter kann man dann schauen“, sagt Tauchlehrer Trevor Barritt, der seit mehreren Jahren Tauchgruppen in den Bergwerksstollen führt.

Schwerelos wie ein Astronaut

Andere Taucher scheinen darin wie im Nichts zu schweben. Sie erinnern an die schwerelosen Astronauten im All. Das Licht ihrer Handlampen durchschneidet die Dunkelheit messerscharf, bis es nach zehn oder 20 Metern auf die rostfarbenen Wände trifft. Der Blick in einen nach unten führenden Abschnitt des Bergwerks verliert sich mit den Lichtstrahlen irgendwann in der Dunkelheit.

Trotz dieser sensationellen Sichtweiten hat das Tauchen hier mit anfängerfreundlichem Tauchspaß nichts gemein: Die Temperatur des Wassers beträgt ganzjährig sieben bis acht Grad Celsius. Es spielt also keine Rolle, ob man im Frühjahr, Herbst oder gar im tiefsten Winter untertauchen möchte.

Immer aber gilt: Erfahrung ist ein Muss. „Wir achten sehr genau auf die Ausrüstung und den Ausbildungsstand unserer Schützlinge“, sagt Trevor Barritt. Wer keine kaltwassertaugliche Ausrüstung besitzt und den Umgang mit einem Trockentauchanzug nicht sicher beherrscht, werde im Areal nicht zugelassen. Barrit verlangt zudem, dass jeder Teilnehmer die Erfahrung von mindestens fünfzig Tauchgängen, eine ärztliche Tauchtauglichkeitsbescheinigung und eine Tauchunfallversicherung vorweisen kann.

Für Anfänger eignet sich Ibbenbüren

Anders als im vorderen Bereich ist das Auftauchen in den hinteren Abschnitten der Blauen Lagune nicht möglich. Wer die Strecke durchtaucht, einen etwa zweieinhalb Meter breiten, gut zwei Meter hohen Quergang, der in 20 Meter Tiefe unterhalb der Kaverne liegt und mit ihr durch gelegentliche Öffnungen in der Decke verbunden ist, macht bereits Höhlentauchen. Dazu gehört schon einiges an Können. Taucher, die Erfahrung im Nacht- und Wracktauchen haben, sollten die 70 Meter lange Strecke jedoch problemlos durchtauchen können.

Eine Herausforderung anderer Art liegt darin, es überhaupt samt Tauchausrüstung bis hier unten zu schaffen: Weil nur einmal im Monat Taucher ins Bergwerk dürfen, ist die Warteliste lang. „Wer sich jetzt anmeldet, kann frühestens 2016 ins Wasser“, erklärt Barritt.

Das Besucherbergwerk Kleinenbremen ist eines von inzwischen sechs Bergwerken in Deutschland, in denen regelmäßig getaucht werden darf.

In die Welt des Höhlentauchens reinschnuppern können erfahrene Sporttaucher ebenfalls im Schieferbergwerk Nuttlar im Sauerland und in den Felsendomen Rabenstein in Sachsen. In der Nähe dieser beiden Bergwerke befinden sich weitere Bergwerke für Taucher, die jedoch ausschließlich zertifizierten Höhlentauchern vorbehalten sind: die Schiefergruben Christine und Brilon in Willingen (Hessen) und das Bergwerk Miltitz in Meißen (Sachsen).

An vielen Standorten bieten die Betreiber international anerkannte Höhlentauchkurse an. Besonders beliebt bei Unterwasser-Entdeckern sind etwa die Grottensysteme in Mexiko. Erste Versuche in Deutschland kann man im Natura Gart Tauchpark starten. Der befindet sich bei Ibbenbüren in Nordrhein-Westfalen. Wer das Tauchen lernen will, kann sich in Berlin an verschiedene Schulen wenden. dpa/mit Tsp

Arnd Petry

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