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Lockvogel Traumhotel. Die Karte im Briefkasten mag Begehrlichkeiten wecken – doch Papier ist bekanntlich geduldig.

© PA/Arco images

Unlautere Angebote: „Sie haben gewonnen!“

Reisen sind beliebte Prämien bei umstrittener Werbepost. Reagiert der Empfänger, zahlt er meist drauf.

Die bunten Briefe oder Postkarten verheißen Bares, Smartphones, besonders gern allerdings auch Traumurlaube. „Herzlichen Glückwunsch. Sie haben gewonnen!“, springt es dem Empfänger beim Öffnen des Briefkastens entgegen. Skeptikern wird entgegengehalten: „Kein Scherz“ oder „100 Prozent echt!“. Weil der vermeintliche Gewinner erst mittlere bis größere Summen zahlen muss, bevor er erfährt, was ihn erwartet, sprachen Verbraucherschützer schon immer von Abzocke. Nun bestätigte der Europäische Gerichtshof jüngst in Luxemburg: Derartige Werbung oder Versprechen sind nicht erlaubt (Aktenzeichen: C-428/11).

Das gelte für Zusendungen, die Adressaten damit locken wollen, sie hätten bereits gewonnen, obwohl der Preis „von der Zahlung eines Betrags oder der Übernahme von Kosten durch den Verbraucher abhängig gemacht wird“, argumentierten die Richter in ihrem 15-seitigen Urteil. Etwa wenn der Gewinner dafür telefonieren, SMS verschicken oder sonstige Gebühren zahlen muss.

Die aggressiven Werbepraktiken sind auch dann verboten, so das Gericht, „wenn die dem Verbraucher auferlegten Kosten, wie die Kosten einer Briefmarke, im Vergleich zum Wert des Preises geringfügig sind“. Das Gleiche gilt sogar, wenn eine der Kontaktmöglichkeiten sehr billig oder kostenlos ist.

Im konkreten Fall hatten mehrere Firmen 2008 in Großbritannien persönliche Briefe, Rubbelkarten und andere Werbebeilagen verschickt oder verteilt. Den Empfängern sei ein Gewinn bereits sicher, hieß es darauf. Angekündigt wurden wertvolle Prämien wie eine Kreuzfahrt, eine „Schweizer Uhr“ oder auch mal kleinere Preise.

Durch gezielte Verweise wurde „der Verbraucher dazu bewegt, eine teurere Variante als den Postweg zu wählen“, kritisierte das Gericht. Zudem habe der Gewinner nicht erfahren, dass die Telefongebühren zum großen Teil an die Werbefirma gingen – von umgerechnet 1,85 Euro pro Minute flossen 1,49 Euro direkt in die Kasse der Verteiler der „Sie haben gewonnen“-Briefe.

99 Prozent der Gewinner hätten zudem Anspruch auf einen Preis, dessen Wert lediglich den Telefongesprächen oder bestimmten Lieferkosten entsprach. Für die sogenannte Schweizer Uhr etwa – in Wirklichkeit ein einfaches japanisches Fabrikat – hätte der Gewinner umgerechnet 22 Euro für Telefon, Versicherungs- und Versandkosten sowie Briefmarken hinblättern müssen.

Die dreitägige Kreuzfahrt von Italien nach Korsika in einer Vierbettkabine hätte 399 britische Pfund (umgerechnet etwa 490 Euro) gekostet: für Fahrtkosten, Hafengebühren und Verpflegung. Bei diesen Lockangeboten geht es den Firmen nur darum, an die Daten der Menschen zu kommen: entweder, um ihnen gezielt Werbung zuzusenden oder um die Informationen weiterzuverkaufen.

Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft zeigt sich wenig überrascht und verweist auf unterschiedliche Werbemethoden in Europa. „Großbritannien ist nicht Deutschland“, sagt Sprecher Volker Nickel. „Wenn sich Kosten oder Tricks in Angeboten verbergen, ist das schon heute nicht erlaubt.“ Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verbiete diese Methoden. „Schwarze Schafe“ gebe es allerdings in jeder Branche. Daher begrüße er grundsätzlich das Urteil, „das die Rechtslage präzisiert“.

Ob die Briefkästen in der ganzen EU nun frei von Gewinnversprechungen bleiben, muss sich erst zeigen. Vorausblickend betonte der Europäische Gerichtshof: Über einzelne Fälle müssten die nationalen Gerichte entscheiden.

Das vollständige Urteil finden Sie unter: http://dpaq.de/IXzYn

Andreas Rabenstein

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