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Ja, wo gibt's denn so was? Dieses Alpenpanorama genießt der Wanderer nahe Seeg in Bayerisch-Schwaben.

© Karl Josef Hildenbrand, dpa

Urlaub in Deutschland: Ins rechte Licht gerückt

Wer zwischen Rügen und Raffelspitze Ferien macht, wird zuweilen als hinterwäldlerisch angesehen. Warum eigentlich?

Am Urlaub in Deutschland scheiden sich die Geister: müdes Lächeln bei den einen, strahlende Gesichter bei den anderen. Gleichwohl: Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Beliebtestes Reiseziel der Deutschen ist Deutschland. Doch was heißt beliebt? Es ist halt immer so eine Sache mit Zahlenwerken oder auch Umfragen. Sie sagen viel, gleichwohl längst nicht alles. Man könnte sagen: Da für Otto Normalverbraucher ein „Traumurlaub“ auf Hawaii oder Fidschi aus finanziellen Gründen weiter entfernt liegt als der Mond, bleibt ihm eben nur Lüneburger Heide oder Harz. Moment mal! Und was ist verkehrt daran, die beiden Klassiker des Tourismus neben anderen Regionen wie Thüringer Wald, Altmark oder Altem Land ebenso toll zu finden wie Toskana oder Tirol? Hätte jeder Geld genug, den Urlaub anzutreten, den er sich erträumt, blieben dann etwa die Ferienbetten in deutschen Landen auf Dauer kalt?

„Es ist das Image, Dummkopf“, möchte man in Abwandlung eines Wahlkampfslogans von Bill Clinton („The economy, stupid“) sagen. Ja, Heide und Harz, Altmark und Altes Land stehen in einer sich ach so weltläufig gebenden Reisegesellschaft als ziemlich altbacken, langweilig, verschnarcht da. Woran liegt’s? Die wahrhaft blühende Landschaft zwischen Lüneburg und Celle zum Beispiel war immerhin einst beliebte Urlaubsregion von Familien, Ausflugsziel nicht zuletzt für West- Berliner zu Mauerzeiten. Vorbei. Oder zumindest arg reduziert.

Dabei hat sich die Landschaft nicht verändert, liegt heute ebenso romantisch da wie vor 40 Jahren, als mit der Heide auch der Tourismus blühte. Verändert hat sich die Gesellschaft, deren Ansprüche angeblich gewachsen sind beziehungsweise bei der gewisse Begehrlichkeiten geweckt wurden. Vor allem Billigflieger lassen grüßen. Doch welche Bedürfnisse wollen befriedigt sein, die eine Region wie die Lüneburger Heide – hier stellvertretend genannt für andere Regionen – nicht vorzuweisen hat? Sehenswerte Klöster und Kirchen, interessante Museen und Schlösser, saubere Seen und Flüsse, spaßige Freizeitparks, gepflegte Golfplätze, Wellness in vielen Variationen, beste Möglichkeiten auch für Radler und Wanderer sowie regionale Küche, falls jemand dafür ein Faible entwickelt hat – Himmel hilf, was muss dem Urlauber noch geboten werden?

Fast alles ist da - es hapert nur am Marketing

Hier blüht dem Besucher was: sommerliche Lüneburger Heide. Foto: Superbild
Hier blüht dem Besucher was: sommerliche Lüneburger Heide. Foto: Superbild

© Your_Photo_Today

Die Unterkunft sei ein ganz entscheidender Faktor für die Wahl eines Urlaubsorts, ist zumindest oft den diversen Umfragen zu entnehmen. Zugegeben, an Fünf-Sterne-Häusern mangelt es der Heide, einzig der „Fürstenhof“ in Celle glänzt in der Randlage der Südheide. Doch sonst? Fast alles da, vor allem viele Unterkünfte, die in ihren jeweiligen Kategorien angemessen komfortabel und bezahlbar sind. Auch für Familien. Und es ist ja nicht so, dass es nichts zu erzählen gäbe nach der Rückkehr aus dem Heideurlaub. Es sei hier mal die Behauptung aufgestellt: In einer Woche Heide gewinnt jeder mehr Eindrücke, von denen er lange zehren kann, als in 14 Tagen in einem Alles-inklusive- Hotel bei Antalya oder auf Gran Canaria.

Aber das Wetter! Keine Frage, ein definitiver Nachteil, dass es weder sommers noch winters nirgendwo in Deutschland möglich ist, bei 40 Grad im Schatten zu schmoren.

Mangelnde Exotik! Auch da müssen die Werber deutscher Ferienregionen klein beigeben: Interessante Teppichfabriken, die zu besichtigen sind, und anschließende Verkaufsgespräche, bei denen der Gast über Stunden kostenfrei Tee trinken darf – Fehlanzeige. Nicht einmal Engländer sind aufzutreiben, mit denen man sich um eine Poolliege raufen könnte.

Lüneburger Heide, Fichtel- oder Erzgebirge, Bayerischer oder Pfälzer Wald – kann man doch keinem erzählen, dass man dort Urlaub gemacht hat! Zugegeben, zwar ist es überall schön, allein das Image fabriziert oft einen imaginären Grauschleier. Dass es mancher deutschen Ferienregion nicht gelingt, sich ins rechte Licht zu setzen, ist in der Tat bedauerlich. Landstriche, die nur still und schweigend daliegen und wo sich Gastronomie / Hotellerie wegen der nicht so rasenden Nachfrage auch preislich im Rahmen halten – in dieser Hinsicht also keinen Gesprächsstoff liefern –, rutschen halt schnell in die Kategorie „Urlaub für Minderbemittelte“. Völlig zu Unrecht. Es hapert nur am Marketing und in Folge daran, dass es zu Wenige gibt, die hinfahren und Freunden, Bekannten, Kollegen davon erzählen. Wobei natürlich das Eine das Andere bedingt.

Ecken mit dem Glitterfaktor

Alle müssen raus! Beginn der Strandkorbsaison an der Ostsee.
Alle müssen raus! Beginn der Strandkorbsaison an der Ostsee.

© Bernd Wüstneck, dpa

Selbstverständlich findet sich auch das vermeintlich besonders Schicke in deutschen Landen, wo die Gäste über Thailand- und Türkeiurlauber eher abfällig sprechen. Wenn überhaupt. Bestes Beispiel ist Sylt, klar. Ein Eiland von mehreren in einer veritablen Nordseeinselreihe, und doch erzeugt nur Sylt den Neidfaktor, weil das Image „reich und schön“ seit Gunter Sachs’ Zeiten hübsch gepflegt wurde. Baltrum und Wangerooge: Kategorie „Geheimtipps“, weil sie kaum von sich reden machen. Ähnlich wie Amrum oder Föhr. Spiekeroog sonnt sich noch immer in dem Licht, das die Besuche von Johannes Rau samt Familie auf die Insel warfen. Und Langeoog vermochte sich als „Sportinsel“ zu positionieren, solange Volker Finke beim Bundesligist SC Freiburg auf der Trainerbank saß, er seine Kicker zur Saisonvorbereitung auf der Insel laufen ließ und der Coach oft in einem Langeooger Strandkorb abgelichtet wurde.

Als nobel gelten auch manche Ecken im Alpenvorland, vornehmlich weil sie von der Münchner Schickeria (ohne Kitzbühel-Residenz) mit dem Glitterfaktor versehen werden. Herrliche Natur, freundliche Menschen und eine gute Gastronomie sowie ein ordentliches Bett findet sich hingegen überall in deutschen Landen. Prinzipiell muss man sich nur zwischen nördlich und südlich des Weißwurstäquators entscheiden.

Damit kein falscher Zungenschlag entsteht: Reisen in ferne Länder sollte jeder. Unbedingt sogar, wenn es gesundheitlich und finanziell eben machbar ist. Das erweitert vor allem den geistigen Horizont, sorgt für ein wenig Demut und – man mag es glauben oder nicht – auch für mehr Respekt gegenüber der oft gescholtenen Bürokratie hierzulande, die dazu beiträgt, dass Dinge im Alltag wesentlich besser funktionieren als anderswo.

Doch für einen erholsamen Urlaub – Zeit also, in der man mit Partner, Familie, Freunden entspannt beisammen sein, gleichzeitig den berühmten Effekt des „Tapetenwechsels“ erleben und neue Kräfte für den Alltag sammeln kann – bedarf es keinesfalls langer Flugreisen oder gewaltiger Autotouren. Müde Lächelnde beim Thema Urlaub in Deutschland würden zufrieden strahlen – wenn sie es denn mal probierten. So wie die (schweigende) Mehrheit, die längst das Land zwischen Rügen und Raffelspitze entdeckt hat.

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