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Verkehrsstau adé. Hier passiert die Bahn in flottem Tempo die Werrabrücke Oberrieden. Foto: Wolfgang Klee, DB

© DB Systel GmbH

Urlaub ohne Stau: Guten Morgen, Alessandria

Gepäck ohne Ende, Biker und Nana Mouskouri: Eine Familienreise nach Italien – mit dem Autozug.

Zumindest Nana-Mouskouri-Fans im Liegewagen sind beglückt, wenn es pünktlich um 8 Uhr morgens aus dem Bordlautsprecher tönt: „Guten Morgen, guten Morgen, guten Morgen Sonnenschein.“ Schon bald wird der Autozug, von Berlin-Wannsee kommend, in den Bahnhof des norditalienischen Alessandria einrollen. Und schon wenige Minuten nach dem Weckruf durch die griechische Sängerin serviert der Schaffner Kaffee und Brötchen. Besser kann ein Urlaub kaum beginnen. Gut, es waren immerhin mehr als 20 Stunden Bahnfahrt zu überstehen. Doch bis zum eigentlichen Zielort Levanto, am Tor der Cinque Terre, sind es jetzt nur noch drei Stunden Autofahrt.

Start der Reise: Sonntag, Terminal Berlin-Wannsee, 13 Uhr 17. Es empfiehlt sich, gut anderthalb Stunden vorher da zu sein. Bis zur Ankunft am Montag um 9 Uhr 50 ist es ein langer Ritt. Andererseits, mit den eigenen vier Rädern auf der Autobahn im Stau auf der A 9 oder am Brenner zu stehen – da ist der Spaß auch sehr begrenzt, insbesondere, wenn man mit kleinen Kindern reist. Und Fliegen ist heute ja auch nicht mehr unbedingt vergnügungssteuerpflichtig, von Umweltaspekten mal ganz abgesehen. Alle Zubringer- und Verweilzeiten sowie Mietwagenpreise rund um die Flugreise addiert, rechnet sich die Entscheidung für einen Tag im Autozug schon, insbesondere für Kleinfamilien. Mal abgesehen von der Wiederentdeckung der Langsamkeit des Reisens, den schönen deutschen Orten Bad Soden, Eichenberg oder Witzenhausen, die abseits bekannter ICE-Strecken vom Abteilfenster aus zu bestaunen sind.

Seit 2001 ist der Autozug der Deutschen Bahn (DB) am Start, verbindet Europa kreuz und quer auf rund 3,5 Millionen Kilometern. Im Winter 2011/2012 mit 58 Verbindungen, in diesem Sommer mit 70 Strecken innerhalb Deutschlands sowie nach Frankreich, Österreich und Italien. Ob Berlin–München, Berlin–Verona, Berlin–Triest, Düsseldorf–Bozen, Hamburg–Narbonne oder Hamburg–Lörrach – laut Bahn-Sprecherin waren im vergangenen Jahr 28 500 Reisende mit dem Autozug unterwegs und so immerhin 136 000 Pkws beziehungsweise Motorräder weniger auf der Straße.

Keine Maut, ausgeruht ankommen, Mobilität im Feriengebiet mit eigenem Fahrzeug, kein Materialverschleiß, keine zusätzlichen Übernachtungskosten – Argumente für diese Art Fortbewegung liegen auf der Hand, wenn man sich unter den Fahrgästen im Zug nach Alessandria umhört. Manche wählen für ihren Urlaub die gemischte Variante. Eine Tour mit dem Autozug, zurück im Auto mit zwei, drei Übernachtungen in schönen Städten wie Bozen, München, Freiburg oder Passau, je nach Route.

In Wannsee an der Verladestation stehen auffallend viele Motorräder und Oldtimer. Hauptzielgruppen des Autozugs sind laut DB: die Generation 50plus, Familien, Motorradfahrer, Cabriobesitzer. Viele hier kennen das Prozedere: zügiger Check, Einweisung durch das Personal, Manövrieren auf der engen Doppelebene der Transportwaggons – höhere Wagen nach oben–, raus mit dem kleinen Handgepäck für eine Nacht. Dann geht’s in die Liegewagen. Abfahrt in dreißig Minuten. Das Kind hat in den Nachbarabteilen längst Spielkameraden gefunden.

Ein Zuviel gibt’s nicht

Oropax nicht vergessen. Im Abteil finden bis zu sechs Schläfer Platz.Foto: Hansjörg Egger, DB
Oropax nicht vergessen. Im Abteil finden bis zu sechs Schläfer Platz.Foto: Hansjörg Egger, DB

© DB Systel GmbH

Was gehört ins Reise-Handgepäck? Kühltasche mit Trinkbarem, Stullen, Obst, Kekse, eventuell Jogurt; für die Kleinen MP3- oder DVD-Player (Akku laden, im Abteil fehlen Steckdosen, W-Lan sowieso), Bücher, Spielzeug. Ein Zuviel gibt’s nicht. Es ist vorher und nachher ja nicht weit zum Auto. Vergessen ist jedenfalls der Flughafen mit langen Wegen und Wartezeiten.

Frische Kissen und Bettbezüge liegen auf den obersten der wahlweise vier oder sechs Liegen im Abteil, die zur Nacht auszuklappen sind. Okay, der Waschraum am Wagenende könnte größer sein, aber so ein Zug ist nun mal nur knapp 2,50 Meter breit. Wer eine eigene Waschgelegenheit oder Dusche haben möchte, sollte die Schlafwagen-Option wählen. Einige günstige „Autozug-Spezial“-Preise für 99 Euro europaweit liegen vorab fest (allerdings zu diesem Preis dann im geteilten Liegewagen). Ansonsten gelten die regulären Preisstufen: Vor- und Nachsaison, Zwischensaison, Hauptsaison.

Bei der gespannt erwarteten nächtlichen Romantik im Liegewagen ist das so eine Sache. Oropax im Handgepäck ist nicht verkehrt. Es sei denn, die Reisenden haben ein ausgeprägtes Faible für Schienengeräusche, das eine oder andere Knarzen oder Gerumpel am frühen Morgen, wenn beim längeren Halt die Lokomotive gewechselt wird. Quietschende Achsen – so sei’s halt in den bergigen Kurven der Alpen, erklärt der Schaffner. Naja, ein paar Liter Öl könnten bei der älteren DB-Baureihe vielleicht Wunder wirken. Zudem dürften Menschen über 1,90 Meter Schwierigkeiten mit der Liegefläche, demzufolge mit der Nachtruhe haben. Und wieso eigentlich Wecken mit Nana Mouskouri? Trotzdem, alles in allem ein entspannter Urlaubsbeginn, vor allem für den potenziellen Fahrer.

Schöner noch als Autozug ist natürlich – ankommen. Nach 20 Stunden im Zug sind es von Alessandria in die Cinque Terre knapp drei Autostunden. Im malerischen Levanto ist die noch recht neue, in den ligurischen Felsen gebaute Vier-Sterne-Parkanlage Hotel Argento keine schlechte Wahl. Pool, Kräuterduschen, ayurvedische Massagen – und ein richtiges Bett, ein Segen nach der Nacht im Autozug und vor den geplanten Wanderungen.

Für die Rückfahrt Alessandria–Berlin braucht es leider etwas mehr Nerven. Abfahrt ist ebenfalls montags, 17 Uhr 41. Zur Fahrzeugverladung ruft die Bahn am Terminal ab 14 Uhr 30, was bei 30 Grad im Schatten stressig werden kann. Ein dickes Lob der reizend-rustikalen DB-Einweiserin, die ein deutlich zu spät gekommenes Paar kulant in den Zug schleust.

Wer eine Reise im Autozug plant, kann sich auf der Internetseite (siehe unten) preislich orientieren. Doch die Webseite hakt an vielen Stellen und liefert oft ungereimte Auskünfte. Schlimmer ist noch das kostenpflichtige „Service“telefon der Bahn. Nervtötende Menüansagen, die nicht nur nicht zum Ziel führen, sondern auch noch ins Geld gehen. Empfehlung: Gehen Sie in ein Reisebüro. Frühzeitig vor der Reise, denn der Autozug erfreut sich großer Beliebtheit.

Auskunft und Buchung im Internet:

www.dbautozug.de

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