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Transparenter Pool. Dieser befindet sich auf dem Dach eines Hotels in Buenos Aires – in jedem Fall fünf Sterne verdächtig. Foto: Reuters

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Was steht in den Sternen?: Franzosen erwarten ein Bidet

Sterne, Sonnen, Krönchen und Sombreros: Hotels werden international ganz verschieden bewertet.

Der Ärger saß tief: Mit vier Sternen bewarb der Reiseveranstalter das Hotel in Florida. Doch vor Ort war von gehobenem Standard wenig zu merken: völlig veraltete Zimmer, abgewohntes Mobiliar. Solche Erlebnisse sind keineswegs selten. Grund dafür ist vor allem, dass es kein weltweit einheitliches Klassifizierungssystem für Hotels gibt. Drei Sterne in Spanien müssen nicht das Gleiche sein wie drei Sterne in Thailand.

Während in Deutschland der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) anhand klarer Kriterien seine Sterne vergibt, herrscht international eine große Vielfalt an Bewertungssystemen – Spötter sprechen von Chaos. So werden allein die spanischen Hotels nach 17 verschiedenen regionalen Gesetzen bewertet, die alle andere Kriterien anlegen. In Finnland gibt es bis heute überhaupt keine Sterne, Griechenland verwendet Buchstaben.

Ein Vergleich zwischen den Sternen verschiedener Ländern ist dementsprechend kaum möglich. In vielen Fällen wäre das auch gar nicht sinnvoll. So legen zum Beispiel Südeuropäer wesentlich weniger Wert auf die Länge des Betts als Nordeuropäer, Franzosen erwarten ein Bidet im Zimmer, Amerikaner wollen eine Eismaschine. In der Karibik haben Zimmer vielleicht gar keine Wände, was in Deutschland ein Ding der Unmöglichkeit wäre.

Reiseveranstalter sind deshalb dazu übergegangen, eigene Klassifizierungen vorzunehmen, um dem Gast wenigstens etwas Orientierung zu bieten. Da gibt es neben Sternen Sombreros, kleine Krönchen oder Delfine. Deutschlands Marktführer Tui hat sich für Sonnen entschieden. Lange Zeit waren fünf die Höchstzahl, doch nachdem Hotels wie das „Burj al Arab“ in Dubai auf den Markt kamen, wurde eine sechste Sonne hinzugefügt, erklärt Steffen Boehnke, bei Tui für die Fernreisen verantwortlich. Bei der Vergabe der Sonnen orientiert sich das Unternehmen nach seinen Worten an mehreren Kriterien: Die Länderkategorie ist dabei nicht mehr als eine erste Orientierungshilfe. „Denn einige Länder sind traditionell zu großzügig bei der Sternevergabe. In vielen Fällen weichen wir deshalb von der Landeskategorie ab“, so Boehnke.

In den USA sei die Sternevergabe realistisch, ebenso in den meisten großen Reiseländern wie Griechenland, Türkei, Thailand oder Ägypten. „In der Dominikanischen Republik oder Kuba sieht das etwas anders aus“, so Boehnke. Grundsätzlich gelte: „Länder, in denen der Tourismus eine lange Tradition hat, besitzen engere Vorgaben.“ Deshalb besuchen die Länderverantwortlichen des Reiseunternehmens die Hotels mindestens einmal pro Jahr, in der Regel noch häufiger. „In die Bewertung fließt dann neben objektiv messbaren Kriterien auch die Qualität ein: Das Vorhandensein eines Pools sagt nichts über dessen Sauberkeit, Sicherheit oder Zustand“, erläutert Boehnke.

Als weiterer Anhaltspunkt dient Tui das Feedback der Kunden. Regelmäßig würden deshalb auch Hotels herabgestuft, wenn sich die Beschwerden häufen und die Tui-Mitarbeiter einen schlechten Eindruck haben.

Das Sterne-System ist ein geschütztes Markenzeichen

Immer wieder kommt es wegen Sternen, Sonnen oder Sombreros nach Angaben des Reiserechtlers Paul Degott aus Hannover vor allem bei Hotels im Ausland zu Rechtsstreitigkeiten: „Wenn ein Veranstalter ein Hotel zum Beispiel mit sechs Punkten bewirbt, muss er klar darlegen, was für Kriterien dahinterstehen.“ Findet der Gast die beschriebenen Eigenschaften nicht vor, könne er eine Minderung des Reisepreises verlangen.

Das Sterne-System des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes ist ein geschütztes Markenzeichen. Hotels dürfen sich nicht eigenmächtig mit Sternen schmücken. Doch wie werden die Hotels bewertet? „Organisiert wird die Klassifizierung von 18 regionalen Gesellschaften“, erklärt Markus Luthe, Hauptgeschäftsführer des Hotelverbandes Deutschland (IHA), der diese für die Dehoga macht. Dabei gibt es einen klaren Kriterienkatalog mit rund 270 Punkten. Zunächst reichen die Hoteliers laut Luthe eine Selbstauskunft ein. Diese wird dann von zwei Prüfern vor Ort kontrolliert. Dabei handelt es sich meist um neutrale Hoteliers oder Mitarbeiter der Tourismusverbände. Neben objektiv messbaren Kriterien wie dem Vorhandensein einer Couch fließen auch subjektive Kriterien in die Bewertung ein. „Denn die Couch kann ja auch völlig durchgesessen sein“, so Luthe. Deshalb gibt es die drei zentralen Punkte Hygiene, Erhaltungszustand und Gesamteindruck. „Wenn ein Hotel alle objektiven Kriterien eines Fünf-Sterne-Hauses erfüllt, aber der Gesamteindruck eher dem eines Drei-Sterne-Hauses ähnelt, wird es nicht die Höchstnote geben“, erklärt der Experte.

Seit einiger Zeit fließen laut Luthe auch Gästebewertungen im Internet in die Bewertung ein. Die Kontrolleure erhalten vor ihrem Besuch eine Analyse aus den einschlägigen Bewertungsportalen. „Gab es im Internet zum Beispiel immer wieder Beschwerden über das Frühstück, wird er dort besonders genau hinsehen.“

Am Ende steht dann ein Ergebnis: Zwischen einem und fünf Sternen werden vergeben. Ein repräsentatives Messingschild nebst Urkunde erhalten die Hoteliers. Viel wichtiger sei die Marketingwirkung der Sterne, mit denen die Besitzer um Kunden werben können, sagt Luthe. Mit rund 60 Prozent machen Drei-Sterne-Häuser die größte Gruppe in Deutschland aus. Auffällig ist laut Dehoga, dass der Vier-Sterne-Bereich in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen ist.

Mehr als 8250 Beherbergungsbetriebe sind aktuell erfasst. Doch dabei handelt es sich vor allem um Hotels. Kleinere Pensionen und Gasthäuser tauchen kaum auf. Kein Wunder: Fallen sie doch in aller Regel durch das Prüfraster, wie Luthe erläutert. Eine Vielzahl der Kriterien entspräche gar nicht ihrem Konzept. Aus diesem Grund gibt es für eben jene Häuser eine eigene Klassifizierung. 40 Prozent aller Urlauber orientieren sich laut Dehoga bei der Hotelsuche an den Sternen. Dennoch gibt Steffen Boehnke von Tui zu bedenken: „Es gibt auch traumhafte Hotels mit nur einem Stern.“ (dpa)

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