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© ddp

Wellness: Baden wie Adam und Eva

Die größte FKK-Saunatherme Deutschlands steht in Ludwigsfelde. Wer alle Angebote wahrnehmen will, muss mehrmals kommen.

Von Hella Kaiser

Die Tasche wiegt schwer: Ein Bademantel ist darin, zwei Handtücher, Badeschlappen, Duschgel, Shampoo, Lotion, ein Buch, puh, was braucht man nicht alles für den Besuch einer Saunatherme. Nur den Badeanzug kann man getrost zu Hause lassen. Im Badedorf Ludwigsfelde geht es hüllenlos zu. „Damit es keine Überraschungen gibt, werden die Gäste an der Kasse ausdrücklich darauf hingewiesen“, sagt Mitarbeiterin Diana Müller. Die Reaktionen seien unterschiedlich. Manche machten auf dem Absatz kehrt, andere äußerten sich hellauf begeistert. Es mache schließlich wenig Spaß, sich zwischen den Saunagängen einen nassen Badeanzug anziehen zu müssen, nur weil man auch im warmen Wasser dümpeln möchte. Die Sole kommt aus einer niedersächsischen Quelle und wird mehrmals pro Woche im Tanklaster herbeigeschafft.

Als die Therme vor vier Jahren eröffnete, war das hüllenlose Konzept in dem 26 000-Einwohner-Dorf umstritten. „Ludwigsfelde ist recht kleinbürgerlich“, sagt Diana Müller, und vor allem Geschäftsleute hätten Bedenken gehabt, ihren Kunden in der Freizeit im Adamskostüm zu begegnen. Uns treibt die Frage um: Möchten wir wirklich stundenlang von vielen Nackten umgeben sein? Der große Parkplatz schließlich schien an diesem Dienstag nahezu ausgelastet zu sein. „Ist es denn nicht zu voll?“, fragen wir skeptisch an der Kasse. „Wir sind heute sehr gut besucht“, sagt die Dame an der Kasse, „aber es ist noch genügend Platz da.“ Eine Besucherin pflichtet ermunternd bei: „Sie werden sehen, die Anlage ist sehr groß.“

Sehr groß? Unter einem ausladenden Glasdach breitet sich eine riesige Badewelt aus, in der man sich verlaufen kann. In der Mitte, rund um eine sogenannte Ruheinsel, befinden sich zwei Thermalsole- und ein Süßwasserbecken. Wer während des Badens frische Luft schnappen will, gleitet hinaus ins Außenbecken. Je vier Saunen befinden sich im Inneren an den Längsseiten, dazu noch zwei Dampfbäder und ein Hamam. Und draußen, in urigen Hütten, kann zusätzlich sauniert werden. Wer mit möglichst vielen Menschen gemeinsam schwitzen will, geht in die Kristallarena: Bis zu 250 Personen passen hinein.

Diese Riesenhütte ist nichts für uns. Bleibt immer noch genug Auswahl. Du lieber Himmel, wofür soll man sich entscheiden? Jedenfalls nicht für die Bergkristall-Sauna, in der sich jetzt die Gäste drängen. Sie warten auf den Minze-Aufguss, der per Lautsprecher für 13 Uhr angekündigt wurde. Und auch die Profi-Sauna kommt nicht in Betracht, wo man den Besuchern mit 100 Grad einheizt. Lieber hinein in die maßvoll temperierte Zitronen-Sauna, in der – über heißen Steinen – in einem Metallgefäß Zitronenscheiben im Wasser schwimmen. Alternativ infrage kommen die Hildegard-von-BingenSauna oder die Rosenquarz-Sauna.

Nach dem Schwitzen soll sich der Mensch abkühlen. Diverse Möglichkeiten kommen in Betracht: eiskalte Dusche, Kneippschlauch, Schwallbrause oder kühler Nieselregen. Man kann sich auch – per Zug an einem Tau – einen Bottich voll eisiges Wasser über den Körper schütten? Danach: ausruhen. Die Suche nach einer freien Liege wird nicht – wie anderswo so oft – zum Ärgernis, weil sie in Ludwigsfelde reichlich aufgestellt haben. 700 stehen zur Verfügung. In der „Villa Korsika“ oder der „Villa Ischia“ im ersten Stock zum Beispiel sind heute noch etliche frei. Passend zu den Namen sind die Ruhezonen in mediterranen Farben von Apricot über Terrakotta bis Himmelbau gehalten. Puristen wird die stilisierte Landhausatmosphäre in der Therme missfallen, aber man kann das kitschige Beiwerk oder gar die enormen Kristalllüster ja auch lustig finden.

Mehr als zwanzig Aufgüsse finden täglich zwischen 9 Uhr 30 und 21 Uhr 15 statt. Und bis auf einen unter dem Motto „Selbst ist der Mann“, wo sich auch Gäste als Saunameister versuchen können, werden sie von Mitarbeitern der Therme ausgeführt. „Wir lassen da keine Laien ran, bei uns werden die Aufgüsse professionell zelebriert“, sagt Diana Müller. Wie das beim Damen-Spezial-Aufguss „Die zarteste Versuchung“ vor sich geht, hätten wir gern erlebt. Aber zur angegebenen Zeit sitzen wir – nach drei Saunagängen ermattet – bei Apfelschorle im „Café Prosecco“.

Damit die Gäste ihre Wunschaufgüsse nicht verpassen, gibt’s an der Kasse den sogenannten Erlebnis-Fahrplan, in dem alle mit Uhrzeiten verzeichnet sind. Den Vollmond-Spezial-Aufguss gibt es natürlich nur, wenn das gelbe Ding am Himmel wirklich rund ist. An diesem Tag ist zwischen 19 und 24 Uhr „Romantisches Vollmondschwimmen“ angesagt. Wunderschön sei das, „weil in der Therme dann hunderte Lämpchen leuchten“, sagt Diana Müller.

Sogar heiraten kann man in der Therme, wenn auch nicht unbekleidet. „Das ist rechtlich nicht gestattet“, sagt die Mitarbeiterin. Ein Ruheraum dient als Trauzimmer. Was das künftige Ehepaar während der Zeremonie trägt, ist individuell verschieden. Anzug und Brautkleid sind möglich, aber neulich habe sich ein Paar im Bademantel das Jawort gegeben.

Für die meisten Besucher aber ist die Therme einfach ein wohlig-warmer Ort, an dem man den Winter vergessen kann. Wer sich allerdings ernsthaft frühlingsfit machen möchte, der schwimmt ein paar Bahnen im Sportbad. 25 Meter lang ist das Becken und zweckmäßig kühl temperiert. Der Unterschied zur Therme: Hier ist Badebekleidung Pflicht.

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