zum Hauptinhalt
Windhoek

© Wiebke Gebert

Windhoek: Afrika für Anfänger

Windhoek ist mit die kleinste, aber auch die sauberste Hauptstadt auf dem afrikanischen Kontinent

Die Auasberge erstrahlen Rot im letzten Sonnenlicht – die Fahrt auf der breiten, gewundenen Straße hinunter ins Tal eröffnet einen atemberaubenden Blick auf das Khomas Hochland nach Westen, bevor – fast aus dem Nichts – die auf 1700 Metern im zentralen Hochplateau Namibias gelegene Hauptstadt Windhoek auftaucht. Das Tal der heißen Quellen, den Nama als Ai-Gams „Feuerwasser“ und den Ovaherero als Otjomuise „Ort des Rauches“ bekannt, ist das älteste Viertel Windhoeks. Hier erzeugen große Grundstücke mit eigenem Wasser und lauschigen alten Bäumen ein Gefühl kolonialer Gediegenheit, dass auch durch die wie Pilze aus der Erde schießenden Reihenhaussiedlungen bisher nicht gestört wird.

Mit nur rund 250 000 Einwohnern ist Windhoek zwar eine kleine, aber auch die unumstritten sauberste Hauptstadt auf dem afrikanischen Kontinent. Das verdankt sie nicht zuletzt einer Stadtverwaltung, die es unter Bürgermeister Mattheus Shikongo bisher erfolgreich geschafft hat, sich die Ansprüche der „Wohlhabenden“ in den Wohnvierteln im Osten der Stadt gut bezahlen zu lassen, umso die durch Arbeitslosigkeit und Hoffnung auf ein besseres Leben geschürte Landflucht aufzufangen und die „Armen“ im Westen der Stadt mit dem Nötigsten zu versorgen. Beschaulich provinziell und auf den ersten Blick so ganz und gar „unafrikanisch“ bietet Windhoek dem europäischen Touristen ein „Afrika für Anfänger“.

Da flanieren – mit Ocker bemalt und oben ohne – Himbafrauen durch den mit Melitta, Lindt und anderen deutschen Delikatessen gefüllten Supermarkt, die Otjikaewa (gebundene Kopfbedeckung, die, wie auch die Kleider, aus der Zeit der Missionare stammt) thront wie ein Rindergehörn auf den Köpfen der Hererofrauen – darunter die Rayban gegen die Sonne, deren Strahlung hier doppelt so hoch ist wie in Europa. In Joe’s Beerhouse gibt’s in selten uriger Atmosphäre für den Touristen Schweinehaxe und Weizenbier. Einige Kilometer weiter wird unter freiem Himmel Kapana (gebratenes Fleisch auf die Hand) und Boerewors (eine Art Bratwurst) auf zu Grills umfunktionierten Einkaufswagen feilgeboten. Anlass zur Kreation des Labels „Dolce & Kapana“ – eine Werbung für das den Touristen bisher weitgehend unbekannte Windhoek.

Katutura, der „Ort an dem wir nicht sein wollen“, das Viertel, in das Windhoeks Schwarzafrikaner 1959 zwangsumgesiedelt wurden, weil ihre „alte Werft“ einem neuen Wohnviertel für Weiße weichen musste. In zahlreichen Shebeens (Trinkhäusern) mit skurrilen Namen von „Chelsea Bar“ bis „Guevara“ wird neben nach deutschem Reinheitsgebot gebrauten Windhoek Tafel auch das aus dem Mahangu gewonnene Hirsebier vertrieben.

Mit Pooltisch, Fernseher und plärrendem Transistorradio versehen sind sie für die Mehrheit der Windhoeker auch sozialer Treffpunkt, in dem man unter Freunden den Frust des Alltags, der Arbeitslosigkeit, der Armut und der wachsenden Gewalt loswerden kann. Viele schlagen sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Der Lohn ist gering, aber immerhin… Die Stadt stellt Grundstücke; es gibt Wasser, wenn auch nicht direkt ins Haus; es gibt Straßennamen, eine wöchentliche Müllabfuhr (Tüten Gratis) und Gemeinschaftstoiletten. So wirken die Armenviertel wie Okahandja Park und Greenwell Matongo trotz der offensichtlichen Mängel und dank des meist trockenen, sonnigen Wetters nicht hoffnungslos.

Auf einem Spielplatz lachende Kinder – ihre offensichtliche Freude am Dasein ungetrübt trotz löcheriger Kleidung. Auf einem freien Gelände eine handvoll junger Männer mit, man glaubt es kaum, Golfschlägern! Sie können sich den Nobelklub im Süden der Stadt nicht leisten, aber Wert auf korrekte Kleidung – lange Hose, Poloshirt und Mütze – legen sie trotzdem.

Auf dem Friedhof nebenan finden täglich Beerdigungen statt. Tuberkulose und HIV/Aids grassieren – ebenso die Gewalt, die dort, wo die Polizei nicht patrouillieren kann oder will, auch innerhalb der Familien um sich greift.

Inmitten der mager umherstreunenden Hunde, der hupenden und knatternden Taxen mit gelbem Leuchtschild auf dem Dach, der herausgeputzten jungen Mädels mit Handy und Handtasche, die sich nach der Schule treffen, um über Musik, Fernsehstars und schicke Klamotten zu fachsimpeln, der Angetrunkenen, die leicht schwankend den Weg nach Hause suchen und der Kleinkinder, die schon früh lange Wege zu Fuß bewältigen müssen, steht auf einem offenen Gelände ein unscheinbares Gebäude. KCR – Katutura Community Radio.

Hier gibt es keine schicken Studios und Büros, noch nicht einmal einen Kaffeekessel. Dennoch arbeitet die handvoll Freiwilliger daran, mit Witz und einem vom Lokalkolorit gefärbten Tonfall mit ihren Hörern nebst Musik auch Tabus wie HIV/Aids oder Homosexualität anzusprechen und kultur-und sprachübergreifend aufzuklären. Täglich werden in einem Hinterzimmer produzierte CD’s abgegeben – die Hoffnung der Jungen auf eine Karriere als Popidol ist groß.

Auch bei Penduka (Otjiherero für „Wach auf“) hört man den Sender. Hier arbeiten in einer Kooperative 18 Frauen, ein Drittel von ihnen Behinderte. Es wird genäht, gestickt, getöpfert, Altglas zu Perlen, Altpapier zu Kinderstühlchen und die Coladose zur schrillen Handtasche verarbeitet. Fröhlich geht es in Penduka zu – das Paket der Sorgen um das Wohlbefinden der Familie ist beim gegenseitigen Austausch zwischen ratternden Nähmaschinen und flinken Fingern leichter zu tragen.

Wenn in der Innenstadt nach Geschäftsschluss weitgehendst die Gehsteige hochgeklappt werden, geht's im Warehouse erst los. Das Angebot ist ein ständig wechselndes Programm mit namibischen, afrikanischen und internationalen Musikern und Kabarettkünstlern, – die etwas für Namibier aller Gesellschaftsschichten bieten.

Frauke Röschlau

Zur Startseite