zum Hauptinhalt

Reise: Wo die Zivilisation geboren wurde

Wer mit der „Seven Seas Voyager“ von Messina nach Heraklion fährt, hat alles inklusive. Und Extra-Glück, wenn das Luxusschiff allein im Hafen liegt.

Als im Constellation-Theater Bordlektorin Paula über die „Magie von Ephesus“ referiert, kommt draußen endlich die Sonne heraus. Stoisch haben die Gäste der „Seven Seas Voyager“ bisher die Schlechtwetterfront der vergangenen Tage ertragen. Das Wetter war, wie Kapitän John McNeill es höflich ausdrückte, „not so brilliant“. Wegen starken Sturms kann unser Fünfsterneschiff mit seinen 700 Passagieren Sorrent nicht anlaufen. Wir werden also direkt nach Messina fahren. Und ob es, wie geplant, zum „Inselhüpfen“ in der Ägäis kommen wird, erscheint auch noch fraglich.

Auch die Kreuzfahrt ist anscheinend vom Klimawandel betroffen: Bisher galt es als sicher, dass das Wetter mitspielt bei Touren im Mittelmeer zwischen April und November. So wie die beste Reisezeit für die Ziele Asien die Monate Januar bis Mai sein sollen und für Südamerika das erste Drittel des Jahres.

Der Kapitän erzählt, dass heute Nacht der Wind mit Stärke zehn um unser schönes Schiff herum wütete. Kein Wunder, dass Bordpianist Sasha gestern Abend seekrank war; sein Konzert findet deshalb heute Nachmittag statt. Bühnennebel umwabert den Flügel, als er mit Bachs d-Moll-Fuge das Programm beginnt, derweil im Atrium auf Deck vier einige sportliche Gäste gegen Mitglieder der Crew kämpfen: „Olympic Games“.

Andere dagegen hören sich einen Vortrag an: „Listen to your body“. Die Signale des eigenen Körpers richtig zu deuten, erscheint umso wichtiger, als wir uns auf einem Schiff befinden, auf dem alles inklusive ist: das Champagnerfrühstück mit Kaviar, die Weine, die Aperitifs und all die Digestifs. Das Speisen vom Versace-Geschirr im Spezialitätenrestaurant Prime, das Genießen des Shiraz aus Chile in edlen Kristallgläsern im Signature. Und sogar die Landausflüge, hier als „Events an Land“ bezeichnet. Unlimitiert. Die Limits setzt nur die eigene Kondition. Und das Wetter.

Letzteres war heute den Passagieren gut gesonnen bei Spaziergängen rund um Taormina mit seinen archäologischen Schmankerln und auch während der Fahrten hinauf zum Ätna. Eine „Fat Greek Party“ erwartet die Kreuzfahrer bei ihrer Rückkehr an Bord. Man will sie vorbereiten auf die kommenden griechischen Häfen. Nana Mouskouri singt sehnsuchtsvoll vom Band, aber wir erfahren: Sorry, wegen Sturms fällt Zakynthos aus. Und auch Santorin. Wir werden ohne Zwischenstopp direkt nach Kusadasi fahren. Die höflichen mitreisenden Amerikaner nehmen es gelassen zur Kenntnis. Deutsche Passagiere hätten vielleicht sofort einen Teil des Reisepreises zurückgefordert... Auf der „Seven Seas Voyager“ sind nunmehr alle Gäste gespannt auf Kusadasi. Ephesus ist nahe: die Wiege der Zivilisation.

Als es draußen in Kusadasi Nacht wird, alle Passagiere müde und zufrieden vom Kulturtrip zu den Altertümern zurückgekommen sind, verlässt die „Voyager“ wieder den Hafen. „Edelweiß“ erklingt im Walzertakt von Deck elf, wo erneut eine windig-feuchte Auslaufparty zelebriert wird. Auf der nächsten Reise, grummelt eine Passagierin aus New York, werde das Wetter hoffentlich besser sein. Ihr nächster Törn in die Alte Welt ist schon geplant.

Am Tag fünf unserer Reise färbt die Sonne das Meer türkisblau, die See ist spiegelglatt, der Himmel azurfarben, die Wölkchen weiß. Viele Passagiere entdecken nun neue, spannende „Outdoor-Orte“ an Deck, wie das Krocketfeld auf Deck zwölf. Viele wollen das Spiel mal probieren.

Heute wartet zunächst ein neuer Landgang auf die Passagiere: Das zum Peloponnes gehörende Städtchen Nafplion. Der Besuch in Piräus gestern war eine halbe Katastrophe. Ein 48-stündiger Generalstreik hatte alles lahmgelegt. Keine Taxis, keine Busausflüge zum Parthenon. Nichts da, was bildungshungrigen Menschen aus der Neuen Welt einen Landgang in der Alten Welt ermöglicht hätte.

In Nafplion jedoch schlendern die Passagiere zu Fuß durch die mit Bougainvilleen bepflanzten Gässchen, in denen sich die Sonnenstrahlen fangen. Keine Touristen außer den Kreuzfahrern sieht man hier. Die kleinen Bars gehören im Herbst wieder den Einheimischen; in den Geschäften werden Strickpullover und Wollhandschuhe angeboten anstelle von Sonnenbrillen und -hüten. Pantoffeln gibt’s auch, mit Bommeln, zu angemessenen Preisen. Selbst das Kriegsmuseum sieht freundlich aus.

Die „Seven Seas Voyager“ ist, o Wunder, das einzige Kreuzfahrtschiff hier. Das macht das Sitzen unter riesigen Platanen am Syntagmaplatz, wo Kaffee höllisch heiß, stark und süß ist, lauschig und gemütlich. Der Ort weckt Entdeckungslust.

Abends erklingt aus der Poolbar auf Deck elf: „It never rains in California“. In Nafplion schien die Sonne. Gut gelaunt widmen sich die Gäste nach dem Landgang wieder den Dingen, derentwegen sie ja auch hier sind. Essen, trinken, tanzen, „socializing“, also mit anderen Menschen ins Gespräch kommen. Und der Kapitän befindet sich unter ihnen. So oft wie in den Gesellschafträumen dieses Schiffs erblickt man selten auf Kreuzfahrtschiffen vier Streifen auf einer Uniform. Der Schotte John McNeil mischt sich gern auch mal im Kilt unters fahrende Volk.

Alle freuen sich auf morgen: Das kleine Monemvasia gilt es zu entdecken, berühmt wegen seines archäologischen Museums mit Exponaten aus dem Kleinasien des 17. Jahrhunderts. Hier finden sich auch Reste der vierzig (!) Kirchen, die es an der felsigen Küste einst gab. Im Kern des Städtchens kommen uns Pferde mit Lasten entgegen, auf einem Mäuerchen sitzt ein schwarzgewandeter Pope und schaut die Touristen freundlich an. Griechenland wie im Bilderbuch.

Das Meer liegt ruhig, als wir mit dem Tender zurück aufs Schiff kommen. Kein Windhauch ist zu spüren. Abends um sechs Uhr lichtet unsere schöne, stolze „Seven Seas Voyager“ die Anker. Übermorgen werden wir Heraklion erreichen, den Endpunkt unserer Reise. In der Nacht sehen wir überm Schiff die Sterne des Orion leuchten.

Es soll wieder stürmisch werden. Was soll’s, sagt ein Gast. Macht doch nichts. Es gibt Schlimmeres, als bei Regenwetter auf einem Schiff wie diesem zu sein. Da werden die Häfen fast zur Nebensache.

Dagmar Zurek

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false