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Restaurants

© Mike Wolff

Restaurants: Berlin kommt auf den Geschmack

Drei deutsche Restaurants sind jetzt in den Drei-Sterne-Adel des Michelin erhoben worden. Auch der lange bestehende Vorbehalt gegen Berlin scheint jetzt gefallen zu sein.

Ist das das Ende der französischen Küche, wie wir sie kennen? Drei deutsche Restaurants sind jetzt in den Drei-Sterne-Adel des Michelin erhoben worden – und jedes von ihnen steht für eine andere Stilrichtung. Claus-Peter Lumpp (Bareiss, Baiersbronn) entspricht mit seiner perfektionierten Luxus-Bürgerküche noch am ehesten dem Klischee eines Michelin-Lieblingsrestaurants. Klaus Erfort (Gästehaus Erfort, Saarbrücken), der als Wohlfahrt-Schüler begann, flirtet zunehmend mit avantgardistischen Elementen – und Juan Amador (Amador, Langen), ein Schüler von Ferran Adria, ist der bekannteste deutsche Vertreter der spanischen Experimentierküche. Unfranzösischer geht es kaum.

Noch vor wenigen Jahren lautete das Michelin-Dogma für Deutschland: Für einen Stern ist alles erlaubt, aber ab zweien muss es französisch zugehen. Doch das funktioniert nicht einmal mehr in Frankreich, wo sich die jungen Top-Köche längst an den weltweiten Trends orientieren; die Ära der Bocuse und Haeberlin ist auch dort zu Ende. Es scheint, dass die Chefredakteurin des deutschen Michelin, Juliane Caspar, die Abnabelung von Paris ebenso vollzogen hat wie ihre britischen und amerikanischen Kollegen, die frischen Wind von draußen hineinbrachten. Selbst das berühmte Drei-Sterne-Verleihungsritual – eine Abordnung aus Paris kommt zum Essen und Abnicken – scheint abgeschafft zu sein.

Widerlegt ist auch der Eindruck, dass ein Mehr-Sterne-Restaurant unter vergoldeten Geländern und Marmortäfelungen, Blumenarrangements und Scharen livrierter Kellner ächzen muss: Amadors Restaurant liegt in einem engen Fachwerkhaus ohne besonderen Komfort, und auch zwei Aufsteiger in die Zwei-Sterne-Kategorie, „Moissonnier“ in Köln und „Essigbrätlein“ in Nürnberg, sind eher schlichte, traditionelle Bistros, was die Einrichtung angeht.

Bei dieser Gelegenheit scheint auch der lange bestehende Vorbehalt gegen Berlin gefallen zu sein. Was der konkurrierende Gault-Millau-Führer schon seit Jahren sagt, ist nun auch durch den Michelin bestätigt: Berlin hat mehr Top-Restaurants als die anderen Großstädte im Land. Lange litt die Stadt darunter, dass keiner aus der Garde der Sous-Chefs berühmter deutscher Köche an die Spree wechselte – die hatten die Sterne-Garantie gewissermaßen eingebaut. Doch so konnten eigenständige Experimentierer wie Tim Raue oder Michael Hoffmann in Ruhe an ihrer Stilistik basteln.

Und auch Christian Lohse von „Fischers Fritz“, der nun in der Summe aller Bewertungen als Berlins bester Koch gelten darf, ist eher ein Seiteneinsteiger, berühmt für seinen extrem hohen Anspruch an teuerste Zutaten, aber auch küchentechnisch mit allen Wassern gewaschen: Seine Terrine von Räucheraal mit Gänseleber mit Pfefferkaramell ist die vermutlich gelungenste Variante dieses modernen Motivs überhaupt. Dass er der erste Berliner Koch mit zwei Sternen ist, hat aber sicher auch mit seiner Michelin-Geschichte zu tun, denn diese Auszeichnung trug er bereits in seiner Zeit in Bad Oeynhausen.

Auch die beiden anderen neuen Ein-Stern-Restaurants in Berlin und Umgebung stehen für neue Ansätze. Die kompromisslos regional konzipierte neue Spreewaldküche von Oliver Heilmeyer (Zur Bleiche, Burg) ist vom französischen Klischee ebenso weit entfernt wie das muntere, unbekümmerte Crossover, das Marco Müller in der Weinbar Rutz zelebriert. Dass nun mit insgesamt zwölf Sternen das Potenzial Berlins vorerst erschöpft ist, mag sein. Doch es geht auf lange Sicht garantiert weiter bergauf.

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