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Klassiker. Bis 1977 prägten Goscinny und Uderzo die Reihe, hier „Asterix bei den Olympischen Spielen“.

© Illustration Goscinny-Uderzo/Egmont

Panorama: Rettung für Asterix und Obelix

Nach dem Tod ihres Miterfinders hatte die Serie dramatisch an Niveau verloren. Nun soll ein neuer Autor ihr wieder Leben einhauchen

Mit eigenwilligen Dorfbewohnern und ihren kuriosen Bräuchen kennt er sich aus. Die Serien, mit denen der französische Comicautor und Zeichner Jean-Yves Ferri sich in den vergangenen 15 Jahren einen Namen gemacht haben, spielen fast alle auf dem Land. Und sie erzählen von Figuren, die ungefähr so kauzig und originell sind wie die Bewohner jenes von Römern belagerten gallischen Dörfchens, dessen Geschicke er fortan mitbestimmen soll. Er wurde als künftiger Autor der Asterix- und-Obelix-Geschichten auserkoren und ist damit der späte Nachfolger René Goscinnys, eines der wichtigsten Comicautoren des 20. Jahrhunderts, der neben Asterix auch Serien wie „Lucky Luke“, „Isnogud“ und die Geschichten vom Kleinen Nick schrieb. Seitdem Goscinny 1977 mit nur 51 Jahren starb, führte der Zeichner und Asterix-Miterfinder Albert Uderzo die Reihe alleine weiter. Das Problem: Uderzo ist ein begnadeter Zeichner von einzigartiger Kunstfertigkeit. Aber er ist kein guter Autor. Und das macht bei einem Comic, der eben nicht nur von den Bildern, sondern auch von der Handlung und den Dialogen lebt, einen großen Unterschied.

Das Manko ließ sich anfangs noch kaschieren, wurde aber mit den Jahren immer deutlicher. Vor allem die letzten beiden Bände hatten nichts mehr von der eleganten Ironie und dem komplexen Witz früherer Bände. Das führte dazu, dass sich viele anspruchsvollere Leser von der Serie abwandten – auch wenn sie nach wie vor Verkaufszahlen errang, von denen andere Verlage nur träumen können.

Nun soll Ferri den ramponierten Ruf der französischen Kulturikone richten, von deren Abenteuern bislang weltweit 350 Millionen Alben verkauft wurden. Das bekräftige der inzwischen 84-jährige Uderzo kürzlich: Gemeinsam mit dem Künstler Frédéric Mébarki, der in den vergangenen Jahren die Tuschezeichnungen der Asterix-Bände auf Grundlage von Uderzos Bleistiftskizzen angefertigt hat, arbeite Ferri bereits an einem neuen Band, der 2012 erscheinen soll. Und auch für die folgenden Alben soll er der Autor sein.

Wer Ferris bisherige Werke kennt, kann zuversichtlich sein, dass das Erbe in guten Händen liegt. Vor allem die zusammen mit dem Zeichner Manu Larcenet geschaffene Serie „Die Rückkehr aufs Land“, von der in Deutschland bisher ein Sammelband im Berliner Reprodukt-Verlag erschienen ist (190 Seiten, 22 Euro), zeigt Ferri als Meister der ironischen Dialoge, der einfühlsamen Situationskomik und der vielschichtigen Erzählweise. Die Reihe, von der ein zweiter Sammelband im kommenden Sommer erscheinen soll, erzählt in autobiografisch inspirierten Anekdoten davon, wie der neurotische Larcenet samt Frau und Katze aus der Großstadt aufs Land zieht – und dort auf eine ihm fremde Welt und ihre merkwürdigen Bewohner trifft, mit denen er sich nur zögerlich anfreunden kann.

Ähnlich wie einst Goscinny erzählt Ferri seine Geschichten auf mehreren Leseebenen: Es gibt frech karikierte Typen und eine nicht enden wollende Reihe von Szenen voll pointierter Situationskomik, mit denen das Zusammentreffen von Stadtmenschen und Landbevölkerung geschildert werden. Dahinter aber stecken subtile, psychologisch fundierte Geschichten mit einem klugen Blick für menschliche Schwächen. Auch die ebenfalls in einer Dorfgemeinschaft spielende, bislang nicht auf Deutsch vorliegende Serie „Aimé Lacapelle“, die Ferri nicht nur geschrieben, sondern auch gezeichnet hat, handelt von kauzigen Bauern, dem Alltag in der Dorfkneipe und immer wieder dem Zusammenprall der Dorfgemeinschaft mit Besuchern von außerhalb.

Schon vor der Ernennung zum Asterix-Autor wurde Ferri häufig mit Goscinny verglichen – ein Kompliment, das der schüchterne Autor, der zurückgezogen in den Midi-Pyrénées im Südwesten Frankreichs lebt, in einem Interview mit den Worten kommentierte: „Das bewegt mich.“ Gefragt, wieso es gerade das Dorfleben ist, das ihn fasziniert, sagte er knapp: „Ich lebe nun mal auf dem Land, das kenne ich am besten.“ Er verspüre da eine „natürliche Anziehungskraft“.

Was er mit Asterix vorhat, wird bislang von Ferri, Uderzo und allen anderen Beteiligten als großes Geheimnis gehütet. Man darf davon ausgehen, dass die neue Erzählung, die in gut einem Jahr erscheinen soll, andere Wege geht als die vorigen Bände. Erzählerischer Tiefpunkt war 2005 der Band „Gallien in Gefahr“, in dem Uderzo wild mit Versatzstücken aus dem Disney-Universum jonglierte und Superman und andere Science-Fiction-Figuren auftauchen ließ, aber keine richtige Geschichte zu erzählen wusste. Auch das 2009 erschienene Album zum 50. Jahrestag der Reihe enttäuschte: „Asterix und Obelix feiern Geburtstag“ kam als wirre Nummernrevue daher, in der Uderzo eine wahllos wirkende Mischung aus Kurzgeschichten und unterschiedlichen Zeichenstilen zu einem wilden Potpourri verrührte. Mit Ferri, so ist zu hoffen, kehren im Asterix-Universum wieder Geschichten ein, die die Tradition der Figuren ernst nehmen, sie aber mit Feingefühl in eine neue Zeit überführen.

Uderzo selbst scheint überzeugt davon, die richtigen Erbverwalter gefunden zu haben: „Mir ist klar geworden, dass die Figur von Asterix ihren Autoren, aber auch ihren Lesern gehört“, sagt er. „Ich wünsche mir, dass diese Beständigkeit noch Generationen und Generationen andauert.“

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