zum Hauptinhalt

Panorama: Revolution am Lenkrad?

In Saudi-Arabien gibt es Pläne, das Fahrverbot für Frauen zu kippen

Bisher konnte sich Saudi-Arabien den wirtschaftlichen Luxus leisten, Frauen und Männer in der Öffentlichkeit so weit wie möglich zu trennen. Banken haben Frauenfilialen, Hochzeiten werden zweifach ausgerichtet, einmal für weibliche Gäste und einmal für männliche Gäste, Frauen werden vom Berufsleben fern gehalten. Ideologie ist stärker als wirtschaftliche Gesichtspunkte.

Doch dieser Ansatz gerät in dem Erdölstaat, der zunehmend von Wirtschaftsproblemen geplagt wird, ins Wanken. Das zeigt sich ausgerechnet in einem Punkt, der wie kein anderer das erzkonservative Islamverständnis der herrschenden wahabitischen Lehre symbolisiert: Dem Fahrverbot für Frauen.

Das Mitglied der rein männlichen Schura-Versammlung, Mohammed al Salfa hat den Vorschlag eingebracht, dieses Verbot zu kippen. Dafür führt er vor allem wirtschaftliche Gründe an. Etwa eine Million Ausländer seien als Fahrer eingestellt, was die Saudi-Araber etwa 3,2 Milliarden Dollar im Jahr koste. Außerdem pocht al Salfa darauf, dass es kein formelles Gesetz gibt, dass Frauen das Steuern eines Autos untersage. Unter seinen 18 Argumenten, die er der vom König ernannten, beratenden Versammlung vorlegte, findet sich für jeden etwas. Für strenge Verfechter der wahabitischen Lehre etwa führt er an, dass die Nähe eines fremden Mannes und der saudischen Dame auch ein sittliches Problem darstellen könne. Diese missliche Situation wäre gelöst, wenn die Frau selbst fahren dürfte.

Während der Westen das Frauenfahrverbot als ultimativen Beweis für die Rückständigkeit des Königreichs anprangert, sehen viele saudische Frauen das gelassener. So wie Muna Abu Suleyman. Die junge Doktorandin, die über den Islam in der amerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts arbeitet und oft Teilnehmerin einer Frauentalkshow im libanesischen Sender MBC ist, sagt: „Eines Tages werden wir auch in Riad Autofahren können, das ist nur eine Frage der Zeit. Und einen Chauffeur zu haben, ist sehr bequem.“ Muna beneidet die Frauen in westlichen Ländern eher um ihre Ausbildung, ihr Training in analytischem und praxisbezogenem Denken. Und um ihre Karrierechancen, die weitaus größer seien als in Saudi-Arabien.

Viele saudische Familien aber können sich mittlerweile keinen Chauffeur mehr leisten. Daher müssen die Ehemänner, Brüder und Väter die Kinder in die Schule fahren, die Damen zum Einkaufen, in den Schönheitssalon oder zur Verwandtschaft kutschieren. Bei Schulschluss sind daher viele saudische Büros verwaist, weil die Männer ihre Kinder nach Hause fahren. Worunter die Produktivität der Arbeitnehmer wohl leidet.

Dennoch ist der Vorstoß von Mohammed al Salfa der Schura-Versammlung eher suspekt. Ob sie über dieses Thema überhaupt debattieren wollen, will sie nach Zeitungsberichten erst entscheiden, wenn ihr Sprecher von einer Kanadareise zurück ist. Der stellvertretende Sprecher des Hauses sagte der Zeitung „Al Riadh“, eine Aufhebung des Frauenfahrverbots müsste von den höchsten Religionsgelehrten des Landes diskutiert werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false