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Panorama: Roben ohne Anziehungskraft

Vier Modehäuser haben die Pariser Haute-Couture-Schauen abgesagt. Warum immer weniger Frauen den großen Auftritt wollen

Da ist es wieder – das böse Wort „Krise“. Vier Modehäuser haben angekündigt, bei den nächsten Haute-Couture-Schauen in Paris vom sechsten bis achten Juli nicht mehr dabei zu sein und verursachten damit großen Wirbel. Ist der Luxus in der Krise? Schnell wird klar, dass das System der Haute Couture global funktioniert. Eigentlich handelt es sich dabei doch nur um ein paar französische Modehäuser, die zweimal im Jahr vor je etwa 200 Zuschauern Kleider zeigen, die so viel kosten wie Einfamilienhäuser.

Nachdem also Ungaro, Givenchy, Versace und Balmain ihren Abschied von der Haute Couture verkündet haben, bleiben lediglich acht Vollmitglieder der Pariser Haute-Couture-Innungskammer übrig: Darunter Chanel, Dior, Christian Lacroix und Jean-Paul Gaultier. Und was interessiert es die Welt, wenn der elitäre Kreis der Luxusmode ein wenig kleiner wird?

Die Haute Couture gehört zum nationalen Kulturgut Frankreichs, sie gilt als Vollendung der handwerklichen Schneiderkunst. Denn anders als bei den Prêt-à-porter-Schauen geht es hier nicht darum, Trends zu setzen. „Haute Couture, das sind von Generation zu Generation im Flüsterton weitergegebene Geheimnisse“, so erklärte es Altmeister Yves Saint Laurent, der 2002 von der Modebühne abtrat und schmerzlich vermisst wird.

Die Innungskammer der Haute Couture hat strenge Regeln für ihre Mitglieder aufgestellt: Alles wird mit der Hand gearbeitet, mindestens 15 Mitarbeiter müssen für einen Designer arbeiten, eine Kollektion soll aus wenigstens 35 Elementen bestehen – Tages- und Abendmodellen. So begründet auch Emanuel Ungaro seinen Rückzug damit, dass die Haute Couture nichts mehr mit den Realitäten des Modemarktes zu tun habe. Schlicht übersetzt heißt das, der Luxus kostet zu viel Geld. Und wirklich ist die Kosten- Nutzenanalyse aus kaufmännischer Sicht ein Verlusgeschäft – mehrere Millionen Euro für eine Show sind keine Ausnahme. Alexander McQueen liess für eine Givenchy-Präsentation einen Saal komplett umbauen. Auch die Supermodels haben ihren Preis. Diese Ausgaben lassen sich mit etwa 300 Stammkundinnen weltweit nicht refinanzieren, auch wenn der Einstiegspreis für ein Chanel-Kleid bei rund 20 000 Euro liegt. Insgesamt werden mit der Haute Couture nur etwa drei Prozent des Umsatzes gemacht. Geld verdienen die Modehäuser mit Parfums, Kosmetik und Accessoires.

Mit der Zeit ist die Haute Couture zu einer Art Werbekampagne geworden. Schließlich seien die Kosten einer Kollektion geringer als die für weltweite PR – schon alleine wegen der Medienaufmerksamkeit, die die Schauen auf sich ziehen, sagt Didier Grumbach, Präsident der Fédération Française de la Couture. Auch sind die Zeiten vorbei, in denen der Designer sein Haus selbst führt. Designer sind heute meist Angestellte, die von kaufmännisch denkenden Vorstandschefs beschäftigt werden. Haute Couture ist die hohe Kunst der Mode, und in schlechten Zeiten wird zuerst an ihr gespart.

Die Anlässe, Haute Couture zu tragen, sind überschaubar geworden: Eine Hochzeit, ein besonderer Ball, das war’s auch schon. „Außerdem“, sagt die Modedesignerin Darja Richter aus Berlin, die in Paris lebt und für Versace und Léonard arbeitete, „gibt es nicht mehr viele Frauen, die wissen wie man Haute Couture trägt.“ Und wer wolle schon wochenlang auf sein Kleid warten. Nein, mit der Außenwelt hat die Haute Couture wenig im Sinn: „Du beweist, dass du ein Luxushaus bist. Für die Franzosen ist Haute Couture das Nonplusultra und als Designer solltest du diese Perfektion anstreben“, so Darja Richter.

Vom Aussterben bedroht ist die Haute Couture also keineswegs. Dafür ist sie als Imagefaktor für die französische Modeindustrie zu wichtig. Dior ist ein gutes Beispiel dafür, dass es sich lohnen kann, dabei zu sein: John Galliano, Designer bei Dior, schafft es jede Saison mit seinen bombastischen Entwürfen in die Schlagzeilen. Auch für Chanel ist die Haute Couture vor allem ein Prestigeträger, so Anja von Lom von Chanel Deutschland. Gerade hat das Modehaus fünf Zulieferbetriebe für die Haute-Couture-Kollektionen in Paris aufgekauft und sie so vor der Schließung gerettet. „Wir wollen auf jeden Fall weitermachen – schließlich steht Coco Chanel für die Anfänge der Haute Couture“, so Anja von Lom.

Bei den Prêt-à-porter-Schauen werden längst nicht mehr nur tragbare Kleider gezeigt. In jeder Kollektion gibt es Showteile. Darja Richter spricht aus eigener Erfahrung: „Wer nur eine Businesskollektion zeigt, macht sich lächerlich. Dann langweilen sich die Leute zu Tode.“

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