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Polizisten stehen am Sonntag zwischen Motorrädern vor dem Restaurant Twin Peaks in Waco, Texas, USA. Bei einer Schießerei kamen neun Menschen ums Leben.

©  Waco Police Department/dpa

Update

Rockerkrieg in Einkaufszentrum in Waco: Neun Tote und 170 Verhaftungen nach Schießerei zwischen Rockern in Texas

Neun Menschen sterben bei einer Schießerei zwischen Bikern in Texas. Die Banden gewinnen durch Drogenhandel seit Jahren an Einfluss im Südwesten der USA. 170 Gangmitglieder wurden festgenommen. Die Polizei steht vor schwierigen Ermittlungen.

Dutzende Motorräder funkeln in der Sonne, dazwischen, unter Plastikplanen, liegen die Opfer der Schießerei. Die schweren Maschinen sind nebeneinander aufgestellt, sie bilden ein Viereck um das „Twin Peaks“-Biker-Lokal in Waco, im US-Bundestaat Texas. Die Luftaufnahmen eines örtlichen TV-Senders zeigen das Ausmaß der Kämpfe, die am Sonntag auf dem Parkplatz vor dem Restaurant tobten: Die Szenerie ist weiträumig von der Polizei abgesperrt, schwer bewaffnete Einsatzkräfte sichern den Tatort. Am Sonntag hatte sich eine Schlägerei zwischen rivalisierenden Biker-Gangs in eine blutige Schießerei verwandelt. Neun Menschen starben, 18 weitere trugen zum Teil schwere Schuss- und Stichwunden davon. „Das ist der grausigste Tatort, den ich in 34 Dienstjahren erlebt habe. Überall ist Blut“, sagte Polizeisprecher Patrick Swanton. Es sei kaum zu glauben, dass weder unbeteiligte Zivilisten noch Beamte zu Schaden gekommen seien. „Viele unschuldige Menschen hätten verletzt werden können.“, betonte.

Bandidos vs Cossacks

Polizeiangaben zufolge waren Mitglieder von fünf Motorradgangs demnach am Sonntagmittag in einem Grillrestaurant eines Einkaufszentrums der Stadt Waco aufeinander losgegangen. Im Mittelpunkt des Streits standen Berichten lokaler Medien zufolge die rivalisierenden Motorradgangs „Bandidos“ und „Cossacks“. Der Auslöser ist jedoch noch unklar. Möglicherweise hatten sich die Rocker in der Gegend Konkurrenz beim Anwerben neuer Mitglieder gemacht. In anderen Berichten hieß es, die Auseinandersetzung habe sich an einem Streit um Parkplätze entzündet.

Die Situation war in Folge des Streits eskaliert: Zuerst seien die Mitglieder der Rockergruppen mit bloßen Fäusten aufeinander losgegangen, später seien auch Ketten, Baseballschläger, Messer und schließlich Schusswaffen eingesetzt worden. Beim Eintreffen der Polizei schossen die Rocker auch auf die Einsatzkräfte, die das Feuer erwiderten. Nach der wüsten Schießerei hat die Polizei rund 170 Gangmitglieder festgenommen. Ihnen werde "Beteiligung an organisierter Kriminalität in Verbindung mit Mord" zur Last gelegt, teilte die Polizei am Montag mit. In Texas kann bei verurteilten Mördern bei besonderer Schwere der Schuld die Todesstrafe drohen. Noch sei jedoch unklar, ob Gang-Mitglieder oder Polizisten die tödlichen Schüsse abgegeben hätten. Deshalb lässt sich laut Polizeisprecher Patrick Swanton auch noch nicht sagen, ob es zu Mordanklagen kommen werde. Zusätzlich zu den Verhaftungen seien rund 100 Waffen sichergestellt worden.

Ein Polizist führt einen Rocker nach einer Schießerei in Waco, Texas, ab.
Ein Polizist führt einen Rocker nach einer Schießerei in Waco, Texas, ab.

© Reuters/Waco Police Department

Die Polizei befürchtet Vergeltungsaktionen der beteiligten Gruppen. „Es wurden Drohungen ausgesprochen, unsere uniformierten Beamten zu töten“, sagte Swanton. Aus Sorge, Bandenmitglieder könnten ihre blutige Fehde fortsetzen wollen, ordneten die Behörden die Schließung des Einkaufszentrums und umliegender Gebäude an. Mehr als 100 Motorräder und 50 bis 75 Fahrzeuge könnten als Beweismittel beschlagnahmt und auf Einschusslöcher und Blutspuren untersucht werden. „Wir haben es nicht eilig. Dies ist unser Tatort, und er ist abgeriegelt. Wir wollen nichts übersehen.“ Ein Richter setzte die Kaution gegen jedes Bandenmitglied auf eine Million Dollar (880 000 Euro) fest, wie die Zeitung „Waco Tribune-Herald“ berichtete. „Es ist wichtig, eine Botschaft zu senden“, sagte er demnach. Viele der Täter kämen nicht aus Waco. Auch sieben der Toten seien Ortsfremde gewesen.

Angestellt flüchteten in den Kühlraum

Die Behörden entzogen dem Restaurant, das für leicht bekleidete weibliche Bedienungen bekannt ist, vorerst für die kommenden sieben Tage die Lizenz, Alkohol auszuschenken. Er hoffe, das Management des Restaurants entschließe sich, so lange geschlossen zu bleiben, sagte Swanton. Zuvor war berichtet worden, das Lokal sei für eine Woche ganz von den Behörden geschlossen worden. Die Polizei forderte die Bewohner der Stadt via Facebook auf, das Einkaufszentrum und seine Umgebung zu meiden. „Wir riegeln den gesamten Central Texas Marketplace ab, wenn Sie dort sind, verlassen Sie ihn sofort“, hieß es in dem Aufruf. Nur wenige Meter vom Tatort entfernt hätten viele Familien in einem anderen Lokal zu Mittag gegessen. Zahlreiche Autoscheiben wiesen Einschusslöcher auf. Verängstigte Passanten hätten Schutz hinter geparkten Autos gesucht. In dem Grillrestaurant selbst flüchteten sich Kunden und Angestellte in einen Kühlraum, wie der örtliche TV-Sender KWTX meldete. In der Stadt Waco leben 129 000 Menschen. Laut Polizeisprecher Swanton hatte die Polizei der als Rockertreff berüchtigten „Twin Peaks Bar“ im Vorfeld ihre Sorge angesichts des geplanten Bandentreffens mitgeteilt. Die Verantwortlichen der Bar hätten den Rockertreff jedoch trotz der Appelle der Polizei in dem Lokal zugelassen.

Die Stadt hat 129.000 Einwohner.
Die Stadt hat 129.000 Einwohner.

© dpa

Seit Jahrzehnten geraten Mitglieder amerikanischer Rockerbanden überall in den USA in bewaffneten Konflikten aneinander. Sie konkurrieren um Einfluss und Vertriebswege für Drogen und Waffen. Der Inlandsgeheimdienst FBI führt unter den „Big Four“ die größten und gefährlichsten Banden des Landes: Neben den auch in Deutschland stark vertretenen „Hells Angels“ und „Bandidos“ führt das FBI auch die „Pagans“ aus einem Vorort von Washington DC und die „Outlaws“ aus Chicago als kriminelle Organisationen, die unter besonderer Beobachtung stehen. Besonders die Grenzen der USA zu Mexiko und Kanada werden von den Bikern für den Drogenschmuggel genutzt. Da die Grenze zu Mexiko am südlichen Ende von Texas verläuft, gilt diese Region als besonders umkämpft. Der Vorfall vom Sonntag war nicht das erste Blutbad in der US-Stadt Waco: Im April 1993 ging dort das Anwesen der Davidianer-Sekte in Flammen auf. Mehr als 70 Menschen, darunter schwangere Frauen und Kinder, kamen ums Leben. Vermutlich legten Sektenmitglieder das Feuer selbst, als die Polizei das Gelände nach wochenlanger Belagerung stürmte. Der selbst ernannte Prophet David Koresh hatte seine „Ranch Apocalypse“ zu einer Festung mit unterirdischem Tunnelsystem ausbauen lassen.(mit dpa/AFP)

Paul Middelhoff

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