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Rom: Verkehrt im Verkehr

Italiens Autofahrer halten sich ungern an Regeln – jetzt sollen die "Knöllchen" teurer werden. Auch Umweltverschmutzung soll teurer werden.

Ein Morgen in Rom: Der Berufsverkehr tobt, Eltern bringen ihre Kinder zur Schule. Da halten es ein paar Auto- und Motorradfahrer an der roten Ampel nicht mehr aus. Sie preschen los, Kinder und Mütter springen kreischend zur Seite. Am Straßenrand stehen zwei städtische Polizistinnen. Wütend beschweren sich Eltern über die Rowdys. „Tja“, sagt die eine Polizistin: „Gesehen hab ich’s. Aber was soll ich machen?“ Und plaudert mit der Kollegin weiter.

Die Italiener und ihre Verkehrsregeln – das ist ein schwieriges Verhältnis, besonders von der Toskana abwärts, Richtung Süden. Verboten scheint nichts. Die Vorfahrt gebührt scheinbar dem, der es schafft, seine Nase auch nur fünf Zentimeter vor seinem Rivalen im Überlebenskampf zu platzieren.

Vor genau sechs Jahren hat Italien zwar einen „Punkteführerschein“ eingeführt, aber inzwischen sind die abschreckenden Elemente verbraucht, und die Gebräuche nähern sich den alten Gepflogenheiten wieder an. Jetzt hat die Regierung die ohnehin drastischen Bußgelder wieder mal erhöht. In dieser Saison hat sich Rom insbesondere die nächtlichen Verkehrsverstöße vorgenommen: Wer zwischen 22 und 7 Uhr zu schnell fährt, unter Alkohol oder unter Drogen steht, wer an falscher Stelle wendet oder Verkehrszeichen als unverbindliche Empfehlung betrachtet, der zahlt ein Drittel mehr als bei Tageslicht. So kostet das Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit um zehn bis 40 Stundenkilometer tagsüber zwischen 155 und 624 Euro, nachts werden 206 bis 832 Euro fällig.

Auch Umweltverschmutzung wird nun empfindlich teuer. Wer Müll aus dem Auto wirft und bisher mit 23 bis 92 Euro davonkam, zahlt jetzt zwischen 500 und 1000 Euro. Angesichts der grauenvoll versauten Straßenränder, so spottet Italien nun an der Bar, könnte allein mit diesen Bußen ganz Europa seine Staatshaushalte sanieren. Gesetzt den Fall, der Staat bekommt das Geld überhaupt. Doch das ist eines der großen Probleme.

Normalerweise kommt das Geld aus den „Knöllchen“ den Kommunen zugute. Im Landesdurchschnitt aber schaffen diese es, von drei höchstens zwei Geldbußen zu kassieren. Vor Ort sieht’s teilweise noch viel magerer aus. In Rom zahlt nur jeder Zweite, in Neapel nur jeder Dritte, in Caserta nur jeder Vierte. An der Stiefelspitze hatte Reggio Calabria für seine Haushalte zwischen 2005 und 2007 insgesamt 5,5 Millionen Bußgelder fest eingeplant; erhalten hat die Stadt nur 91 600 Euro. Während norditalienische Städte dank strengerer und strafferer Verwaltung bis zu hundert Prozent ihrer Ansprüche durchsetzen, stehen bestrafte Autofahrer in Neapel mit 200 Millionen Euro in der Kreide, die Hauptstadt Rom wartet auf mehr als 300 Millionen Euro.

Um wenigstens einen Teil der Millionen einzustreichen, hat die Regierung nun einen Sonderrabatt beschlossen. Wer endlich jene Bußgelder überweist, die er seit fünf Jahren und mehr schuldig ist, bekommt den Minimaltarif angerechnet, davon auch noch vier Prozent abgezogen und braucht weder Mahngebühren noch Verzugszinsen zu bezahlen. 1,4 Milliarden Euro könnten so in die Kassen kommen. Rechnerisch jedenfalls.

Entschieden mehr Strenge legt Italiens Polizei inzwischen bei Alkoholkontrollen an den Tag. Mussten 2005 nur 240 000 Autofahrer ins Röhrchen pusten, so waren es 2008 fast sechsmal so viele. Trotzdem haben allein zwischen 2007 und 2008 die alkohol- und drogenbedingten Unfälle um ein Drittel zugenommen. Für junge Führerscheininhaber bis 21 Jahre gilt nun ein striktes Alkoholverbot, für ältere bleibt es beim Limit von 0,5 Promille.

Strenger überwacht werden auch mehr als 2000 „neuralgische“ Kilometer der Autobahnen. Dies geschieht automatisch mit dem High-Tech-System „Tutor“: Auf Abschnitten zwischen 10 und 25 Kilometern Länge werden alle Fahrzeuge per Video erfasst. Es wird die Durchfahrtszeit jedes einzelnen ermittelt und das errechnete Durchschnittstempo an der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemessen. Wer darüber liegt, zahlt. Statistiken zufolge hat der „Tutor“ die Durchschnittsgeschwindigkeit auf den fraglichen Autobahnabschnitten innerhalb eines Jahres um 15 Prozent gesenkt und den Verkehr damit auch flüssiger gemacht.

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