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Panorama: „’s Lebbe iss doch wie’s iss“

Kurt Beck hat den Arbeitslosen Henrico Frank für Dienstag eingeladen – und bietet ihm fünf Jobs an

Nun ist er also gewaschen und rasiert. Wie aus dem Ei gepellt präsentierte sich Deutschlands prominentester Hartz-IVEmpfänger Mitte der Woche der Presse. Der Wiesbadener Henrico Frank folgte damit einem Rat des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck. Den hatte der seit sechs Jahren arbeitslose Frank auf dem Wiesbadener Sternschnuppenmarkt getroffen, wo die beiden heftig aneinandergerieten. Frank – zu diesem Zeitpunkt noch langhaarig und bärtig – beschimpfte den Sozialdemokraten lautstark, bedankte sich ironisch für Hartz IV und machte ihn persönlich für seine aussichtslose Lage verantwortlich. Der verärgerte Beck sagte daraufhin: „Wenn Sie sich waschen und rasieren, haben Sie in drei Wochen einen Job.“ Das kam ein bisschen politisch unkorrekt daher, den verdutzten Genossen neben ihm sagte Beck daraufhin erklärend: „’s Lebbe iss doch wie’s iss“.

Darf ein verantwortliche Politiker sich so äußern? Die einen kritisierten ihn dafür, andere stimmten mit Volkes Stimme ein. „Mal ehrlich: Wem lag noch nie auf der Zunge, bei einer Begegnung der unflätigen Art dem Gegenüber zuzurufen: ,Bevor Sie mich hier schräg anmachen, waschen Sie sich erst mal!’“ Das schrieb zum Beispiel der Kommentator der „Emder Zeitung“.

Es könnte sein, dass der bodenständige Beck durchaus für viele den richtigen Ton getroffen hat. Nach der „Unterschichtendebatte“ hat er es aufs Neue geschafft, in aller Munde zu sein. Und das ganz unabsichtlich, schließlich wurde er provoziert. Nun hat Henrico Frank den Rat befolgt, ist zum Friseur gegangen und hat sich sauber rasiert. Die Gerüchte, wer das mit der neuen Frisur wohl inszeniert hat, überschlagen sich seitdem in Wiesbaden. Doch wer ihm diesen Rat gab oder ihm den Friseur bezahlte, um Beck weiter zu provozieren, der zieht wahrscheinlich den Kürzeren. Für den SPD-Mann ist es offenbar kein Problem, seine Zusage einzuhalten. Auf den von Frank provozierend angekündigten Besuch im neuen Jahr hat Beck gar nicht erst gewartet. Er hat den 37-Jährigen gleich für den kommenden Dienstag in die Mainzer Staatskanzlei eingeladen. Dort will er ihm sogar mehrere Jobangebote unterbreiten. Fünf Firmen, so heißt es aus der Staatskanzlei, sollen sich bereit erklärt haben, den gelernten Baufacharbeiter einzustellen.

Darunter seien drei Baufirmen, ein Malerbetrieb aus Rheinland-Pfalz, auch ein Reinigungsunternehmen aus dem hessischen Kelkheim. Für einen, der sich schon lange um einen Job bemüht hat, muss das wie Weihnachten sein: Gleich fünf Arbeitsplätze, alle von alteingesessenen und seriösen Firmen – und von denen darf Henrico Frank sich jetzt einen aussuchen.

Wenn das nichts ist. „Fünf offene Stellen – kein schlechter Anfang“, freut sich Hans-Gerd Öfinger von der Gewerkschaft Verdi in Wiesbaden. Er hofft: „Da geht noch mehr!“ Öfinger kennt persönlich einige Langzeitarbeitslose, die sich täglich duschen und rasieren. Die will er jetzt alle nach Mainz schicken, damit Beck ihnen zu einem Arbeitsplatz verhilft. Christoph Mürdter von der Linkspartei in Wiesbaden empfiehlt das allen Erwerbslosen. Sie sollten alle am Montag in der Mainzer Staatskanzlei vorstellig werden, Beck habe ja offenbar gute Beziehungen. Welche Unternehmer das sein könnten, die so schnell Arbeitsplätze aus dem Hut ziehen, darüber wird spekuliert. Sind ihm da vielleicht Genossen zur Seite gesprungen? Ob Frank den Termin am Dienstag wahrnehmen wird, ist allerdings unklar: Das Wiesbadener Hartz-IV-Forum, in dessen Vorstand Frank aktiv ist, erklärte, dass bei Frank noch keine Einladung eingetroffen sei. Das kommt davon, wenn man sich öffentlich in Szene setzt. Auch die Reaktion wird professionell inszeniert, die Medien werden bedient, der Ball fliegt hin und her, und am Ende gewinnt der Schlagfertigste.

Und der Bodenständigste.

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