zum Hauptinhalt
Im Besucherbergwerk Ehrenfriedersdorf ist zu sehen, wie Zinnerz bis 1990 gefördert wurde.

© picture-alliance/ dpa

Sachsen: Der Berg ruft wieder

Nach der Wende war Schluss – aber jetzt bohrt man im Erzgebirge und im Vogtland erneut nach Zinn und anderen Metallen. Die steigenden Rohstoffpreise machen die Renaissance der traditionellen Bergbauregion möglich.

Die neuen sächsischen Bergbauhoffnungen verbergen sich in tiefgrau und schwarzgrün schimmerndem Gestein. Nach Zinn haben die Geologen der Deutschen Rohstoff AG in Gottesberg im Vogtland und im erzgebirgischen Geyer gebohrt – und sie haben es gefunden. Lange Reihen von Kästen mit verschiedenfarbigen Bohrkernen von rot bis braun stapeln sich nun im Lager des Unternehmens in Chemnitz. Aber nur in jenen tiefgrauen und schwarzgrünen Kernen ist das gesuchte Metall.

Die Funde in Gottesberg etwa lassen den Chefgeologen des Unternehmens, Jörg Rückert, schwärmen. „Eine Weltklasse-Lagerstätte.“ Von November 2011 bis Februar 2012 waren die Teams des Unternehmens mit Bohrgeräten an jenen beiden Orten unterwegs. Ein zugezogener australischer Gutachter hat errechnet, dass in Gottesberg 115 000 Tonnen und bei Geyer etwa 44 000 Tonnen Zinn unter der Erde lagern. Der Zinnpreis liegt laut dem Unternehmen aktuell bei 20 000 US-Dollar.

Das Metall wird vor allem in der Elektroindustrie sowie für Bleche und Legierungen in steigenden Mengen gebraucht, aber es gibt kaum neue Lagerstätten. Die Deutsche Rohstoff AG geht deshalb von einer anhaltenden Nachfrage nach Zinn aus. Ein Großteil der Weltproduktion stammt derzeit aus China und Indonesien. Ganz überraschend war der Fund allerdings nicht. Schon in den 1970er und 80er Jahren hatten DDR-Geologen in der Region gründlich nach Rohstoffen gesucht. Die Deutsche Rohstoff hatte eifrig deren Unterlagen in den Archiven studiert und war deren Bohrungen gefolgt. Die Ergebnisse haben jetzt die Prognosen der DDR-Leute in etwa bestätigt.

Das Erzgebirge war einst das Klondyke des Mittelalters. Als 1168 dort Silber gefunden wurde, strömten viele Menschen in die damals unwirtliche Gegend. Seither lebt die Region mit dem Bergbau. Später wurden auch Kupfer, Zinn, Blei, Molybdän und vor allem Uran gefördert. Der Silberbergbau endete 1913. Mit Zinn war 1991 Schluss, als die letzte Tonne dieses Metalls in Altenberg im Osterzgebirge aus der Erde geholt wurde. Danach schien die Geschichte des Bergbaus in der Region beendet. Aber gestiegene Rohstoffpreise lassen nun den Abbau einst weniger wirtschaftlicher Lagerstätten als lohnend erscheinen. Wieder wird Kupfer, Zinn, Wolfram, Nickel, Indium und Molybdän sowie Fluss- und Schwerspat nachgespürt. Das Erzgebirge könnte ein neues „Berggeschrey“, auf Neudeutsch: einen neuen Run, auf Mineralien erleben.

Die Bohrteams der Deutschen Rohstoff wurden von den Menschen in der Region mit offenen Armen empfangen. „Wir haben ja etwa in Gottesberg schon fast in den Vorgärten der Leute gebohrt und durften trotz des Lärms Tag und Nacht arbeiten“, berichtet Rückert. „Sie haben uns gesagt, macht ruhig weiter.“ Die Menschen sähen im Bergbau eine Hoffnung, eine Zukunftschance, sagt der Bürgermeister von Geyer, Harald Wendler. „Die Region ist nicht reich gesegnet mit Unternehmen.“

In Gottesberg hingegen stoßen die Abbaupläne laut Bürgermeister Jürgen Mann auf ein gespaltenes Echo. „Es zeichnet sich eine Lagerbildung in ein Pro und ein Kontra ab“, sagt der 59-Jährige. Während die einen auf neue Arbeitsplätze und Wohlstand durch den Zinnabbau in der Region hofften, befürchteten andere wiederum Lärm und massive Einschnitte in die Natur. „Vor allem die Wismut-Vergangenheit des Ortes hat bei vielen Menschen unschöne Erinnerungen hinterlassen. Ständige Detonationen und riesige Abraumhalden will hier niemand mehr haben.“ Die Wismut war das Uranabbauunternehmen der DDR. Sollte der Bergbau kommen, müsse die Bevölkerung über jeden einzelnen Schritt informiert werden.

In Geyer war das Bohrteam in 100 bis 250 Metern Tiefe auf lohnende Lagerstätten gestoßen. In Gottesberg lagen diese etwas tiefer bei 200 bis 950 Metern. Ehe es zu der erhofften Renaissance des Bergbaus im Vogtland und Erzgebirge kommen kann, wird es aber noch etwas dauern. Zunächst soll es weitere Bohrungen geben, um die Datenlage weiter zu verbessern. Ziel sei es zunächst, eine Machbarkeitsstudie zu erarbeiten, sagt der Vorstand der Deutschen Rohstoff, Thomas Gutschlag. „Dann können wir sagen, zu welchen Bedingungen wir wo das Zinn fördern können.“ Zudem liefen in Freiberg derzeit Versuche für die Aufbereitung des Erzes.

Vor allem aber werden Geldgeber gesucht. Zusammen mit Investoren aus dem asiatischen Raum hat die Deutsche Rohstoff AG die Tin International mit Sitz im australischen Brisbane gegründet. „In Australien und Asien lassen sich für den Bergbau leichter Investoren gewinnen“, glaubt Gutschlag. Zudem plant die Deutsche Rohstoff in Australien einen Börsengang. Gutschlag hofft auf etwa 15 Millionen Euro frischen Geldes, mit dem die Bohrungen weiter vorangetrieben werden können. Ein neues Bohrprogramm soll noch in diesem Jahr starten. Für das Geschäft vor Ort wurde als Tochter der Tin International die Sachsenzinn mit Sitz in Chemnitz gegründet. „Ehe das erste Bergwerk in Betrieb geht, vergehen noch mindestens fünf Jahre“, sagt Gutschlag.

Ralf Hübner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false