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Darry

© dpa

Schleswig-Holstein: Ein Dorf steht unter Schock

Die 31-jährige Mutter der fünf getöteten Kinder aus Darry in Schleswig-Holstein soll dauerhaft in eine psychiatrische Klinik. Die Deutsche Kinderhilfe spricht bei den Kindstötungen von einem "Unterschichtenproblem", Anwohner wollen hingegen keine Anzeichen von Verwahrlosung wahrgenommen haben.

Nach dem Willen der Behörden soll die Frau in einer Klinik behandelt werden. "Wir bereiten den Unterbringungsbefehl vor", sagte der Kieler Oberstaatsanwalt Uwe Wick. Am Mittwoch waren in Darry (Kreis Plön) die Leichen der drei bis neun Jahre alten Jungen im Einfamilienhaus der Familie gefunden worden. Die Mutter steht in dringendem Verdacht, ihre Söhne getötet zu haben. Sie ist nach Angaben eines Polizeisprechers nach wie vor nicht vernehmungsfähig. Medienberichten zufolge leidet sie unter Wahnvorstellungen. Eine am Morgen vorgenommene Obduktion der getöteten Jungen hat ergeben, dass  sie erstickt worden, wie Oberstaatsanwalt Uwe Wick der Deutschen Presse Agentur dpa in Kiel mitteilte. Wick ergänzte: "Eine Verabreichung von Schlafmitteln ist nicht auszuschließen." Die letzten toxikologischen Untersuchungen standen am Mittag noch aus.

Das Dorf Darry steht unter Schock. Der reguläre Schulunterricht fiel aus. Weinende Eltern begleiteten ihre Kinder zu der kleinen Grundschule, die von 72 Schülern besucht wird. "Vier Pastoren und Psychologen kümmern sich um die Schüler", sagte die sichtlich bewegte Schulleiterin Andrea Danker-Isemer. Ein weiterer Seelsorger war im angrenzenden Kindergarten im Einsatz.

In Hausschuhen zur Schule

Eltern und Schüler wiesen Berichte zurück, dass die Kinder verwahrlost gewesen seien. "Sie waren offenbar nicht wohlhabend", sagte eine 33-jährige Mutter. Ein elfjähriges Mädchen aus der Nachbarschaft berichtet, sie habe häufig die beiden älteren Jungen Justin und Jonas ein Stück auf ihrem Schulweg begleitet. "Einmal ging einer von ihnen in Hausschuhen zur Schule, aber nur weil er vergessen hatte, richtige Schuhe anzuziehen", erzählte sie.

Nach Angaben von Nachbarn stammte der Vater der drei jüngsten Kinder aus den USA, der andere Vater lebt demnach in Kiel. Zwei Kinder sollen leichte Behinderungen gehabt haben. Die Jungen spielten oft lautstark im Garten des kleinen Einfamilienhauses und seien sehr lebhaft gewesen. Die Mutter lebte den Angaben zufolge sehr zurückgezogen, sie war meistens im Haus. Vor drei Monaten war sie mit ihren Kindern nach Darry gezogen.

Das Jugendamt hatte das Haus am Mittwoch aufgesucht, nachdem die Kinder nicht in der Schule erschienen waren. Die Mutter hatte selbst den Hinweis gegeben, dass ihre Kinder tot seien. Die Polizei fand daraufhin die Leichen von fünf Kindern in dem Einfamilienhaus. Die Jungen im Alter von drei bis neun Jahren wurden angeblich von ihrer Mutter mit Medikamenten betäubt und anschließend erstickt. Nach derzeitigem Erkenntnisstand soll die Frau psychisch schwer krank sein.

"Typisches Unterschichtenproblem"

Unterdessen hat die Deutsche Kinderhilfe mit scharfer Kritik an der gesellschaftlichen Stellung von Kindern in Deutschland auf die Tragödie von Darry reagiert. Es gebe "ein gesellschaftliches Grundproblem damit, dass Kinder in die Ecke geschoben und als Störenfriede wahrgenommen werden", sagte der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Georg Ehrmann, dem Bayerischen Rundfunk in München. Die Kinder- und Jugendhilfe sei finanziell stark heruntergefahren worden, so dass die Jugendämter sehr schwere Arbeitsbedingungen hätten. "Wir sind aber auch seit vielen Jahren der Qualitätsdebatte ausgewichen", kritisierte Ehrmann.

Zum staatlichen Wächteramt gehöre es auch, das Kindeswohl gegen den Willen der Eltern durchzusetzen. "Diese Erkenntnis aber ist in vielen Jugendämtern noch nicht angekommen." Das Thema sei, "auch wenn es politisch nicht so gern gehört wird, ein typisches Unterschichtenproblem", sagte Ehrmann. Erziehungsunfähige Eltern finde man fast ausschließlich in der Unterschicht. (küs/ddp/dpa)

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