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Panorama: Schnelle Aufklärung

Ein genetischer Fingerabdruck überführt Moshammers Mörder – der 25jährige Iraker gesteht die Tat

Die Kerzen vor Rudolph Moshammers Geschäft in der Maximilianstraße brennen wie am ersten Tag. Der Tod des Modeschöpfers Rudolph Moshammer aber ist nicht mehr das einzige Thema in München. Zum einen liegt das daran, dass die sehr effiziente Soko Moshammer bereits am späten Samstagabend einen 25jährigen, tatverdächtigen Iraker verhaften kann. Herisch A. leistet keinen Widerstand. Während der Vernehmung gesteht er, Rudolph Moshammer, der ihm für sexuelle Dienste bei sich daheim in Grünwald 2000 Euro als Bezahlung in Aussicht gestellt haben soll, mit einem Kabel und im Affekt erwürgt zu haben. Moshammer habe für den Sex nicht bezahlen und ihn hinauswerfen wollen.

„Herr Moshammer hatte keine Chance“, sagte der Leiter der Sonderkommission, Harald Pickert, auf einer Pressekonferenz am Sonntag. Der Täter habe offensichtlich blitzschnell das Kabel um den Hals seines Opfers geschlungen und zugezogen. Der 1,80 Meter große Iraker sei von „von sehr kräftiger Statur“, sagte Pickert. An der Leiche seien keine Abwehrverletzungen gefunden worden.

Nach der Tat, sagt Herisch A. aus, untersucht er die Taschen des Opfers, findet nichts Wertvolles, stürzt panikartig aus dem Haus – und fährt mit der Trambahn nach Hause. Herisch A. legt Wert darauf, dass er nicht schwul ist und eine Freundin hat. Seit 2001 wohnt er in Deutschland, ein Jahr später zieht er nach München. Er arbeitet als Hilfskraft in einer Kneipe. Ein richtiger Stricher ist er nicht, weiß aber aus Kreisen irakischer Freunde, dass Moshammer sich oft in der Szene umtut. Vor einem Jahr kommt Herisch A. wegen eines sexuellen Delikts und Körperverletzung gegenüber einer Frau in Polizeiverwahrung, wird aber wieder freigelassen. Er hinterlässt freiwillig eine Speichelprobe. Dieser genetische Fingerabdruck führt auf seine Spur, nachdem die Polizei den Tipp eines Zeugen erhalten hat. Er hat beobachtet, wie Herisch A. in der Nähe des Bahnhofs in Moshammers Auto stieg.

Herisch A. ist ein Spieler. Er hat Schulden. Herisch A. braucht Geld, und Rudolph Moshammer verspricht es ihm. Er verspricht ihm viel Geld. Mittlerweile kann die Polizei die Vorkommnisse am letzten Lebensabend von Rudolph Moshammer ziemlich genau rekonstruieren. Moshammer isst am Donnerstag mit einer Freundin beim Italiener in Grünwald, dann zieht es ihn in die Stadt. Er ist alleine am Steuer. Am Bahnhof steigt Herisch A. ein. Zwei Stunden später ist Rudolph Moshammer tot.

Alle Boulevardzeitungen in München heften sich mehr oder weniger eilfertig und in der Rolle des Hilfspolizisten auf Spuren im Milieu. Stricher im Glockenbachviertel und in Bahnhofsnähe werden interviewt, ob in irgendeiner Weise einmal Kontakt zu Rudolph Moshammer bestanden hat. Resümiert man die – auf welchem Wege auch immer zustande gekommenen – Ergebnisse solcher Recherche, ist Moshammer in den eher subkulturellen Münchner Schwulenkreisen als zahlender Kunde wohl bekannt gewesen, offiziell gab es von seiner Seite aber niemals ein Outing. Moshammers Mutter, so wagt sich eine Freundin von Moshammer, Veronique Aimee, jetzt vor, habe dem Buben seine Orientierung nachgesehen, sei aber eifersüchtig gewesen, was wiederum den Sohn zur Heimlichkeit verpflichtet habe.

Die Praxis wird auch nach dem Tod der Mutter beibehalten. So gesehen führte Rudolph Moshammer offensichtlich zwei Leben, die beide hinter einer Fassade stattfanden, aber doch grundverschieden dekoriert sind. Von einer Fixierung auf käufliche Liebe seitens Moshammers hat in München „irgendwie“ nahezu jeder gewusst, der in ähnlichen offiziellen Kreisen verkehrt, wie sich jetzt herausstellt – ein Beispiel mehr für die eigene und sehr seltsame Münchner Doppelmoral, die vor etlichen Jahren bereits nach dem ebenfalls gewaltsamen Tod des Schauspielers Walter Sedlmayr auffallen musste. Der Gesellschaftsmünchner als solcher sieht mithin nur, was er sehen will. Lieber schaut er weg. Wird aber mehr sichtbar, wo er gar nicht hingeschaut hat, hat er das eigentlich immer schon gesehen gehabt – wenn man so will. Die feierwillige Münchner Society hatte ihre Schuldigkeit beim Kondolieren in den leeren Raum hinein schnell getan, das Soziale an „Mosi“ war auch seitens des Ministerpräsidenten eiligst hervorgehoben worden.

Und nun? Die einen mussten ein bisschen weinen, die anderen immer noch ein wenig staunen. Viele konnten sich in der Gewissheit gefallen, es eigentlich immer schon geahnt zu haben, dass es mit Rudolph Moshammer einmal so kommen würde. Dann aber durfte der Betrieb munter weitergehen. Am Freitag beim Bayerischen Filmpreis, am Samstag beim Filmball. Pflichttermine einst für Rudolph Moshammer. Es musste ohne ihn gehen, und es ging ohne ihn.

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