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Schönheits-OPs: Mediziner warnen vor unnötigen Eingriffen an den Genitalien

Chirurgen und Gynäkologen warnen auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe vor einem neuen Trend aus den USA. Die Eingriffe an den Schamlippen seien kein Garant für Liebesglück. An der jüngsten Entwicklung sei unter anderen die TV-Serie "Californication" schuld.

Der Berliner Gynäkologieprofessor Heribert Kentenich schlägt Alarm. In den USA wollen immer mehr Frauen Schönheitsoperationen an den Genitalien vornehmen lassen. "Aus den USA könnte ein bedenklicher Trend zu genitalen ‚Schönheitsoperationen‘ zu uns herüberschwappen“, sagte der Chefarzt der Frauenklinik der DRK-Kliniken Westend beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.

In den USA wird immer häufiger öffentlich von Eingriffen in intimsten Körperregionen berichtet, von "Lifestyle"-Operationen, für die es keine medizinische Begründung gibt: Frauen lassen sich die inneren Schamlippen verkleinern oder die äußeren "aufspritzen", "überschüssige" Haut an der Klitoris abtragen oder Fett am Venushügel absaugen.

TV-Serie "Californication" bringt das Thema in unsere Wohnzimmer

"Durch die Mode der weiblichen Intimrasur sind die weiblichen Genitalien sichtbarer geworden, es hat sich eine Norm entwickelt, wie man ,da unten‘ auszusehen hat", sagt die Berliner Psychotherapeutin Ada Borkenhagen, die das Problem aus der eigenen Praxis kennt und sich an der Uni Leipzig wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigt. In der US-TV-Serie "Californication", die jetzt auch in Deutschland läuft, sind solche OPs ein Thema. Die Norm kann junge, noch wenig selbstbewusste Mädchen genauso unter Druck setzen wie Ältere, die sich auch in diesem intimen Bereich um ihre "Jugendlichkeit" sorgen.

Ein zweites Motiv für operative Eingriffe an gesunden Genitalien ist die Hoffnung auf eine Steigerung der sexuellen Erlebnisfähigkeit. Aus diesem Grund lassen sich zum Beispiel Frauen, die mehrere Kinder geboren haben, die Vagina verengen. Und bei den Reichen und Schönen der USA scheint es ein – recht lautstark verbreiteter – "Geheimtipp" zu sein, den G-Punkt in der vorderen Vaginalwand, der einen Ruf als besondere erogene Zone hat, mit Kollagen, Hyaluronsäure oder Eigenfett aufplustern zu lassen.

"Auf unnötige Experimente verzichten"

Ob von solchen Eingriffen wirklich ein Lustgewinn zu erwarten ist, darüber fehlen allerdings jegliche wissenschaftlichen Ergebnisse. Dass sie – wie jeder operative Eingriff – Risiken beinhalten, auch wenn sie zu Werbezwecken als unblutig und harmlos dargestellt werden, steht dagegen fest. Die Wiener Chirurgin Maria Deutinger, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, warnt: "Es kann zum Verlust des Hautempfindens, zu Narbenschmerzen und narbiger Verziehung der Harnröhrenöffnung kommen. In dieser Zone sollte man sich auf keine unnötigen Experimente einlassen."

Auch Günter Germann, Chefarzt der Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie an der BG-Unfallklinik Ludwigshafen und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (DGPRÄC), sieht solche Eingriffe höchst kritisch. Noch kann er keine Zunahme solcher Eingriffe in Deutschland erkennen. Er versichert jedoch: "Wenn wir das Gefühl hätten, dass das ein wirklicher Trend wird, würden wir eine Empfehlung für eine strenge Indikationsstellung aussprechen."

Eingriffe können durchaus medizinisch begründet sein

Einige deutsche Fachärzte für Plastische Chirurgie haben sich allerdings schon heute auf Genitaloperationen aus ästhetischen Gründen spezialisiert. Der Münchner Plastische Chirurg Stefan Gress rührt dafür medial inzwischen kräftig die Werbetrommel. In der Gynäkologisch-Geburtshilflichen Rundschau berichtete er im letzten Jahr über 443 Eingriffe an den Schamlippen. "Falls solche Eingriffe wirklich zunehmen sollten, werden es aber eher die Gynäkologen sein, die sie ausführen", vermutet Germann.

Die Frauenärzte führen Vaginal-Operationen schließlich schon heute aus medizinischen Gründen aus, etwa, wenn sich die Gebärmutter gesenkt hat oder eine Frau nach mehreren Geburten einen Scheidenvorfall hat. Außerdem können sie helfen, wenn die Vagina nach der Behandlung von Gebärmutterhalskrebs verkürzt ist. "Ein echter Grund ist es auch, wenn die kleinen Schamlippen so groß sind, dass sie beim Sitzen stören oder sich leicht entzünden", sagt Kentenich.

Schon heikler ist dagegen die Frage, wie der Arzt entscheiden sollte, wenn sich eine junge Frau die Wiederherstellung des Jungerfernhäutchens wünscht. "In Kulturen, in denen diese Art der Unversehrtheit über das Lebensglück von Frauen entscheiden kann, ist das eine vertretbare Indikation", findet Germann.

Schönheitsoperation kein Garant für Liebesglück

Während mit den brutalen und riskanten Genitalverstümmelungen in armen Ländern die Lust der Frauen beschnitten werden soll, ist umgekehrt Lustgewinn das erklärte Ziel der neuen Intimeingriffe in den reichen Ländern. "Die Frauen betonen typischerweise, dass sie das für sich selbst tun wollen", sagt Borkenhagen.

Dass das Skalpell kein Garant für mehr Lebensglück ist, haben einige schon am eigenen Leib erfahren. Borkenhagen hat attraktive Frauen in Behandlung, die bereits mehrere plastisch-chirurgische Eingriffe hinter sich haben und sich zuletzt einen Intimeingriff wünschten. "Eine Körperbildstörung kann man nicht im Operationsraum behandeln“, sagt Kentenich.

Adelheid Müller-Lissner

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