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Panorama: Schweinefleisch im Döner

Skandal um illegale Beimischungen in der Türkei

Was Kritiker in der Türkei schon lang befürchtet hatten, ist nun eingetreten. Verzweifelte Patienten bestürmen Krankenhäuser, Lebensmittelämter beschlagnahmen tonnenweise Fleischwaren, Polizei und Staatsanwaltschaft veranstalten Razzien gegen illegale Schweinefarmen, die Wasserwerke sind im Alarmzustand, und die Regierung bringt im Eilverfahren neue Kontrollgesetze auf den Weg. In der Türkei hat sich ein landesweiter Skandal entfaltet, nachdem in der vergangenen Woche hunderte Menschen in der Westtürkei an einer Infektion erkrankten, die fast ausschließlich über Schweinefleisch übertragen wird. Trotz des strikten Verbots von Schweinefleisch im Islam, das auch weniger fromme Moslems befolgen, wird vielen Fleischwaren in der Türkei heimlich billiges Schwein beigemischt. Meist stammt es aus illegalen und daher unbeaufsichtigten Aufzuchten.

Der Skandal brach los, als die Krankenhäuser in Izmir letzte Woche einen Ansturm von Patienten zu bewältigen hatten, die an Trichinellose erkrankt waren. Diese Infektion ist in der Türkei seit einem halben Jahrhundert nicht mehr aufgetaucht, weil sie vornehmlich durch den Verzehr von Schweinefleisch übertragen wird. Die verwunderten Ärzte alarmierten das Lebensmittelamt, das daraufhin Stichproben bei Imbissbuden, Metzgern und Marktverkaufsständen machte. Das Ergebnis: In vielen Proben waren den Köfte-Fleischbällchen, dem Hackfleisch, dem Döner und den Wurstwaren kräftige Portionen von Schweine- und auch Pferdefleisch beigemischt.

Das öffentliche Entsetzen ist so groß, dass die Gesundheitsbehörden eine Hotline für die besorgte Bevölkerung schaltete. Die Lebensmittelämter ließen die Fleischwaren von allen beanstandeten Verkaufsstellen einsammeln und vernichten. Hunderte Tonnen illegalen Schweinefleisches beschlagnahmten die Behörden bei Razzien. Metzger und Verkäufer wurden reihenweise festgenommen. Mitten in der Millionenstadt Istanbul fanden die Gesundheitsbehörden eine Schweinefarm mit rund 5000 Tieren – auf einem Hof, der eine Genehmigung zur Haltung von zehn Tieren hatte. Eine Schlachtgenehmigung hatte der Hof nicht.

Außerdem hatten die Schlächter den Schweinekot und die Schlachtabfälle in den Zulauf zu einem Stausee geworfen, aus dem das Trinkwasser für die Metropole kommt. Die Kläranlagen würden zwar damit fertig, erklärten die Istanbuler Wasserwerke, anders verhalte es sich aber mit den Fischen im Stausee, mit dem Vieh, das davon getränkt werde, und mit den Feldern, die daraus bewässert würden – von diesen Übertragungswegen würden ernsthafte gesundheitliche Gefahren für die Öffentlichkeit ausgehen.

Illegale Farmen

Wie viele illegale Schweinefarmen es imLand gibt, will nun die Opposition von der Regierung wissen – doch die muss passen. Nur zehn Schweinefarmen sind dem Statistischen Zentralamt bekannt. Sie produzieren offiziell das wenige Schweinefleisch, das Ausländer oder Angehörige religiöser Minderheiten konsumieren. Die Zeitschrift „Aksiyon" spürte bei einer Recherche auf Anhieb 20 Schweinefarmen in allen Teilen des Landes auf. Doch die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. „Jeder von uns hat wohl schon unwissentlich ein ganzes Schwein verspeist", sagt der Journalist Resit Haylamaz, der ein Buch „Schweinische Wirklichkeit in der Türkei" verfasste. Bisher mochte das kaum jemand glauben, doch das hat sich nun geändert. Nach einer Krisenberatung im Kabinett brachte die Regierung in dieser Woche ein Gesetz ins Parlament, mit dem alle Schweine ihrer Kontrolle unterstellt werden.

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