zum Hauptinhalt

Panorama: Seine Frau stand ihm im Weg

Der Mord an drei Putzfrauen in Telgte ist aufgeklärt – auch der Schütze ist jetzt gefasst

und Roland Greife, Telgte

Von den Nachbarn hatte niemand etwas gehört. Auch der Hausmeister nicht. Sie mochten kaum glauben, dass in der Nacht zum Sonntag in dem Mehrfamilienhaus in Telgte ein dreifacher Frauenmörder von einem Sondereinsatzkommando überwältigt wurde. In abgedunkelten Audi-Limousinen waren die Spezialkräfte vorgefahren, ehe sie in der vierten Etage des Hauses zugriffen.

„Es tut mir leid.“ Dies waren die letzten Worte gewesen, die drei Putzfrauen eines Fitness-Studios in der Nacht zum 29. Januar aus dem Mund ihres Mörders vernahmen. Dann drückte der Killer drei Mal ab. Kaltblütig, ohne jeden Skrupel, „von rechts nach links“, wie er den fassungslosen Vernehmungsbeamten nach seiner Festnahme erklärte. Nach dem Verbrechen ging der 21-jährige Türke zu Fuß nach Hause. Tags darauf traf er den Auftraggeber und Drahtzieher, den 30 Jahre alten Ehemann des jüngsten Opfers. „Gut, das wars“, sagte dieser. „Es ist erledigt.“ Für die Polizei ist mit den Geständnissen des Killers, seines Auftraggebers und eines 24 Jahre alten Komplizen ein Verbrechen aufgeklärt, das die ganze Region um Telgte im Münsterland wochenlang in Angst versetzt hatte. „Große Ungewissheit und Unsicherheit ist von den Bürgern genommen“, sagte am Sonntag der Bürgermeister der 20 000-Einwohner-Stadt, Ulrich Roeingh. Dennoch sind die Sorgenfalten von seiner Stirn noch nicht gewichen. Alle drei Täter waren Türken, eine Türkin das eigentliche Ziel des Mordes. „Ich habe große Angst, dass das friedliche Nebeneinander von Deutschen und den 350 Türken in Telgte in Vorbehalte gegenüber Ausländern kippt“, sagte er. Münsters Polizeipräsident Hubert Wimber und der Leitende Staatsanwalt, Joachim Wagner, bezeichneten die Skrupellosigkeit als „unfassbar“. Sie zeigten sich entsetzt über die Gefühlskälte, die aus den Einlassungen des mehrfach vorbestraften Schützen sprach. Nein, die Frauen – zwei Deutsche und eine Türkin – habe er nicht gekannt. Auch nicht die Ehefrau seines Auftraggebers. Als Begründung für das Blutbad sagte der Täter: „Es war ein Freundschaftsdienst." Sein Auftraggeber: Hüsegin Dag (30), Ehemann eines der Opfer und ein Bekannter des Todesschützen. Dag hatte schon seit Herbst vergangenen Jahres vorgehabt, seine Frau umzubringen, und die Tat gemeinsam mit einem 24-jährigen türkischen Landsmann geplant. Weitere Vernehmungen und Ermittlungen führten dann noch im Laufe des Samstags zum Todesschützen. Alle drei Männer sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Die Frauen hätten zunächst wohl an einen Raubüberfall gedacht. Eine habe noch gesagt: „Was wollen Sie? Geld haben wir nicht!"

Dag und sein Komplize hätten in kriminelle Geschäfte wie Drogenhandel, Prostitution und Autoschieberei einsteigen wollen. „Sie wollten ans große Geld", so Werner Brökers, Leiter der Mordkommission. Dabei habe Dags Ehefrau gestört. Der Drahtzieher hatte zudem ein Verhältnis mit einer 22-jährigen Polin, für die er unter falschem Namen eine Wohnung angemietet hatte. Bei seiner Lebensplanung war die solide, eng im muslimisch geprägten Familiengeflecht verwurzelte Ehefrau im Wege. Eine Scheidung sei aus seinem Kulturkreis heraus jedoch unmöglich gewesen, gab er an.

Die Tötung aller drei Frauen war von vornherein beabsichtigt gewesen, damit es keine Zeugen gibt und der Fall für die Ermittler schwerer zu durchschauen ist.

Auch Auftraggeber Dag selbst habe in den Vernehmungen keinerlei Gefühle gezeigt. Von Anfang an hatte die Mordkommission ihm seine Rolle als trauernder Familienvater nicht abgenommen. Nach dem Verbrechen spielte er den Fassungslosen. Dennoch blieben die Fahnder ruhig, als er zur Beerdigung seiner Frau in die Türkei reiste. Er muss sich sicher gefühlt haben, kaum zwei Wochen später war er zurück. In der Zwischenzeit hatte sich sein Komplize in Widersprüche verstrickt und die Polizei auf die Spur des Ehemannes geführt.    „Wir wussten von Anfang an, dass das Motiv bei einer der drei Frauen zu suchen sein musste“, sagt Brökers. Die Familie der Türkin kam am ehesten in Frage. Das Opfer ging nur in Begleitung von Verwandten aus dem Haus. Wollte man die 30-Jährige erschießen, war das nur am Arbeitsplatz möglich, folgerten die Fahnder.

Andreas Große Hüttmann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false