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SETI-Projekt: Großer Lauschangriff

Es müssen nicht grüne Männchen sein - aber irgendwo im Kosmos gibt es noch intelligente Wesen. Davon ist Wilfried Tost überzeugt. Und sucht mit vielen Anderen nach Lebenszeichen.

Kein Pieps von einem Alien, die grünen Männchen sind mucksmäuschenstill. Was da so gleichmäßig rauscht wie eine Autobahn in der Ferne, ist nur die Stimme des Alls, aufgefangen vom erdgrößten Radioteleskop in Arecibo, Puerto Rico. Wilfried Tost, der am weltweiten Projekt "SETI@home" teilnimmt, kann aus dem Weltraum auch andere Töne herbeizaubern, nicht live, sondern aufgezeichnet: ein dumpfes Knistern, das heftig pulsiert. Es sind Blitze auf dem Jupiter, aufgenommen von der Sonde "Galileo". Das aber will Tost nicht hören.

Der Mann aus Spandau ist in gewisser Form ein Besessener. Er sucht über Frequenzsignale aus dem Heimcomputer Geräusche, die auf intelligentes Leben im All schließen lassen. Er wartet auf Botschaften, die zweifellos künstlichen Ursprungs sind: Piep- oder andere Signale von Planeten, auf denen Leben denkbar ist. Beispielsweise vom Mars, von der Venus, vom Jupiter-Mond Europa, vom Titan. "Noch ist kein einziges vielversprechendes Signal gefunden worden," sagt der Fahnder des Alls.

Es kommt für ihn nur auf den Ton aus dem All an. Wer ihn abgibt, ist nebensächlich. An merkwürdige Marsmenschen oder fliegende Untertassen hat Tost schon als Kind nicht recht glauben wollen. Aber vom Leben außerhalb der Erde war er früh überzeugt. Mit dem Comic-Helden Perry Rhodan durchstreifte er das Universum, lernte Außerirdische mit mehreren Armen und Beinen kennen. Die TV-Serie "Raumschiff Orion" beobachtete er heimlich durch den Türspalt, während die Eltern glaubten, der Junge sei im Bett. Und ihn faszinierte die Apollo-Mondlandung 1969.

"Irgendwo gibt es Leben im All", ist Tost sich sicher. Der 52-Jährige ist kein Schwärmer, der sich in philosophischen Weiten verliert, weil er nicht glauben kann, dass im ganzen Universum nur die kleine Erde belebt ist. Er ist ein kühler Mathematiker, Informatiker, rational denkender Techniker, der zu beweisen versucht, dass es Lebewesen im All gibt, die sich verständlich machen wollen. Dehalb macht er bei SETI mit. Eine englische Abkürzung, übersetzt: Suche nach extraterrestrischer Intelligenz.

Auf die Spurensuche nach klugen Köpfen im All kann sich jeder Laie machen, nötig sind keine astronomischen Kenntnisse, besonders gute Ohren oder ständige Konzentration. Ein Computer reicht - mit einem Programm, das unhörbare Frequenzhäppchen davon aufzeichnen kann, was der große Weltraum-Schalltrichter in Puerto Rico an Wellen auffängt.

Dessen gesammelte Daten landen zunächst bei der SETI-Leitung an der Universität Berkeley in Kalifornien. Weil es einen so großen Rechner für die Bearbeitung gar nicht gibt, verteilt sie die Geräusche in kleine Häppchen und gibt sie weltweit an fünf Millionen Computer weiter. "Verteiltes Rechnen" heißt das. Jeder Rechner sucht, sofern er nicht gerade für andere Dinge gebraucht wird, nach Außergewöhnlichem im Schallsalat. Die SETI-Leute bekommen kein Geld, müssen eigentlich auch nichts tun. Bei Tosts Computer - auch seine Frau und sein Sohn suchen nach Geräuschen - schaltet sich das Programm nach fünfminütiger Untätigkeit ein - als Bildschirmschoner.

Während sich das All via Radioteleskop per Mausklick hören lässt, bleibt der Ton-Happen für die einzelnen Computer stumm. Dafür ist auf dem Monitor ein schönes Bild zu sehen. Wie ein zackiges Gebirge sieht die Darstellung der akustischen Weltraum-Signale aus, die in Frequenzbändchen zerteilt werden. Außergewöhnliche Ausschläge werden sofort nach Berkely gemeldet. "Alles natürliche Geräusche", sagt Tost beim Blick auf den heimischen Monitor. Wie seit Jahren. Aber künstlich sollen die Töne sein, die er sucht. Vor vier Jahren war eine Mars-Sonde unterwegs, die ein Mikrofon auf dem Planeten installieren sollte. Sie stürzte ab. Mit ihr schwanden alle Hoffnungen der "Alienjäger", fremde Töne, vor allem Radiowellen, zu erhaschen.

Große Erwartungen gab es schon 1977 in Ohio, als die State University ein Signal auffing, das man zuvor noch nie gehört hatte. Die Entdecker waren so überrascht, dass sie den Ton "Wow-Signal" nannten. Aber Wow verfehlte eine wichtige Voraussetzung: Es wiederholte sich nicht, der Nachweis fehlte. Ein mal ist kein mal. Dann muss auch noch geklärt werden, ob dieser Ton wirklich ein extraterrestrisches Signal ist. Was bislang aufgefangen wurde, war zu deprimierenden 99,99 Prozent "irdische Streustrahlung", kam etwa von Flugzeugen, Satelliten oder gar Handys. Der Mini-Rest ist vielleicht eine geheimnisvolle Botschaft der Sterne, aber doch undefinierbar. Zusammengenommen zwei Millionen Jahre Rechnerzeit sind bislang investiert worden, um Leben im All aufzuspüren. Die Aliens danken es nicht.

Aber ein Lebenszeichen kann jederzeit kommen. "Der Mars ist ein heißes Thema", sagt Tost, und meint damit das Interesse, das der Hobby-Astronom und Mondspezialist vor Schulklassen weckt, wenn er als einer der Berliner SETI-Jäger und Hobby-Astronomen regelmäßig über die Kontaktsuche berichtet. "Die Kinder hören gespannt zu und fragen sich schon, wie man Außerirdischen begegnen soll. Ob es reicht, einfach Hallo zu sagen und die Hand zu geben."

Ob die Aliens überhaupt von der Erde wissen können, ist fraglich. Die Jupiter-Sonde hatte vor ihrem jähen Ende auch eine erdnahe Bahn gezogen. Sie sollte dabei auf "künstliche Signale" der Erde achten. Sie hat erstaunlicherweise kaum eines registriert, kein Zeichen intelligenten Lebens. Was wiederum die SETI-Leute ermuntert: Wenn es bislang kein künstliches Signal außerhalb der Erde gibt, sage das eben gar nichts. Vielleicht suchten auch die Aliens seit langem nach Signalen, die nicht kommen.

Ein künstliches Signal als Beweis für Leben im All: Die Spurensucher benutzen gern einen Micky-Maus-Comic, um zu demonstrieren, was sie meinen. Da sitzen Donald Duck und Daniel Düsentrieb auf einer einsamen Insel (wie auf einem Stern) und wollen gerettet werden. Mit eingesammelten Federn gelingt ihnen auf merkwürdigem Weg eine Explosion. Den Piloten eines Flugzeugs fällt auf, dass im Himmel Federn fliegen. So erkennen sie, dass jemand da unten auf sich aufmerksam machen will.

Solche Federn in Form von Signalen wünscht sich Wilfried Tost, wenn er seinen Computer in Spandau anwirft. Auch wenn die Außerirdischen bislang keinen Piep sagen, hat Tost als Mitarbeiter des Instituts für Planetenforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR ) in Adlershof doch Kontakt zum All. Der Weltraum ist hier allgegenwärtig. An etlichen Wänden des Instituts sind Großaufnahmen diverser Planeten, auch von der Oberfläche des Mars zu sehen. Mit einer Drei-D-Brille kann er auf sanfte Täler, Krater- und tiefe Gebirgsschluchten blicken, in denen einmal Wasser geflossen sein muss. Und manchmal geht er ganz dicht an die Fotos heran. So, als suche er Lebewesen. (Von Christian van Lessen)

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