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Panorama: Seufzer der Erleichterung: "Die Deiche halten - bisher"

In Winnipeg hat die Flut des Red River den Höchststand erreicht VON BARBARA HALSIG Ottawa. Sie standen auf Hausdächern, lehnten aus Bürofenstern, saßen in Baumwipfeln oder drängten sich auf den Deichen aus fünfeinhalb Millionen Sandsäcken: in der Nacht zum Freitag, beobachteten die Bürger der kanadischen Präriestadt Winnipeg (Provinz Manitoba), wie der Hochwasserführende Red River seine Höchststärke erreichte.

In Winnipeg hat die Flut des Red River den Höchststand erreicht VON BARBARA HALSIG Ottawa. Sie standen auf Hausdächern, lehnten aus Bürofenstern, saßen in Baumwipfeln oder drängten sich auf den Deichen aus fünfeinhalb Millionen Sandsäcken: in der Nacht zum Freitag, beobachteten die Bürger der kanadischen Präriestadt Winnipeg (Provinz Manitoba), wie der Hochwasserführende Red River seine Höchststärke erreichte.Bei 7.437 Meter über der Eismarke des gefrorenen Flußes hörte das Wasser auf zu steigen.Bange, erschöpfte Spannung wich vorsichtiger Erleichterung - es war, als ob ein kollektiver Seufzer durch die belagerte Stadt ging."Die Deiche halten - bisher", sagt der Star-Moderator des Öffentlichen Fernsehens. Nahezu zwei Wochen des behördlich angeordneten Notstandes, der Einsatz der gesamten Straßenbauindustrie der Provinz bei der Erstellung eines 40 Kilometer langen Deiches vor den Toren der Stadt in nur sechs Tagen, und die größte Mobilmachung der kanadischen Streitkräfte seit dem Koreakrieg haben offensichtlich geholfen.Ganz abwenden konnten aber auch die Kanadier die Katastrophe nicht: 25 000 Menschen aus dem Red River Tal sind evakuiert, und das Dorf St.Agathe steht zwei Meter unter Wasser. Die Gefahr ist auch für Winnipeg längst nicht vorüber.Der erste Kontakt mit dem "Feind" , wie die Armee die Wassermassen nennt, war ein Triumph, aber die Behörden warnen die Bewohner vor zu früher Gelassenheit.Das Hochwasser aus dem 2000 Quadratkilometer "Roten Meer" übt einen ungeheuren Druck auf Strukturen aus, die in Windeseile gebaut wurden und auch jetzt noch von Tauchern kontrolliert werden.Bis Sonntag wird das Wasser auf Höchststand bleiben, bis Mittwoch darf kein Deich leckschlagen.Jedes kleinste Rinnsaal wird sofort repariert.Pumpen laufen auf Höchsttouren, Klempnermaterial und Gummistiefel gibt es nirgendwo mehr in Winnipeg zu kaufen.Die Probleme enden nicht in der Stadt.Der Red River will durch den Engpaß Winnipeg hindurch nach Norden, wo er in den noch zugefrorenen Winnipeg-See mündet.Die Mündung aber ist noch fest gefroren.Jetzt werden dort Löcher ins Eis gebohrt, um Bewegung in den Fluß zu bringen.Von Dynamitattacken sieht man ab: was in die Luft fliegt, hat sich bereits mehrmals zu noch höheren Eiswällen zusammengetürmt.Dörfer im Red River Tal nördlich Winnipegs sind insofern bereits am Klagen: was historisch im Auffangbecken Winnipegs für naße Füße sorgte, rollt jetzt in ihre Richtung.Am Freitag schuftete man hier beim Sandsackaufbau. Die Indianer, die diese Region vor Ankunft der Weißen besaßen, gehören jetzt zu den Evakuierten.Ihre Reservation Roseau River hat einen permanenten Ringdeich und blieb dank massiver Sandsackaufhäufung eine trockene Insel in Mitten der Fluten.Die Bewohner, 75 Großfamilien, sind im benachbarten "weißen" Dorf St.Anne untergebracht, bei den Nachfahren der europäischen Siedler, mit denen sie bis heute wenig oder negativen Kontakt haben.Die Jahrhundertflut habe das Eis zwischen den Menschen gebrochen, berichteten Kanadas Medien.Kinder gehen gemeinsam zur Schule.Die Erwachsenen spielten Bingo, die Mütter des Dorfes kochten für die Besucher."Wir lernen miteinander umzugehen", sagte ein alter Indianer."Ich glaube, dies ist der Beginn einer langanhaltenden Freundschaft", meinte ein Weißer."Ja, es ist möglich".

BARBARA HALSIG

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