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Panorama: „Sex and the City“ für Republikaner

Die Seifenoper „Verzweifelte Hausfrauen“ erobert die USA. Ein konservativer Sieg im Kulturkampf? Nicht ganz

Es war einer dieser gezielten Skandale, die US-Fernsehsender einsetzen, um für ihr Produkt zu werben. Vor einem Footballspiel der Philadelphia Eagels schlich sich Nicolette Sheridan in der Umkleidekabine an Star-Receiver Terrell Owens heran, ließ die Hüllen fallen und sprang ihm in die Arme. Natürlich vor laufenden Kameras. Der Aufschrei der amerikanischen Moralapostel über so viel Nacktheit zur besten Sendezeit zog sich die Woche über hin. Gerade lange genug, um die Aufmerksamkeit für die Wiederholung der Szene in der Seifenoper „Desperate Housewives“ („Verzweifelte Hausfrauen“) zu erhalten, in der Sheridan die Rolle des sexhungrigen Vorstadt-Vamps Edie Britt spielt.

Öffentlich entschuldigte sich der Familiensender ABC beflissentlich, hinter den Kulissen rieben sich die Verantwortlichen die Hände, dass der Coup sie nur eine Million oder so kosten wird – über das genaue Strafmaß hat die Medienaufsicht noch nicht entschieden. Mit den „Verzweifelten Hausfrauen“ hat der eigentlich kreuzbrave Sender nach einer mehr als zehn Jahre währenden Durststrecke endlich wieder einen Quotenhit, rund 25 Millionen Amerikaner schalten jeden Sonntag landesweit ein. Die Serie im allgemein empfangbaren TV senkt die Grenze für die Darstellung von Sex, Seitensprüngen, Mord und Drogenmissbrauch auf ein Maß, das bislang den nur mit heftigem Preisaufschlag zu nutzenden Kabelkanälen vorbehalten war. Derweil reiben sich die Soziologen und die politischen Beobachter verwundert die Augen: Das soll jetzt also das neue, republikanisch-puritanische Amerika des George W. Bush sein? Der konservative Sieg im Kulturkampf?

Doch eigentlich ist der Überraschungserfolg der „Desperate Housewives“ nichts anderes als „Sex and the City“ für Republikaner. Während Carrie und ihre Freundinnen ihre Abenteuer in der New Yorker Society leben, in der 500-Dollar-Schuhe, Selbstverwirklichung und Sex zur Regelung des Hormonspiegels eine zentrale Rolle spielen, suchen Edie & Co. Ablenkung in der Öde des Vorstadtlebens.

Die Rolle von Sarah Jessica Parker ist von der Lebenswirklichkeit der Durchschnittsmutter im Herzland Amerikas so weit entfernt wie John Kerry von deren politisch-moralischen Überzeugungen. Die Hausfrauen mit ihren dringenden Bedürfnissen dagegen zeichnet alles aus, was man gemeinhin so findet im heutigen Familienleben. Ein paar kleine Intrigen, schräge Nachbarn, mit denen man doch irgendwie auskommen muss und Kinder, deren Erziehung einem ständig über den Kopf zu wachsen droht. Nur dass im TV alles ein bisschen ironisch überzeichnet und mit saftigen Zutaten gewürzt ist.

Sex sells – über die Parteigrenzen hinweg. Und anders als die Protagonistinnen von „Sex and the City“ werfen die Hausfrauen ihre dysfunktionalen Männer nicht gleich in den Beziehungsorkus, sondern stehen die Sache durch. „Sie wollen verheiratet bleiben, auch wenn ihre Typen nicht die tollsten sind. Sie lieben ihre Kinder abgöttisch, auch wenn die sich total daneben benehmen. Im Grunde genommen“, schreibt Kolumnistin Myrna Blyth in der konservativen „National Review“, „haben sie ihren traditionellen Lebensstil und wollen ihre traditionellen Werte beibehalten – wie die meisten amerikanischen Frauen und Mütter.“ Hätten die Meinungsforscher vor der Wahl im fiktiven Vorort Wisteria Lane, in dem die „Desperate Housewives“ leben, eine Umfrage gestartet, „dann wette ich, dass drei von vier Befragen sagen würden, sie stimmen für Bush.“

„Newsweek“ widmete der Serie kürzlich gar eine Titelgeschichte und mokierte sich darin über die Doppelmoral im Lande. Als wenn das etwas Neues wäre. Während der Präsident die Kabinettssitzungen mit einem Gebet beginnt und sie im Bible Belt sieben Mal in der Woche in die Kirche gehen, verzeichnet in Kalifornien die größte Pornoindustrie der Welt einen Jahresumsatz von rund zehn Milliarden Dollar. Laut einer Untersuchung der „New York Times“ verkauft sich der „Playboy“ am besten in Iowa, Wyoming und North Dakota, allesamt fest in Bush-Hand. Die höchsten Scheidungsraten finden sich in den Republikaner-Hochburgen Nevada, Arkansas und Wyoming, die niedrigste in Kerrys Heimatstaat Massachusetts.

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