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Panorama: Sie lieben und sie essen sie

Von Harald Maass, Seoul Am Morgen hat Familienvater Sung das Haus verlassen und sich auch von seinen Hunden verabschiedet. Die Pekinesen haben aufgeregt mit den Schwänzchen gewedelt.

Von Harald Maass, Seoul

Am Morgen hat Familienvater Sung das Haus verlassen und sich auch von seinen Hunden verabschiedet. Die Pekinesen haben aufgeregt mit den Schwänzchen gewedelt. „Cheny“ und „Chera“ heißen sie, und ihre Fotos kleben im Familienalbum. Der dritte Hund, dem der Geschäftsmann an diesem Tag begegnet, trägt keinen n. Er köchelt in Lauchsoße. Einmal pro Woche setzt sich Herr Sung an einen der niedrigen Holztische im „Wachholderbeer-Haus“ und isst Hund. „Das Fleisch gibt mir Kraft“, sagt er.

Das „Wacholderbeer-Haus“ ist ein gemütlicher Gasthof außerhalb von Seoul. Hund ist hier die Spezialität – gekocht, geschmort oder „in feiner Sesamsoße“. Die Besitzerin des „Wacholderbeer-Hauses“ ist Jung Chun-ja, eine herzliche Frau. Sie sagt: „Hund ist für uns Koreaner eine Delikatesse!“

Ginge es nach der südkoreanischen Regierung, dann würde Frau Jung jetzt vegetarisch kochen. Denn zur Fußballweltmeisterschaft laufen die Tierschützer wieder einmal Sturm: Der Verzehr von Hunden sei eine „barbarische Grausamkeit“, sagen sie. Als der Präsident des Welt-Fußballverbands Fifa, Joseph Blatter, in einem Brief an die Regierung „sofortige Maßnahmen“ gegen die Tierquälerei forderte, wurde die Angelegenheit zur internationalen Affäre. Die Fifa solle sich gefälligst aus den landesüblichen Essgewohnheiten heraushalten, konterte der Chef des koreanischen Fußballverbandes.

Zwei Millionen Hunde werden jedes Jahr in Korea verspeist – ein Geschäft in der Grauzone. Aus Angst vor Kritik aus dem Ausland will die Regierung das Schlachten von Hunden nicht erlauben. Der Handel mit der Delikatesse, die etwa doppelt so teuer ist wie Rindfleisch, floriert dennoch. Etwa 6000 Hunderestaurants gibt es in Korea. Und viele Gastronomen, die aus Hunden Saft pressen – pro Tier etwa hundert Päckchen.

Was die Tierschützer böse macht, das kann Professor Ann Yong-Geun vom Chungcheong-Institut nicht erregen. „Die Hundezucht ist nicht grausamer als jede andere Tierzucht“, sagt er.

Wasserfestes Hundesofa

„Doktor Hundefleisch“ nennen die südkoreanischen Medien den Wissenschaftler, der ein 350-seitiges Buch über das Hundeessen geschrieben hat. Schon in der Choson-Dynastie seien in Korea Hunde verspeist worden, doziert Ann. Die Kritik aus dem Ausland bezeichnet er als „Kulturimperialismus". Jedes Land habe eigene Essgewohnheiten, „die Franzosen essen Frösche, in Deutschland gibt es Pferdemetzgereien“. Woher dann des Koreaners Liebe zum Schoßhund kommt? Das sei nun wirklich eine andere Sache, findet Ann. Koreaner sähen in Schlachthunden keine Haustiere, außerdem sei das Halten von Schoßhunden ein noch junges Phänomen. „Im Grunde hat es erst angefangen, als wir nicht mehr hungrig waren.“

Schoßtierchen in Korea – auch dieses Geschäft boomt also, Hunde werden hier verwöhnt wie nirgends sonst auf der Welt. Bei der Firma Firma „Louisdog“ zum Beispiel gibt es Hunde-Möbel (wasserfestes Sofa für 100 000 Won). Vor kurzem hat eine Hunde-Klinik eröffnet, die mit modernster Technik Krebsoperationen durchführt. Und im „Igloo“ in Seoul treffen sich wohlhabende Hundebesitzer, um ihre Lieblinge zu verwöhnen. Hundert Hunde kläffen im mit Designer-Möbeln vollgestellten Raum. Herrchen bestellen von der Hundekarte Erfrischungen für sie: Frischer Orangensaft, entkoffeinierter Kaffee oder gekochtes Eigelb. „Hunde dürfen in Seoul nicht in den Park“, sagt Manager Eae Yong-sun. Im „Igloo“ können die Besitzer in Ruhe mit ihnen spielen.

In der Küche des „Wacholderbeer-Hauses“ schnippeln vier Helferinnen Gemüse in Streifen. Das Fleisch kocht derweil in zwei schwarzen Eisentöpfen. „Hundefleisch darf nicht zu fett und muss schön rotbraun sein“, erklärt Frau Jung. Im Prinzip könne man Hund wie jedes andere Fleisch verwenden. Ein beliebtes Gericht ist „Bosintang“, eine herzhafte Hundefleischsuppe mit Lauch. „Dazu braucht man etwas Soja-Paste und natürlich Ginseng…“

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