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Panorama: Sigrid Zeevaert: Ständig machen sie Krach

Wenn es nach ihm ginge, würde Jasper mit Mädchen überhaupt nichts zu tun haben. Ihm geht das ganze Gerede über Küssen und Knutschen um ihn herum ziemlich stark auf die Nerven, und eine Freundin will er schon einmal gar nicht.

Wenn es nach ihm ginge, würde Jasper mit Mädchen überhaupt nichts zu tun haben. Ihm geht das ganze Gerede über Küssen und Knutschen um ihn herum ziemlich stark auf die Nerven, und eine Freundin will er schon einmal gar nicht.

Wozu auch? Schließlich hat er zu Hause mehr Mädchen, als einem lieb sein kann: drei Schwestern jeden Alters. Ständig machen sie Krach, kichern rum oder denken sich, wie sie halt so sind, fiese Streiche gegen ihn aus. Hier ist wirklich nichts zu spüren von den modernen Einzelkinderfamilien, in denen die Eltern ihre ganze Liebe auf einen einzigen Nachkommen konzentrieren können.

Jaspers Eltern sind konventionell, und das heißt: das ganze Haus voll mit kreischenden und gackernden Weibern.

Sind Mädchen das Allerschlimmste?

"Weiberkram?" heißt das neue Buch von Sigrid Zeevaert programmatisch, und lange Zeit wundert man sich, wie das Fragezeichen ans Ende des Titels kommen konnte. Aber plötzlich und ganz langsam kippt die Geschichte. Und am Ende sind Mädchen gar nicht mehr das Allerschlimmste. Wie das kommt? Da ist zum einen einmal die Bele, die Freundin von Jaspers Schwester Marie.

So doof ist die gar nicht - eigentlich sogar ziemlich süß. Bei ihr könnte sich Jasper vielleicht auch das mit dem Küssen ganz gut vorstellen.

Außerdem muss er noch seinen besten Freund Ben trösten. Der ist zwar Einzelkind - hat es eigentlich also viel besser als Jasper -, aber seine Eltern stehen kurz vor einer Scheidung. Da taucht dann plötzlich doch die typisch moderne Einzelkinderfamilie auf. Und Ben steht ganz ohne Geschwister ziemlich alleine da. Nur gut, dass es so etwas bei Jasper nicht gibt.

"Weiberkram?" hat also doch zu Recht sein Fragezeichen. Denn am Ende ist Jasper ziemlich überzeugt: von seinen Schwestern zum einen, von dem ganzen Geschlecht Mädchen aber irgendwie auch.

Was als reines Klischeebild anfängt, ist zum Schluss des Buches ordentlich gerade gerückt. Und Sigrid Zeevaert hat wieder einmal bewiesen: Man braucht nicht immer nur wilde Actiongeschichten, um zu fesseln. Ausgehend von einer sehr simplen, holzschnittartig plakativen Familiensituation beschreibt sie eine Geschichte, die alles andere als simpel ist. Sie fügt mehrere Erzählstränge zusammen und schafft damit Tiefe. Besonders die Freundschaftsgeschichte zwischen Jasper und Ben überzeugt durch sehr großes Einfühlungsvermögen und emotionale Dichte.

Bens Leiden lässt sich genauso gut mitfühlen wie Jaspers Unsicherheit, mit dieser schwierigen Situation umzugehen. Zwar steht Jasper im Mittelpunkt dieses Buches, wir sehen die Welt erst einmal mit seinen Augen, er ist aber nicht die einzige Person, die zur Identifikation einlädt. Alle haben eine eigene Geschichte und einen eigenen Charakter, wodurch sich ein sehr dichtes soziales Netz aus Familie und Freunden aufbaut.

Auf Höhe der Zielgruppe

In "Weiberkram?" zeigt sich damit erneut, wie nah Sigrid Zeevaert ihren Hauptfiguren - und damit auch ihren Lesern - ist. Fast ganz ohne Erwachsenenpädagogik begibt sie sich auf eine Höhe mit ihrer Zielgruppe und hält diese Perspektive auch konsequent über 143 Seiten durch.

Im Kinderbuchbereich würde man sich eine solch sensible und intensive Herangehensweise an die Probleme der Kinder häufiger wünschen.

Imke Maier

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